Berufsstand - 27. Februar 2025

BAG folgt BGH: Keine Pflicht zur Fristenkalender-Kontrolle für Anwälte

BRAK, Mitteilung vom 27.02.2025

Das Bundesarbeitsgericht schließt sich der Rechtsprechung des BGH an und lockert die Anforderungen an Anwälte in Fristsachen. Eine eigenständige Überprüfung des Fristenkalenders ist demnach nicht zwingend erforderlich.

Der Sechste Senat des Bundesarbeitsgerichts (BAG) schließt sich der lockereren Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (BGH) zur Sorgfaltspflicht von Rechtsanwältinnen und -anwälten in Fristsachen an. Die Berufsträgerinnen und -träger würden die ihnen obliegende Sorgfaltspflicht in Fristsachen nicht verletzen, wenn sie den Ablauf von Rechtsmittelbegründungsfristen nur über die Vermerke in der Handakte prüfen, sofern sich keine Zweifel an deren Richtigkeit aufdrängen. Einer zusätzlichen Prüfung, ob das Fristende auch tatsächlich korrekt im Fristenkalender eingetragen ist, bedürfe es dann nicht mehr (Urteil vom 20.02.2025, Az. 6 AZR 155/23).

Divergenzanfrage des Sechsten BAG-Senats

Diesem Wechsel der Rechtsprechung war eine Divergenzanfrage (§ 45 Abs. 3 Satz 1 ArbGG) des Sechsten BAG-Senats an den Ersten, Dritten, Achten und Neunten Senat des BAG (Beschluss vom 23.05.2024, Az. 6 AZR 155/23) vorausgegangen. Deren bisheriger Rechtsprechung zufolge mussten Rechtsanwältinnen und -anwälte neben der Rechtsmittelfrist selbst auch die ordnungsgemäße Notierung der Rechtsmittelbegründungsfrist im Fristenkalender kontrollieren. Eine Kontrolle anhand der Handaktenvermerke sollte also gerade nicht ausreichen (Urteil vom 10.01.2003, 1 AZR 70/02; Beschluss vom 17.10.2012, Az. 3 AZR 633/12; Urteil vom 31.01.2008, Az. 8 AZR 27/07 und Urteil vom 18.06.2015, Az. 8 AZR 556/14; Beschluss vom 18.01.2006, Az. 9 AZR 454/04).

Laut BGH reichte es hingegen grundsätzlich aus, wenn lediglich die Vermerke überprüft würden (Beschluss vom 17.05.2023, Az. XII ZB 533/22; Beschluss vom 19.10.2022, Az. XII ZB 113/21). Dem hat sich nun auch das BAG angeschlossen: Die anderen vier Senate haben dem Sechsten nun mitgeteilt, dass auch sie an der alten Rechtsauffassung nicht mehr festhalten.

BAG lockert Rechtsprechung: Anwälte müssen Fristenkalender nicht prüfen

Nun gilt einheitlich in Zivil- und Arbeitsrechtsstreitigkeiten: Anwältinnen und Anwälte müssen zwar den Ablauf von Rechtsmittelbegründungsfristen immer dann eigenverantwortlich prüfen, wenn ihnen die Akten im Zusammenhang mit einer fristgebundenen Verfahrenshandlung, insbesondere zu deren Bearbeitung, vorgelegt werden. In diesem Fall müssen sie auch alle weiteren unerledigten Fristen einschließlich ihrer Notierung in den Handakten prüfen. Allerdings dürften sie sich hierbei grundsätzlich auf die Prüfung der Vermerke in der Handakte beschränken, sofern sich keine Zweifel an deren Richtigkeit aufdrängen. In diesem Fall müssen sie nicht noch zusätzlich überprüfen, ob das Fristende auch tatsächlich korrekt im Fristenkalender eingetragen ist.

Hintergrund war der Antrag auf Wiedereinsetzung eines Anwalts in die versäumte Revisionsbegründungsfrist – dieser hatte nun Erfolg, weil der Sechste Senat kein Verschulden des Anwalts sah. Dieser hatte auf der Grundlage der ihm vorgelegten Handakten jeweils die Fristwahrung kontrolliert, nicht aber den von der Rechtsanwaltsfachangestellten geführten Fristenkalender. Ansonsten hatte er sich darauf berufen, dass die Fristenkontrolle in seiner Kanzlei ordnungsgemäß organisiert gewesen sei.

Das Urteil des LAG München wurden dementsprechend aufgehoben, das Urteil der Vorinstanz teilweise abgeändert. Soweit der Rechtsstreit noch offen war, wird die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung – auch über die Kosten der Revision – an das LAG zurückverwiesen.

Quelle: Bundesrechtsanwaltskammer