BRAK, Mitteilung vom 15.05.2025 zum Beschluss 4 LA 12/23 des OVG Lüneburg vom 28.04.2025
Versendet ein Anwalt ein eEB ans Gericht, muss er sehr gut begründen, warum das Datum darauf falsch sein soll, so das OVG Lüneburg.
Das OVG Lüneburg hat entschieden, dass ein von einem Rechtsanwalt elektronisch abgegebenes Empfangsbekenntnis (eEB) gegenüber dem Gericht den vollen Beweis für die Zustellung des Dokuments sowie für den Zeitpunkt der Entgegennahme erbringt. Ein Gegenbeweis sei nur unter sehr strengen Voraussetzungen zulässig: die Richtigkeit der Angaben müssten nicht nur erschüttert, sondern vollständig entkräftet werden und jede Möglichkeit ausgeschlossen sein, dass die Angaben richtig sein können (Beschluss vom 28.04.2025, Az. 4 LA 12/23).
Ein sudanesischer Asylbewerber wollte gegen ein Urteil des VG Hannover Berufung einlegen. Der Antrag auf Zulassung der Berufung ging jedoch vier Tage nach Ablauf der Monatsfrist ein, die mit dem Tag der Zustellung des eEB beginnt. Der Anwalt des Klägers begründete die Verspätung folgendermaßen: Das eEB sei zwar auf den 23. Dezember datiert gewesen – dabei habe es sich aber um einen Bedienungsfehler im beA-System gehandelt. Tatsächlich habe er erst am 27. Dezember, dem Tag der Zustellung des eEB ans Gericht, Kenntnis vom Inhalt des Urteils erhalten. Alle empfangenen Dokumente würden vor dem Ausdruck im System mit dem Datum des Empfangs als „Wasserzeichen“ markiert. Zum Beleg legte er Ausdrucke der „Wasserzeichen“ vor, die den 27. Dezember 2022 als Empfangsdatum auswiesen.
OVG Lüneburg: eEB eines Rechtsanwalts hat volle Beweiskraft
Das OVG Lüneburg wies den Antrag wegen Verfristung als unzulässig ab. Maßgeblich für den Beginn der Berufungsfrist sei das in der Gerichtsakte enthaltene eEB (§ 57 VwGO i. V. m. § 222 ZPO i. V. m. §§ 187 ff. BGB), welches die Zustellung für den 23. Dezember 2022 belege. Das Gericht stellte klar, dass das eEB denselben Beweiswert für die Richtigkeit des dort angegebenen Datums besitze wie das klassische Empfangsbekenntnis: nämlich den vollen Beweis der Zustellung, ähnlich einer Zustellungsurkunde (siehe §§ 175 Abs. 3, 56 Abs. 2 VwGO). Diese gesetzliche Beweisregel sei Ausdruck des besonderen Vertrauens des Gesetzgebers in Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte als Organe der Rechtspflege.
Ein Gegenbeweis sei möglich, jedoch nur unter der Bedingung, dass die Richtigkeit der im eEB enthaltenen Angaben vollständig entkräftet werde und jede Möglichkeit der Richtigkeit ausgeschlossen sei. Zwar sei hier die Möglichkeit eines Fehlers nicht ausgeschlossen, doch einen ausreichenden Gegenbeweis habe der anwaltliche Vertreter nicht erbracht. Allein das Vorlegen von Ausdruck-Dokumenten mit einem späteren Datum reiche nicht aus – sonst würde dem Ausdruck eines Wasserzeichens ein höherer Beweiswert zukommen als dem im eEB angegebenen Datum. Eine eidesstattliche Versicherung habe der Anwalt auch nicht vorgelegt. Schließlich sei die Behauptung eines Bedienungsfehlers im beA-System unsubstanziiert geblieben. Er hätte nichts über interne Kanzleiabläufe vorgetragen und auch keinen Ausdruck des das eEB betreffende sog. beA-Nachrichtenjournals beigebracht, welches das erstmalige Öffnen der Nachricht hätte ausweisen können.
Letztlich stellte der Senat jedoch klar: Auch in der Sache hätte der Berufungsantrag keine Aussicht auf Erfolg gehabt.
Quelle: Bundesrechtsanwaltskammer