BRAK, Mitteilung vom 05.05.2025
Ein Fachanwalt für Kapital- und Anlagerecht prüfte das Geschäftsmodell eines Unternehmers – darauf durfte dieser vertrauen, so der BGH.
Ein Anlagevermittler darf auf die Rechtsauskunft eines Fachanwalts für Bank- und Kapitalmarktrecht vertrauen – auch wenn sich das zugrunde liegende Modell später als erlaubnispflichtig und damit rechtswidrig erweist. Der BGH nahm in diesem Zusammenhang einen unvermeidbaren Verbotsirrtum an und wies die Klage eines geprellten Anlegers auf Schadensersatz ab (Urteil vom 20.03.2025, Az. III ZR 261/23).
Fachanwalt soll Anlagemodell legalisieren
Ein Anleger hatte seinen Anlagevermittler auf Schadensersatz nach § 823 Abs. 2 BGB i. V. m. § 54 Kreditwesengesetz (KWG) verklagt. Der Geldgeber hatte dem Unternehmer mehrfach Darlehen in Höhe von insgesamt knapp 50.000 Euro gewährt. Die Gelder sollten in Immobilieninvestitionen fließen, mit denen Gewinne erzielt und die Darlehen samt Zinsen zurückgezahlt werden sollten. Wegen einer Insolvenz des Vermittlers sowie einer „Nachrangklausel“ in den späteren Verträgen kam es jedoch nicht mehr nicht zur Auszahlung des eingezahlten Darlehens. Eine solche Klausel besagt, dass Kapitalgeber erst nach allen anderen Insolvenzgläubigerinnen und -gläubigern befriedigt werden dürfen.
Der Insolvenz vorangegangen war folgender Sachverhalt: Die Staatsanwaltschaft hatte das Geschäftsmodell in seiner ursprünglichen Variante für rechtswidrig gehalten, da keine Erlaubnis nach KWG vorgelegen hatte. Der Anlagevermittler beauftragte daraufhin seinen Strafverteidiger, einen Fachanwalt für Bank- und Kapitalmarktrecht, das Geschäftsmodell so zu ändern, dass die KWG-Erlaubnispflicht entfallen sollte. Der Anwalt rechnete 22 Stunden allein für die Vorrecherche zu dem neuen Modell ab. Zudem erarbeitete er eine neue Vertragsstruktur mit besagter Nachrangklausel, bereitete Vertragsformulare vor und formulierte ein ausführliches Exposé für Anleger; außerdem wurde das Unternehmen in eine GmbH umgewandelt. Der Staatsanwaltschaft wurde die neue Gestaltung vorgelegt und sie beanstandete diese nicht. Ein Strafbefehl erging nur wegen des ursprünglichen Modells.
Der Anleger kündigte die Darlehen infolge der Insolvenz außerordentlich und verlangte deren Rückzahlung im Rahmen einer Schadensersatzklage. Er ist der Ansicht, die neue Nachrangklausel sei unwirksam, außerdem seien die zugrunde liegenden Darlehensverträge weiterhin erlaubnispflichtig und daher rechtswidrig. Sein Vermittler hätte sich bei der neuen Erstellung der Verträge besser erkundigen müssen, ob diese auch wirklich legal seien. Die Vorinstanzen gaben dem Kläger noch Recht.
BGH: Anlagevermittler durfte sich auf Recherche des Fachanwalts verlassen
Der BGH stellte nun klar, dass – selbst bei einer möglichen zivilrechtlichen Unwirksamkeit der verwendeten Nachrangabrede – kein schuldhaftes Verhalten des Anlagevermittlers vorliege. Dieses sei aber nach der einzig in Betracht kommenden Anspruchsgrundlage § 823 Abs. 2 BGB i. V. m. § 54 Abs. 1, 2 KWG Voraussetzung. Die Voraussetzungen für einen unvermeidbaren Verbotsirrtum gemäß § 17 Satz 1 StGB seien erfüllt, der Vermittler habe im konkreten Fall auf die Legalität der neuen Verträge vertrauen dürfen.
Der Unternehmer habe im Rahmen des laufenden strafrechtlichen Ermittlungsverfahrens bewusst eine umfassende rechtliche Neubewertung seiner Tätigkeit veranlasst. Er habe dafür immerhin einen auf das Kapitalmarktrecht spezialisierten Fachanwalt – zugleich sein Strafverteidiger – mit der Neugestaltung des Modells beauftragt. Zwar könnten auch Anwältinnen und Anwälte Gefälligkeitsleistungen erbringen, weswegen ein Mandant nicht vorschnell auf die Richtigkeit einer anwaltlichen Prüfung vertrauen dürften, schränkte der BGH ein. Insbesondere bei komplexen Sachverhalten und erkennbar schwierigen Rechtsfragen sei regelmäßig ein detailliertes schriftliches Gutachten erforderlich, um einen unvermeidbaren Verbotsirrtum zu begründen. Im konkreten Fall sie dies aber nicht erforderlich gewesen. Vielmehr habe der Anlagevermittler insbesondere auf die intensive, 22-stündige Vorrecherche des Anwalts vertrauen dürfen. Auch sonst hätten keine erkennbaren Zweifel an der Auskunft oder der Motivation des Anwalts vorgelegen.
Auch die Einbeziehung der neuen Unterlagen in die staatsanwaltschaftliche Prüfung sowie die Tatsache, dass die Staatsanwaltschaft nach Prüfung der neuen Vertragsstruktur kein weiteres Verfahren für das neue Modell einleitete, entlasteten den Anlagevermittler. Gerade in einer solchen Situation sei ein zusätzliches Anwaltsgutachten nicht nötig gewesen.
Schließlich hätte der Unternehmer auch nicht noch einmal Rücksprache mit der BaFin halten müssen. Zwar könne dies zur weiteren Absicherung beitragen. Dies sei aber nicht zwingend erforderlich, wenn – wie hier – bereits eine strafprozessuale Prüfung durch eine objektive Behörde erfolgte und keine neuen Warnhinweise vorlagen.
Quelle: Bundesrechtsanwaltskammer