Die Unterschiede bei der Digitalisierung sind sowohl im Vergleich mit dem Ausland als auch innerhalb der einzelnen Bundesländer groß. Entscheidend ist eine Bündelung der digitalpolitischen Kompetenzen – und die Selbstverständlichkeit des digitalen Alltags.
Der digitale Staat. Von solchen Bezeichnungen ist Deutschland noch weit entfernt. Gott sei Dank, sagen die einen, weil sie befürchten, dass Digitalisierung zugleich Automation, weniger Datenschutz und mangelnde Kontrollmöglichkeiten zur Folge hat. Sehr ärgerlich, sagen die anderen, weil sie glauben, dass Länder, Städte und Gemeinden den Anschluss an das digitale Zeitalter verpassen und damit einen entscheidenden Schritt in die Zukunft nicht mitgehen können.
Deutschland – digitales Mittelmaß
Aber lassen Sie uns die Fakten betrachten. Wenn wir über die europäischen Grenzen schauen, liegt Deutschland mit Blick auf die digitale Transformation im Mittelfeld. Gerade erst hat die Europäische Kommission ihre jährliche Studie Digital Economy and Society Index (DESI) veröffentlicht. Diese fokussiert auf Konnektivität, digitale Kompetenzen, Internetnutzung der Bürgerinnen und Bürger, Einsatz digitaler Technologien in den Unternehmen und digitale öffentliche Dienste.
Der DESI-Studie zufolge ist Deutschland in vielen Dimensionen leistungsstark, liegt bei den digitalen Kompetenzen über dem Durchschnitt und konnte bei der Integration der Digitaltechnik durch Unternehmen aufholen. Der Anteil der IKT-Fachkräfte hat sich in den vergangenen zwei Jahren erhöht. Bei der Nutzung von Online-Diensten liegt Deutschland ebenfalls weit vorn, da die Deutschen im Internet sehr aktiv und nur fünf Prozent noch nie im Internet gesurft sind. Allerdings liegt die Nutzung ultraschneller Breitbandverbindungen immer noch unter dem EU-Durchschnitt.
Digitale öffentliche Dienste mit Luft nach oben
Die größte digitale Herausforderung stellt sich Deutschland jedoch bei der digitalen Verwaltung. Laut der DESI-Studie stecken E-Government-Dienste hierzulande noch in den Kinderschuhen, die bestehenden Angebote werden nur in geringem Umfang von den Bürgern angenommen. Online-Interaktion zwischen Behörden und Bürgern: Fehlanzeige.
Da wundert es nicht, dass der Digitale Länderkompass, den der Verband der Internetwirtschaft vor Kurzem veröffentlicht hat, den Finger in die gleiche Wunde legt. Immerhin: In einigen Bundesländern gibt es Fortschritte, was die digitalpolitischen Kompetenzen angeht. Der Königsweg ist offenbar, diese Kompetenzen zu bündeln und ein Digitalministerium zu etablieren. So wie es die Bundesländer Bayern und Hessen getan haben. Hessen hat beispielsweise seit Anfang des Jahrs ein spezielles Ressort für Digitale Strategie und Entwicklung, das sich unter anderem mit den Fragen rund um künstliche Intelligenz, den Bedürfnissen der Unternehmen und der gesellschaftlichen Akzeptanz auseinandersetzt. Eine umfassende Digitalisierungsstrategie sorgt auch in Baden-Württemberg dafür, dass diese Themen die nötige politische Aufmerksamkeit erhalten, zum Beispiel um eine IT-Sicherheitsagentur für den Mittelstand auszubauen und für ein gesundes Gleichgewicht zwischen Innovationsförderung und Datenschutz einzutreten.
Digitalpolitische Strategie ein Muss
Länder wie Berlin, Bremen, Sachsen-Anhalt oder Thüringen verortet der Digitale Länderkompass nur im hinteren Mittelfeld. Die Gründe: keine klaren Zuständigkeiten oder fehlende digitalpolitische Strategien. Diese Kritikpunkte gelten auch für die Schlusslichter Mecklenburg-Vorpommern und Hamburg. Baustellen gibt es jedoch insgesamt genug weitere, etwa die übergreifende Koordination zwischen den einzelnen Ländern und dem Bund.
Bei alldem darf aber eines nicht vergessen werden: Ein Kompass ist nur dann zu gebrauchen, wenn man weiß, wie man ihn benutzen muss. Und diese Kompetenz lässt sich nur in der Bildung vermitteln. Aus diesem Grund braucht es nicht nur den digitalen Staat, sondern den digitalen Alltag – auch in der Schule.
Foto: DATEV eG / Illustrationen: Hannah Brandt