Führungskräfte müssen loslassen und Aufgaben abgeben können. Doch hier beginnt das wahre Problem erst. Denn die Arbeit nur auf einen anderen Schreibtisch zu schaufeln, ist zu wenig.
Wie oft werden Aufgaben einfach weitergereicht, ohne klarzumachen, worum es wirklich geht? „Mach das mal eben“ – und dann wird erwartet, dass alles läuft. Manchmal funktioniert das. Aber nur, wenn der Empfänger die Aufgabe kennt und sofort weiß, was zu tun ist. Doch was, wenn das nicht der Fall ist?
Wenn das Ziel nicht klar ist, ist jeder Schuss ein Treffer. Mein erster Chef brachte es auf den Punkt: Führung bedeutet nicht, Aufgaben abzugeben und auf ein gutes Ergebnis zu hoffen. Genau hier setzt das situative Führen an.
Jede Aufgabe hat eine Lernkurve. Stellen Sie sich einen Fahranfänger vor, der das erste Mal am Steuer sitzt. In dieser Phase (S1, Anweisen) braucht er klare Anleitungen, Kontrolle und Sicherheit. Genauso ist es mit einem Mitarbeiter, der eine völlig neue Aufgabe übernimmt. Doch viele Chefs machen damit schon den ersten Fehler: Sie erwarten Eigenständigkeit, wo noch keine da ist.
Mit mehr Übung wächst die Sicherheit. Doch wer glaubt, dass Motivation allein reicht, liegt falsch. In S2 (Trainieren) hat der Fahranfänger zwar erste Erfahrungen, aber noch nicht genug Können. An dieser Stelle ist intensive Unterstützung gefragt: erklären, wiederholen, korrigieren. Auch im Job braucht es jetzt Training – klare Erwartungen, direkte Rückmeldungen und gezieltes Fördern.
Der spannendste Moment kommt in S3 (Unterstützen): Der Prüfling kann fahren, ist aber unsicher. Er hätte den Fahrlehrer am liebsten noch neben sich. Genau das passiert im Arbeitsalltag: Ein Mitarbeiter ist fähig, aber nicht sicher genug. Nun geht es darum, nicht mehr alles vorzugeben, sondern klug zu coachen. Fragen zu stellen, statt Lösungen zu liefern. Wer jetzt zu sehr kontrolliert, bremst Eigenverantwortung.
Und dann? Irgendwann fährt man allein. In S4 (Delegieren) ist der Mitarbeiter willig und fähig. Jetzt braucht er keine Anweisungen mehr, sondern Vertrauen. Doch genau hier machen viele den größten Führungsfehler: Sie delegieren zu früh. Sie erwarten selbstständige Ergebnisse, obwohl der Mitarbeiter sich eigentlich noch in S1 bis S3 befindet. Und dann wundern sie sich, dass es nicht läuft.
Jede neue Aufgabe beginnt bei S1 – egal, wie erfahren jemand ist. Delegation ist keine Abkürzung, sondern das Ergebnis guter Führung.
Also, wissen Sie eigentlich, wann Sie wirklich delegieren können? Treffen Sie ins Schwarze – oder führen Sie ins Leere?