Unternehmertum - 23. September 2021

Mut zum Scheitern

Die Zahl der Gründungen sinkt. Das ist nicht nur auf die Corona-Krise zurückzuführen. Steuerliche und regulatorische Vorgaben machen es den Unternehmern schwer – und häufig fehlt auch der Mut zum Risiko.

Der Unternehmer beziehungsweise die Unternehmerin: eine Person, die eine Unternehmung plant, mit Erfolg gründet, verantwortlich leitet, dabei Initiative ergreift und immer auch ins persönliche Risiko geht. Diese Definition findet sich in den Standardwirtschaftslexika und fängt die Unternehmerpersönlichkeit recht gut ein. Sie ist zugleich möglicherweise aber auch ein Ansatzpunkt, um die gegen­wärtige Debatte um zurückgehendes Unternehmertum zu­sammenzufassen.

Gründungsbereitschaft sinkt

Denn es braucht nicht nur Energie, den Mut, Gelegenhei­ten zu ergreifen, und Kreativität. Als unternehmerisches Element ist auch Risikobereitschaft notwendig. Dass es hieran zurzeit mangelt, zeigt unter anderem der aktuelle KfW-Gründungsmonitor, der jedes Jahr das Gründungsge­schehen in Deutschland abbildet. Demnach ist die Zahl der Existenzgründungen im Vergleich zum Vorjahr um elf Pro­zent zurückgegangen. Die Zahl der Gründungen im Voller­werb erreichte mit einem Minus von zwölf Prozent sogar einen neuen Tiefpunkt seit Beginn der Zeitreihe.

Sicher ist das Nachlassen der Gründungstätigkeit zum Teil der Corona-Pandemie geschuldet. Wer will schon in eine unsichere Zukunft hinein ein Geschäft eröffnen oder sich als Dienstleister selbstständig machen – ohne zu wissen, ob und wann sich überhaupt die Möglichkeit ergibt, das ei­gene Angebot an den Markt und die Kunden zu bringen? Besonders dramatisch wirken hier daher die Abbruchraten im vergangenen Jahr. Demnach hat sich der Anteil derjeni­gen verdoppelt, die nach kurzer Zeit wegen Unwirtschaft­lichkeit ihren Betrieb bereits wieder aufgegeben haben.

Schlechte Noten für Rahmenbedingungen

Aber es ist nicht nur die Krise, die in all ihren unwägbaren Facetten potenzielle Unternehmer von der Selbstständig­keit abhält. Gründer verteilen auch selbst schlechte Noten, was die Rahmenbedingungen angeht – insbesondere die gesetzlichen Vorgaben, die bürokratischen Informations- und Berichtspflichten sowie die steuerliche Belastung be­treffend.

Deutschland ist in vielen transformatorischen Belangen langsam. Dieses Narrativ wird häufig mit den üblichen Ver­dächtigen ausgestattet: langsamer Netzausbau, schlechte steuerliche Rahmenbedingungen, Mangel an Wagniskapi­tal und an Fachkräften. Richtig ist: Ohne schnelle Netze kann die Digitalisierung, welche die Unternehmer auf den Weg in die Zukunft führt, nun einmal nicht gut funktionie­ren. Und wenn die Rahmenbedingungen in puncto Steuern oder auch Verwaltungsaufwand ganz allgemein potenzielle Existenzgründer eher abschrecken als ermutigen, verfehlt das seine Wirkung auf das Unternehmertum in Deutsch­land nicht. Wir brauchen ordnungspolitische Ansätze, die dafür sorgen und darauf abgestimmt sind, dass es Anreize für das freie Unternehmertum gibt. Dazu gehört auch, ein erheblich innovationsfreudigeres Klima zu schaffen. Eine Regulierung sollte stets zielgerichtet, risikobasiert und maßvoll sein.

Scheitern ist erlaubt

Unternehmergeist ist aber auch eine Frage des Mindsets. Scheitern ist hier oft nicht vorgesehen – und lieber testen wir eine Erfindung noch einmal mehr, als die Gefahr einzu­gehen, mit der Idee zu scheitern. Scheitern ist in unserer Sozialisierung häufig mit dem Makel des Verlierers behaf­tet. Davon müssen wir wegkommen. Wir müssen vielmehr Menschen mit Ideen fördern. Wir müssen Strukturen schaf­fen, in denen es einfach wird, die bürokratischen Unab­dingbarkeiten zu erledigen, sie nebenbei oder sogar auto­matisiert abzuwickeln.

Wir müssen unseren Blickwinkel verändern und schon bei der jungen Generation ansetzen. Wenn wir Kreativität för­dern und Scheitern tolerieren, anstatt jeden Fehler zu bestrafen, wird das viel bewirken. Unternehmertum muss sich lohnen, Risiko und Fehler akzeptiert werden.

Eines sollten wir ebenfalls nicht vergessen: Die Jobs schaffen die Unterneh­mer. Hier müssen wir ansetzen. Wer persönlich ein Risiko eingeht, muss auch belohnt werden. Unternehmertum bedeutet eben nicht nur Mut zum Risiko, sondern auch Entscheidung für Freiheit – unternehmerischer wie persönlicher Natur. Und genau dafür müssen wir Räume schaffen.

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Zum Autor

Prof. Dr. Robert Mayr

Diplom-Kaufmann, Wirtschaftsprüfer, Steuerberater
CEO der DATEV eG; Die Genossenschaft gehört zu den größten Softwarehäusern und IT-Dienstleistern in Deutschland.
Seine Themen: #DigitaleTransformation, #DigitalLeadership, #Plattformökonomie und #BusinessDevelopment.
Seine These: „Die digitale Transformation ist keine Frage des Könnens, sondern des Wollens“

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