Kundenkommunikation - 15. Dezember 2017

Kuck mal, wer da spricht

Chatbots sind hip und angesagt: Je intelligenter die Software-Roboter werden, umso mehr können sie uns abnehmen. Sind sie die Zukunft im Customer Service?

Sie haben Namen wie aus einem Science-Fiction-Roman: Poncho, BuzzBot oder Brain. Seit ihre Urahnin Eliza 1964 das Licht der Welt erblickte, sind sie aber längst keine unbekannten Phänomene mehr. In Zukunft könnten wir sogar ständig mit ihnen kommunizieren: den Chatbots – textbasierte Computerprogramme, die mit uns Menschen Dialoge führen können, ob schriftlich oder per Spracherkennung. Sie werden uns im Alltag oder im Beruf assistieren und eigenständige Aufgaben erledigen, für die wir bislang telefonieren oder durch Websites oder Apps navigieren mussten. Sie ermöglichen personalisierte Lösungen und helfen uns dabei, Zeit zu sparen, weil sie für uns in Echtzeit auf jede alltägliche Herausforderung eine Lösung finden.

Davon ist beispielsweise Fabian Westerheide überzeugt. Der Berliner Investor hat sich auf Unternehmen spezialisiert, die sich mit künstlicher Intelligenz (KI) beschäftigen: „Der Chatbot wird unser Agent im Alltag sein, welcher mit anderen Maschinen wie etwa Datenbanken von Fluggesellschaften oder Hotels kommuniziert. Er wird für uns Aufträge erledigen wie: Bitte suche mir ein Hotel in Hamburg für unter 90 Euro.“ Der Chatbot der Zukunft werde, so Westerheide, vieles für den Menschen sein: Anwalt, Sekretär, Anlageberater oder Reisebüro. Er wird am Muttertag für uns Blumen bestellen, Pizza einkaufen, ein Bankkonto einrichten, einen Arzttermin organisieren oder das Auto zum Flughafen vorfahren lassen.

Doch woher rührt die aktuelle Begeisterung für diese Software-Agenten? Warum sind sie womöglich die Kommunikationsform der Zukunft? Dafür gibt es einen Grund: Messengerdienste wie WhatsApp, Facebook Messenger oder WeChat sind zu zentralen Plattformen in unserem digitalen Kommunikationsalltag geworden. Telefonate wirken zunehmend aufdringlich, während Konversationen per Text, Bildern und GIFs die Norm sind. Nutzer finden es mittlerweile lästig und ermüdend, Apps für einmalige Nutzungskontexte herunterzuladen und sich immer wieder neu zu registrieren. Daher werden Chatbots in die Messenger-Dienste eingebaut. Sie schicken dem Nutzer personalisierte Nachrichten. Der kann sie lesen, Informationen anfordern oder den Bot etwas fragen. Das Einzige, was er dafür tun muss, ist eine Nachricht senden. Je mehr der Nutzer schreibt, desto mehr lernt der Bot dazu und desto passgenauer werden die Nachrichten oder Produktinformationen auf den Nutzer zugeschnitten. Denn zu ihren Stärken gehört, dass sie unermüdlich Datenströme filtern, um News Alerts zu generieren. So funktionierten beispielsweise die Chatbots von CNN, Wall Street Journal oder Washington Post, aber auch die der US-amerikanischen Handelskette Nordstrom. Derzeit laufen allein auf Facebook 11.000 Chatbot-Anwendungen. Für Marken, Content-Anbieter und Werbetreibende sind Chatbots die Chance, direkt mit Nutzern und Kunden zu kommunizieren. Für Messenger-Anbieter bedeutet die kommerzielle Nutzung ihrer Plattformen natürlich auch die Monetarisierung der Services, wenn sie etwa bei jeder erfolgreich durchgeführten Transaktion finanziell beteiligt werden.

Chatbot – der Agent im Alltag

Allerdings arbeiten die meisten Chatbots heute noch ohne KI. Sie ist für Chatbots aber enorm wichtig. Denn erst durch die KI lernt der Software-Roboter. Erst dann kann er Texte besser verstehen und so auf komplexe Anforderungen seiner Nutzer reagieren. Durch dieses Machine Learning ist er erst in der Lage, detaillierte Gespräche zu führen und die Intentionen seiner Nutzer zu erkennen. Diese intelligenten und kognitiven Techniken werden zukünftig auch systematisch für den Kundendialog eingesetzt. Denn Sprachverständnis und selbstständiges Lernen sind der Schlüssel für die nächste Generation von Customer-Relationship-Management (CRM)-Lösungen, weil sie eine völlig neue Qualität und Effizienz im Dialog mit den Kunden ermöglichen. So können beispielsweise mit der Integration der IBM-Watson-Technologie in heutige CRM-Lösungen eine Vielzahl an Kundendaten aus den verschiedenen Kontaktkanälen in Echtzeit zusammengeführt, ausgewertet und daraus Handlungsempfehlungen abgeleitet werden (Deep Learning). Damit wird es künftig viel einfacher, die Bedürfnisse und Kaufabsichten eines Nutzers auf Basis seiner bisherigen Verhaltens-, Kaufund Kommunikationsmuster in dem Moment zu antizipieren, wenn er sich mit seinem Anliegen an den Chatbot oder das Servicecenter wendet.

Die Vorteile dieses Kundendialogs liegen auf der Hand: Einerseits greifen Chatbots auf eine natürliche Art Daten auf und senden diese in Echtzeit von Maschine zu Maschine. Dadurch entstehen Produkt- und Informationsangebote, die bedarfsgerecht und individuell auf den Nutzer zugeschnitten sind. Andererseits könnte alles, was heute als App auf dem Smartphone installiert ist, spätestens in drei bis vier Jahren durch Chatbots ersetzt werden. Viele Webseiten würden wegfallen, das Googeln wäre überflüssig. Denn ein persönlicher Chatbot sucht direkt die Lösungen und lernt dabei jedes Mal ein bisschen mit. Spätestens in zehn Jahren werden wir mit unserem Chatbot reden wie mit einem guten Freund, mit dem wir viel Zeit einsparen, weil er für jede Frage eine gute Antwort parat hat. Nur eine kann er vielleicht nicht beantworten: Welche Namen soll er denn haben?

Zum Autor

DW
Daniel Welzer

Geschäftsführer Arvato CRM Solutions Deutschland

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