Über die Zukunft der Steuer­be­ratung - 20. Mai 2019

(Keine) Angst vor der Digitalisierung

Steuerberater und Steuer­fach­an­ge­stellte können viel mehr für die Man­dan­ten tun, als es eine Maschine kann.

Können Sie das Wort Digitalisierung noch hören? Gleich, welches Medium man betrachtet oder mit wem man spricht: Die Schlagzeilen sind geprägt vom digitalen Wandel. Und wie immer, wenn sich Zeiten und Technologien radikal verändern, begleiten Ängste und Sorgen den Blick in die Zukunft. Das gilt besonders für uns Steuerberater und die Angestellten in den Kanzleien: Werden uns FIBU-Automaten künftig die Arbeit wegnehmen? Verlieren wir die Kontrolle über wichtige Entscheidungen? Sind Daten noch wirklich sicher? Es ist wichtig, diese Ängste anzusprechen und sich damit auseinanderzusetzen. Aber mindestens genauso wichtig ist es, die Ver­än­de­run­gen nicht nur skeptisch zu betrachten, sondern als Chance zu begreifen. Als Di­gi­ta­li­sie­rungs­opti­mist mache ich genau dies immer wieder. Denn aus meinen zahlreichen Gesprächen mit dem Berufsstand weiß ich, dass zurzeit viele verunsichert sind, möglicherweise sogar Zukunftsängste haben. Aber wir haben derartige Sorgen und Ängste schon einmal erfolgreich gemeinsam bewältigt: Wenn wir an die Anfänge unserer Genossenschaft zurückdenken, war genau dies der Grund, warum die DATEV Ende der 1960er-Jahre entstanden ist. Vertreter des Berufs­stands hatten damals den Mut, das Unwägbare anzugehen und zu überwinden. Sie waren offen gegenüber neuen technologischen Entwicklungen und gründeten die DATEV als Genossenschaft der Steuer­berater. Auch wenn es den Begriff Outsourcing so noch gar nicht gab, haben wir gemeinsam bereits damals mit der Übernahme der Auftragsbuchführung und der betriebswirtschaftlichen Beratung genau dies vorgelebt und damit den Mittelstand in Deutschland erfolgreich gemacht. Und der Berufsstand hat die Chance kontinuierlich genutzt, sich mit der IT weiter­zu­ent­wickeln.

Steuerberater und Steuer­fach­an­gestellte gefragter denn je

Nun stehen wir an der nächsten technologischen Schwelle. Wahrscheinlich ist, dass mittelfristig in vielen Bereichen immer mehr Arbeitsabläufe technologisiert werden. Künstliche Intelligenz übernimmt Routineaufgaben, wahrscheinlich auch bald schon in Kanzleien. Aber werden Steuerberater oder Steuerfachangestellte dadurch überflüssig? Im Gegenteil: Sie können viel mehr für die Mandanten tun, als es eine Maschine kann. Denn nicht der FIBU-Roboter ist der Spezialist, sondern der Steuerberater, der sein umfangreiches Fachwissen für die Man­dan­ten einsetzt, sie in allen unternehmerischen Phasen unterstützt und zugleich die Mitarbeiter in der Kanzlei gleichermaßen zu Fachleuten fortbildet, wie es die Bundessteuerberaterkammer mit den Fach­as­sis­ten­ten für Lohn oder Rechnungswesen und Controlling vorgemacht hat.

Außerdem können Steuerberater und deren Mit­ar­bei­ter diese Expertise und Fähigkeiten nutzen, um auf der Grundlage neu gewonnener Daten und Informationen ihren Mandanten neue werthaltige Beratung zu bieten. Darüber hinaus braucht es natürlich klare Regeln für künstliche Intelligenz – nicht alles, was machbar ist, kann bedenkenlos umgesetzt werden. Diese Position vertreten auch die Datenschutzbehörden des Bunds und der Länder und fordern in einem aktuellen Grundsatzpapier, dass vor allem selbstlernende Systeme, welche automatisierte Entscheidungen treffen können, im Sinne des Daten­schutzes gesteuert werden. Das gewährleistet, dass der Mensch – und damit auch der Steuerberater – in jeder Entscheidungsphase eingreifen kann.

Mit Spezialisierung immer gut beraten

Dass der steuerberatende Beruf nicht einfach wegdigitalisiert werden kann, zeigt der aktuelle Aufwärtstrend bei den Berufsträgern. Vor allem die Tatsache, dass Fortbildungen zum Fachberater – beispielsweise für internationales Steuerrecht oder für Zölle und Verbrauchersteuern – hoch im Kurs stehen, demonstriert, dass der digitale Wandel den Berufs­stand nicht wegrationalisiert. Im Gegenteil: Zunehmend komplexere rechtliche und unter­neh­me­rische Fragestellungen verbunden mit der Tatsache, dass auch der Mittelstand selbst mit der Di­gi­ta­li­sie­rung konfrontiert ist, machen es nötig, dass wir unsere neue Rolle annehmen. Die DATEV als Genossenschaft der Steuerberater möchte diese Entwicklung – gewissermaßen als digitales Rückgrat – unterstützen und Ver­ant­wor­tung für den Berufs­stand und deren Mandanten im digitalen Wandel über­nehmen. Im Sinne der ge­nos­sen­schaft­lichen Idee also das gemeinsam tun, was einer alleine nicht be­wäl­ti­gen kann.
„Dass die niedrigste aller Tätigkeiten die arith­me­tische ist, wird dadurch belegt, dass sie die einzige ist, die auch durch eine Maschine ausgeführt werden kann.“ Ich glaube, dass Arthur Schopenhauer damit falsch lag, als er in seinen philosophischen Schriften argumentierte, dass der mathematische Tiefsinn im Grunde auf Rechnerei zurückzuführen sei.
Denn Mathematik ist nicht Rechnen, sondern Denken. Und Steuerberatung ist nicht allein Buch­hal­tung, sondern Begleitung auf dem Weg in die unter­neh­me­rische Zukunft – mit Expertise und Sach­ver­stand.

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Fotos: DATEV eG; MicrovOne / Getty Images

Zum Autor

Prof. Dr. Robert Mayr

Diplom-Kaufmann, Wirtschaftsprüfer, Steuerberater
CEO der DATEV eG; Die Genossenschaft gehört zu den größten Softwarehäusern und IT-Dienstleistern in Deutschland.
Seine Themen: #DigitaleTransformation, #DigitalLeadership, #Plattformökonomie und #BusinessDevelopment.
Seine These: „Die digitale Transformation ist keine Frage des Könnens, sondern des Wollens“

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