Zukunftschancen - 25. Februar 2021

Jetzt nicht nachlassen

In diesem Jahr steht nicht nur die Bundestagswahl im September an. Auch in Kommunen und Landtagen wird abgestimmt. Hoffen wir, dass die politisch angekündigten Innovationen nicht versanden, sondern die Basis für digitales und damit wirtschaftliches Wachstum sein können. Die Aufgeschlossenheit und Voraussetzungen für digitale Entwicklungen waren durch die Pandemie bedingt nie besser – und vor allem nie notwendiger.

Wir leben nicht gerade in einem Land, das für digitale Innovationen bekannt ist, und lange verharrten wir in einer Art digitalem Dornröschenschlaf, während andere Länder weltweit die Richtung vorgaben und vorpreschten. Grundsätzlich gilt das auch heute noch, aber: Mit der Corona-Pandemie ist auf einmal die digitale Zusammenarbeit möglich und selbstverständlich. Wenn man dieser belastenden Zeit etwas Gutes abgewinnen will, dann zumindest einen digitalen Boost. Remote-Arbeit ist in vielen Branchen seit einem Jahr eher die Regel. Wie schnell vielen Mitarbeitern praktisch über Nacht eine zum Teil sogar effizientere Arbeitsweise von zu Hause aus möglich war, daran wollte vor dem ersten Lockdown im vergangenen März kaum einer wirklich glauben. Siehe da – es geht. Und man kann mit Fug und Recht behaupten: Corona ist ein Digitalisierungstreiber – und ein Weckruf. Vor allem sieht die Wirtschaft mehr Chancen in der Digitalisierung und investiert zunehmend in entsprechende Geschäftsmodelle. Laut Bitkom- Studie aus dem vergangenen Jahr haben mehr als drei Viertel eine Digitalstrategie entwickelt. Das bestätigen auch aktuelle Zahlen, die die KfW für den deutschen Mittelstand erhoben hat. Demnach haben 27 Prozent der Unternehmen Innovationen Corona-bedingt umgesetzt und ihre Produkte, Prozesse oder Geschäftsmodelle erneuert oder verbessert. Weitere 16 Prozent planen Innovationen aufgrund der Krise. Die Veränderungen durch die monatelange Pandemie haben überall ein Umdenken erzwungen. Eine Riesenchance, jetzt digitale Infrastrukturen aufzubauen, Geschäftsprozesse umfassend zu digitalisieren und neue digitale Geschäftsmodelle zu entwickeln.

Virus macht Politik digital

Das ist auch der Politik bewusst. Nicht nur, dass Politik und Verwaltung sich in der Krise zwangsläufig digitalisieren. Parteiübergreifend wird die Entwicklung digitaler Strategien für die Zukunft verkündet. So lobenswert das ist – es darf nicht bei kurzfristigen Wahlversprechen bleiben. Die Wirtschaft, die Wissenschaft und vor allem auch die Steuerberater und ihre vom Lockdown gebeutelten Mandanten erwarten, dass wir jetzt nicht locker lassen.

Dabei ist die Digitalisierung nur die Basis, die Grundvoraussetzung für die künstliche Intelligenz, die unser Leben zunehmend durchdringen wird und weit über nationale Grenzen hinausgedacht werden muss. Wir brauchen zudem eigene Plattformen für eine europäische Daten- und Cloud-Infrastruktur, wie sie durch die GAIA-X-Initiative der Bundesregierung erreicht werden soll. Denn während überall anders in der Welt um die digitale Vorherrschaft gekämpft wird, ist es in Europa noch beängstigend ruhig. Zukunftsthemen müssen im europäischen Verbund bearbeitet werden. Wir dürfen im digitalen Wettbewerb um entscheidende Zukunftstechnologien nicht weiter zurückfallen.

Dafür muss die Politik die strukturellen Voraussetzungen für Innovationen und wirtschaftliches Wachstum schaffen – und das schnell. In der Medizinforschung spielt Deutschland gerade ganz vorne mit. Biontech aus Mainz hat zusammen mit dem US-Konzern Pfizer weltweit am schnellsten einen vielversprechenden Impfstoff gegen Covid-19 entwickelt, weitere Kandidaten wie das Vakzin von Curevac aus Tübingen werden folgen und zeigen, was technisch möglich ist. Unternehmen aller Branchen stehen unter einem enormen Wettbewerbsdruck. Internet- und IT-Firmen drängen verstärkt mit neuen Produkten und Dienstleistungen in den Markt, der originär nichts mit ihnen zu tun hat. Je länger traditionell arbeitende Mittelständler digitale Prozesse und Infrastrukturen verschleppen, desto schwieriger wird es, den Vorsprung der auf IT setzenden Unternehmen aufzuholen.

Dabei gilt es, große Hürden zu nehmen. Neben einem flächendeckend fehlenden Breitbandausbau sind die Anforderungen an den Datenschutz, an die technische Sicherheit sowie fehlende Fachkräfte weiterhin große Herausforderungen, die ganz oben auf der Agenda der Politik stehen müssen.

Mein dringender Wunsch an die Politik ist es deshalb, jetzt nicht nachzulassen. Wir brauchen den unmittelbaren digitalen Fortschritt, um aus der aktuellen Krise gestärkt hervorzugehen und das Fundament für Innovationen weiter auszubauen und zu festigen. Parteiübergreifend haben sich die großen Fraktionen Investitionen in künstliche Intelligenz und Big Data, den Ausbau des europäischen Mobilfunknetzes auf 5G, einheitliche IT-Datenstandards, eine europaweite digitale Infrastruktur und die Förderung eines europäischen Cloud-Anbieters auf die Fahnen geschrieben. Jetzt müssen den Worten nur noch Taten folgen.

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Zum Autor

Prof. Dr. Robert Mayr

Diplom-Kaufmann, Wirtschaftsprüfer, Steuerberater
CEO der DATEV eG; Die Genossenschaft gehört zu den größten Softwarehäusern und IT-Dienstleistern in Deutschland.
Seine Themen: #DigitaleTransformation, #DigitalLeadership, #Plattformökonomie und #BusinessDevelopment.
Seine These: „Die digitale Transformation ist keine Frage des Könnens, sondern des Wollens“

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