Deutschland ist das Land der Regeln und Normen. Wir jammern alle über Bürokratisierung, und manchmal lohnt trotzdem der Blick aus einer anderen Perspektive.
Die Normung begann mit dem Kugelschreiber (DIN 1: Maße von ungehärteten Kegelstiften), und selbst beim Grillen sorgt die DIN EN 1860-1 dafür, dass wegen der geregelten Abstandsmaße der Stäbe eines Grillrosts die Würstchen nicht in den Grill fallen. Es scheint für jedes Detail eine Norm zu geben – und tatsächlich stimmt das. In Deutschland gibt es über 10.000 Normen und Standards, die unser tägliches Leben in fast allen Bereichen regeln und strukturieren. Sie sorgen dafür, dass Gewinde ineinandergreifen, Kreditkarten in den Schlitz passen und das Papier im Drucker nicht ständig klemmt.
Schon einmal etwas von der Büschelauszugsprüfung für Zahnbürsten, DIN EN ISO 20126, gehört? Diese Norm stellt sicher, dass Ihnen die einzelnen Borstenbüschel einer Zahnbürste nicht im Mund oder zwischen den Zähnen stecken bleiben. Sie müssen laut Norm mindestens einer Kraft von 15 Newton standhalten. Und haben Sie bereits über mögliche Normen für unseren alltäglichen Begleiter Toilettenpapier nachgedacht? Die DIN EN ISO 12625 sorgt dafür, dass das Papier unsere Rohre nicht verstopft, sagt etwas über die Reißfestigkeit und die Feuchtigkeitsresistenz aus. Sogar unsere Pommesgabel am Lieblingsimbiss unterliegt einer DIN-Norm (DIN 8785). Solche Beispiele, die uns jeden Tag über den Weg laufen, sind zahlreich – und sie sind wichtig. Und wieso?
Kurz gesagt: weil Normen Verlässlichkeit schaffen. Sie sorgen dafür, dass Produkte und Prozesse sicher, kompatibel und oft auch international einsetzbar sind.
Die Vereinheitlichung von technischen Schnittstellen zwischen Unternehmen spart nicht nur Zeit und Ressourcen, sondern öffnet auch die Türen für Innovation und Kooperation. So profitieren Unternehmen, aber auch wir als Verbraucherinnen und Verbraucher davon, dass wir weltweit auf kompatible und geprüfte Produkte zurückgreifen können. Normung ist die Basis für Standardisierung. Bereits 1956 hat Malcom McLean Schiffscontainer patentieren lassen und dafür gesorgt, dass Schiffe nicht tagelang, sondern in Stunden mit Kränen ent- und beladen werden können. In der IT-Welt sorgte nach vielen Jahren der USB-C-Standard endlich dafür, dass vom Handy bis zum PC alle Geräte mit denselben Kabeln verbunden und geladen werden können. API gelten als standardisierte Normen in künftigen IT-Ökosystemen und sollen den Datenaustausch zwischen unterschiedlichen Systemen auch unterschiedlicher Anbieter vereinheitlichen.
Die Einhaltung von Normen ermöglicht Unternehmen einen besseren Zugang zu internationalen Märkten und bringt der deutschen Wirtschaft jährlich Einsparungen in Milliardenhöhe – geschätzt rund 17 Milliarden Euro. So macht sich die deutsche bürokratische Kontrolle doch manchmal bezahlt.
Bei Ihrer nächsten Auslandsreise lohnt sich ein Gedanke an die Welt der DIN-EN-Normen. Dann, wenn Sie vorher wieder überlegen, welchen Steckeradapter Sie für das jeweilige Land einpacken oder kaufen müssen, um Ihr Handy oder Ihren Laptop dort laden zu können. Normen sind vielleicht manchmal kurios, aber am Ende doch sehr hilfreich.