Brüttings Blick: E-Scooter in den Startlöchern - 7. Juni 2019

Die Invasion der Roller

Auf Fahrradwegen und Straßen – vor allem in Großstädten – dürfte es bald noch kuscheliger werden. Denn kleine Tretroller mit Elektromotor werden sowohl dem Automobil als auch dem Fahrrad fortan dicht auf die Pelle rücken.

In unserer neuen Kolumne „Brüttings Blick“ widmet sich unser Fachjournalist und Rechtsanwalt Robert Brütting kontroversen Themen aus Gesellschaft, Recht und Politik.

Davon jedenfalls geht Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer (CSU) aus, der als Fan der kleinen Roller bereits – leicht visionär – die Postboten auf solchem Gefährt um die Ecke kommen sieht. Nachdem Elektrofahrräder beziehungsweise E-Autos schon länger legal auf unseren Straßen fahren, hatten die Befürworter der E-Scooter immer wieder deren Zulassung gefordert, nicht zuletzt deshalb, weil die kleinen Fahrzeuge einen wichtigen Teil zur Verkehrswende beitragen würden. So brachte der Verkehrsminister schließlich die „Verordnung über die Teilnahme von Elektro-Kleinstfahrzeugen am Straßenverkehr“ auf den Weg. Danach folgte die Notifizierung auf europäischer Ebene und Anfang April nickte dann das Bundeskabinett die Verordnung ab. Nachdem auch der Bundesrat am 17. Mai zustimmte, ist der Weg nun frei für die E-Scooter, auch hierzulande den Straßenverkehr zu bereichern.  Bis die vom Bundesrat beschlossenen Änderungen umgesetzt sind und die Verordnung im Bundesgesetzblatt verkündet ist, sollte man die Zeit nutzen, sich mit den wichtigsten Regeln vertraut zu machen. Denn vollkommen risikolos ist die Nutzung des kleinen Gefährts jedenfalls nicht. Die nachfolgenden Bedingungen werden für E-Scooter in Deutschland zukünftig bundeseinheitlich gelten.

Wo dürfen die Roller wie schnell fahren?

Die Benutzung von Gehwegen ist untersagt. Auf Fahrradwegen oder der Straße, sofern kein Radweg vorhanden ist, darf man 20 km/h schnell fahren. Man sollte einzeln hintereinanderfahren und schnellere Radfahrer überholen lassen.

Wie muss der Roller ausgestattet sein?

Der E-Scooter muss über eine Lenk- oder Haltestange verfügen, ferner über zwei voneinander unabhängigen Bremsen, eine Glocke und einen Scheinwerfer, eine Schlussleuchte beziehungsweise einen Rückstrahler sowie Seitenreflektoren, vergleichbar einer Fahrradausstattung gemäß § 67 der Straßenverkehrszulassungsordnung (StVZO).

Besteht eine Versicherungspflicht?

E-Scooter benötigen eine Versicherungsplakette für Elektro-Kleinstfahrzeuge, ähnlich wie bei Mofas oder kleinen Motorrollern. Eine private Haftpflichtversicherung reicht definitiv nicht aus.

Ist eine Zulassung erforderlich?

Da der Bundesrat den Weg nicht für alle Modelle freigemacht hat, benötigen die E-Roller für den Straßenverkehr eine allgemeine Betriebserlaubnis (ABE) oder eine Einzelbetriebserlaubnis (EBE). Daher ist absolute Vorsicht geboten beim Kauf eines Tretrollers, denn einige Händler bieten Modelle an, die für deutsche Straßen gar nicht zugelassen sind und künftig auch nicht zugelassen werden. Der ahnungslose Kunde riskiert dabei hohe Bußgelder und haftet womöglich auch bei Unfällen.

Muss beim Fahren ein Helm getragen werden?

Eine Helmpflicht gemäß § 21a Absatz 2 der Straßenverkehrsordnung (StVO) besteht nicht. Gleichwohl sollte jeder, der ein derartiges Gefährt nutzt, darüber nachdenken.  Denn sowohl Ärzte als auch Verkehrsexperten warnen mit Blick auf das hohe Verkehrsaufkommen in den Innenstädten davor, ohne Helm loszurollen.

Ist ein Mindestalter vorausgesetzt und wird ein Führerschein verlangt?

Wer ein Elektro-Kleinstfahrzeug fahren möchte, muss mindestens 14 Jahre alt sein. Eines Führerscheins bedarf es nicht; der Plan wie bei Mofa-Nutzern einen Führerschein zu verlangen, wurde schnell verworfen.

Darf man den E-Scooter in Bus oder Bahn mitnehmen?

Die Mitnahme in Bus und Bahn ist grundsätzlich vorgesehen. So dürfen Fahrgäste der Deutschen Bahn ihre elektrischen Tretroller kostenlos in allen Fernverkehrszügen mitnehmen. Gute Karten hat auch, wer ein leicht und einfach zusammenklappbares Modell verwendet. Um sicher zu gehen, sollte man sich zudem immer beim jeweiligen Verkehrsunternehmen erkundigen.

Risiken

Es wird voller auf Deutschlands Radwegen und Straßen. Das steht fest. Damit ist aber auch die Unfallgefahr erhöht. So warnen Experten bereits vor neuen Risiken, wenn bald schon Fahrer, darunter auch Jugendliche, mit den E-Skootern losrollen. Die Tretroller würden ein deutlich erhöhtes Verletzungsrisiko bergen und im Stadtverkehr hochgefährlich sein – nicht zuletzt deshalb, weil sich andere Verkehrsteilnehmer nur extrem schwer darauf einstellen können. Hinzu kommt ein schlecht ausgebautes Netz an Radwegen im Bundesgebiet, was die kleinen Roller zwangsläufig sehr oft auf die Straße zwingen wird.

Fazit

Mit Blick auf den Umweltschutz ist die Entscheidung pro E-Scooter insgesamt zu begrüßen und vor dem Hintergrund, dass der Trend uns zwingt, mit unseren Nachbarn Schritt zu halten, auch alternativlos. Einen kleinen Seitenhieb muss ich unserem Verkehrsminister abschließend aber doch noch mitgeben: Es beschleicht einen der Eindruck, dass die modernen Fortbewegungsmittel bei ihm deutlich höher im Kurs stehen als die klassischen Verkehrssparten. Vom Berliner Katastrophenflughafen will man gar nicht mehr sprechen, aber auch die Deutsche Bahn, in früheren Jahren für ihre Pünktlichkeit und Zuverlässigkeit bekannt, ist heute nur noch ein Schatten ihrer selbst. Vielleicht aber darf ein Fahrgast der Deutschen Bahn den E-Scooter gerade deshalb mitnehmen, damit er wie beim kürzlichen Ausfall der Lokomotive auf einer Fahrt von Frankfurt nach Nürnberg, ab Würzburg – dort zum Ausstieg aufgefordert – den Rest der Strecke, mit dem Elektroroller zurücklegen kann.

Zum Autor

Robert Brütting

Rechtsanwalt in Nürnberg und Fachjournalist Recht sowie Redakteur beim DATEV magazin

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