Die EU wird gegenwärtig unter deutscher Ratspräsidentschaft durch die Corona-Krise geführt. Allerdings sollte die Gelegenheit genutzt werden, um so wichtige Ziele wie die digitale Souveränität Europas umzusetzen.
Der Schwerpunkt war von Beginn an gesetzt. Die deutsche EU-Ratspräsidentschaft ist gezeichnet von der Corona-Krise, der politische Preis für das milliardenschwere Hilfspaket ist hoch. Schwierige Verhandlungen über das mittelfristige Budget der Union sowie die Tatsache, dass die EU in großem Stil Schulden aufnimmt, bestimmten den Auftakt der Ratspräsidentschaft.
Digitale Souveränität als europäische Alternative
So wichtig das europäische Hilfsprogramm ist und möglicherweise entscheidend, um die Corona-Krise wirtschaftlich zu stemmen, so wenig Raum bleibt somit für die Zukunftsthemen. Dabei gehört die Datenpolitik und damit die digitale Souveränität Europas zu den zentralen Aspekten, um eine nachhaltige europäische Alternative zu bieten.
So hat sich vor kurzem eine Initiative zu einer European Public Sphere aus Wissenschaftlern, IT-Experten und Medienmanagern zusammengetan. Die Arbeitsgruppe fordert die Europäische Union auf, eine eigenständige Digital- Infrastruktur für Europa aufzubauen. Und in der Tat: Nach wie vor dominieren Konzerne wie Facebook, Amazon, Google oder Alibaba das Internet. Zeit also für Europa, die Hoheit über Daten und digitale Infrastrukturen zu erlangen.
Europa bislang digital abhängig
Denn wenn die Corona-Pandemie eines besonders klargemacht hat: Die digitale Transformation betrifft inzwischen alle Alltagsbereiche und in Krisenzeiten macht die Digitalisierung viele Dinge überhaupt erst – wieder – möglich. Allerdings ist die Europäische Union immer noch zu sehr abhängig von Plattformbetreibern außerhalb Europas. Daher muss eine Aufgabe der deutschen EU- Ratspräsidentschaft sein, die digitale Souveränität zu stärken. Damit wird die Möglichkeit geschaffen, unabhängig und selbstbestimmt zu agieren – mit Blick auf die Gestaltung digitaler Systeme, deren Nutzung sowie die dazugehörigen Daten. DATEV versteht sich als europäische IT-Genossenschaft. Daher ist eines unserer Kernziele, ein derartiges digital souveränes Europa zu unterstützen. Dem muss eine differenzierte Analyse vorausgehen, etwa, auf welchen Feldern sich Europa in keinerlei Abhängigkeiten begeben darf. Dazu zählen beispielsweise Schlüsseltechnologien, hochsichere Dienste und systemrelevante Plattformen, zum Beispiel solche für den Datenaustausch zwischen Unternehmen, Intermediären und Verwaltung.
Datenschatz auf europäische Weise heben
Digitale Souveränität darf jedoch nicht mit Abschottung verwechselt werden. In einigen Bereichen ist es durchaus legitim, auch nicht-europäische Lösungen einzusetzen. Denn nicht für alle unternehmerischen Bereiche stehen heute rechtlich zuverlässige und technisch ausreichend skalierbare Cloud-Lösungen zur Verfügung, um den in Europa unzweifelhaft existierenden Datenschatz auch im europäischen Sinn zu heben. Dies kann gegenwärtig in einigen Fällen nur mit nicht-europäischen Anbietern und Lösungen geschehen.
Die Schaffung einer europäischen Daten- und Cloudinfrastruktur, die mit der Gaia-X-Initiative der Bundesregierung erreicht werden soll, ist daher ein wichtiger Schritt zu mehr strategischer und organisationaler Datensouveränität in Europa. Ein positiver Ansatz, der aber nur dann funktionieren kann, wenn er von vorneherein europäisch gedacht wird. Nur so kann sichergestellt werden, dass sich in der Europäischen Union keine Parallelstrukturen bilden und tatsächlich europäische Digitalsouveränität entsteht. Wenn Europa unter der deutschen Ratspräsidentschaft diese Art von Souveränität entwickeln und durchsetzen will, dann gilt es nun zu priorisieren, in welchen Bereichen schnellstmöglich souveräne Lösungen benötigt werden. Denn nur so kann auf Dauer ein verantwortungsvolles innovatives, nachhaltiges und wettbewerbsfähiges europäisches digitales Ökosystem erhalten und gefördert werden. Ein Ziel, das auch und gerade unter den gegebenen Umständen keinesfalls nachrangig sein sollte.