Wie arbeiten wir im neuen Normal? Auf welche Erfahrungen der Corona-Pandemie sollten wir bauen und welche Modelle weiterentwickeln? Neben Büro und Homeoffice werden alternative Arbeitsorte wichtiger.
Ich habe neulich ein neues Wort gelernt, das die revolutionären Entwicklungen der Arbeitswelt für mich auf den Punkt bringt: Workation. Dieses Kofferwort aus den englischen Begriffen Work und Vacation fügt zwei Welten zusammen, die bislang naturgemäß getrennt, oder lediglich in Widersprüchen vereint waren, etwa wenn Angestellte ihr Diensthandy mit in den Urlaub nahmen oder berufliche E-Mails im Hotelzimmer beantworteten. Aber die neuen Konzepte von New Work setzen nicht mehr darauf, dass wir Arbeit und Privates nicht trennen können, sondern darauf, dass wir diese Sphären bewusst kombinieren, wenn wir das wollen. In Absprache, transparent und klar geregelt.
Flexibilität in jeder Lebenslage
Hier rede ich nicht einer Homeoffice-Pflicht das Wort oder empfehle, möglichst viele Bürogebäude zu schließen. Wir brauchen Flexibilität, die allen Lebensmodellen und Lebensphasen gerecht wird. Sicher: Von daheim aus zu arbeiten war – zumindest für einen kleinen Teil der Erwerbstätigen – schon lange eine alltägliche Übung. Laut Statistischem Bundesamt gehörte das Homeoffice im Jahr 2019 für 13 Prozent der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer zur beruflichen Normalität. Selbstständige haben schon zu dieser Zeit wesentlich häufiger von zu Hause gearbeitet: Fast die Hälfte der Soloselbstständigen setzte auf das heimische Büro, Selbstständige mit Beschäftigten arbeiteten mit einem Anteil von gut 37 Prozent immer noch deutlich häufiger im häuslichen Arbeitszimmer als abhängig Beschäftigte. Natürlich spielte auch die jeweilige Branche dabei eine Rolle, ob das Arbeiten im Homeoffice machbar war oder nicht.
Viele Unternehmen – so auch DATEV – haben diese Möglichkeit in der Corona-Pandemie erheblich ausgeweitet, sodass bundesweit gut 40 Prozent aller Beschäftigten von zu Hause arbeiten konnten. Damit liegt Deutschland noch immer hinter Staaten wie den Niederlanden, Belgien oder Finnland. Aber wir sind auf einem guten Weg – dahin, eine optimale Mischung zu finden.
Positive Erfahrungen für das neue Normal
Denn es gibt Gründe, auf das Arbeiten vor Ort nicht ganz zu verzichten: der persönliche Kontakt, die private Wohnsituation oder auch der kreative Austausch. Das orts- und zeitflexible Arbeiten aber wird die Corona-Pandemie überdauern, eine Erkenntnis, die von vielen aktuellen Studien untermauert wird. So fand das Fraunhofer-Institut für Produktionstechnik und Automatisierung heraus, dass entgegen vieler Vorhersagen und Befürchtungen die Arbeits- und Leistungsfähigkeit im Homeoffice kaum gelitten hat. Vieles spricht dafür, die positiven Erfahrungen, die wir während der Krise gemacht haben, in das neue Normal mitzunehmen. Allerdings haben nur wenige Unternehmen bislang eine klare Vision, wie ihr Arbeitsmodell nach der Pandemie aussehen soll. Setzen wir auf hybrides Arbeiten, ein Pendeln zwischen daheim und Büro? Wollen wir möglichst viele Mitarbeiter wieder zurück in die Firma holen? Oder wäre es nicht besser, flexible Ansätze anzubieten, die den individuellen Erwartungen gerechter werden?
Auch wir bei DATEV machen uns Gedanken über Arbeit 4.0, eine Form des Arbeitens, die zunehmend digitalisiert und flexibel gestaltet ist und zugleich zu einer Reorganisation von Arbeitsformen und Arbeitsverhältnissen führt. Büros spielen weiterhin eine Rolle, aber unter anderen Vorzeichen – etwa um gemeinsam an einem Projekt zu arbeiten, Kreativität zu fördern oder einfach im (persönlichen) Gespräch zu bleiben.
Vorsicht (Homeoffice-)Falle
Das Büro daheim hat sich zum wesentlichen Arbeitsort entwickelt und ist gekommen, um zu bleiben. Hier müssen wir darauf achten und dafür sorgen, dass niemand in die Homeoffice-Falle tappt. Überarbeitung, die sich aus Termindichte und reduzierten Pausen ergibt, ständige Erreichbarkeit oder eine schlechte technische Infrastruktur. Auch, wenn man Beruf und Privates nicht mehr trennen kann, durch ständige Erreichbarkeit überfordert ist oder isoliert wird, wird dies zur Belastung. Hier greift die Fürsorgepflicht als Arbeitgeber, um die negativen Begleiterscheinungen des mobilen Arbeitens zu minimieren und zugleich Datenschutz, IT-Sicherheit und Arbeitsschutz zu gewährleisten.
Zudem müssen alternative Arbeitsorte geschaffen oder ausgebaut werden, beispielsweise Coworking Spaces, Coliving-Modelle oder Landbüros. Dazu braucht es ein Netzwerk von verschiedenen Akteuren in einer Region, die gemeinsam das Fundament der neuen Arbeitswelt legen. Essenziell ist, dass wir Wahlmöglichkeiten schaffen, passend zu den Anforderungen, die die individuellen Gegebenheiten mit sich bringen. Fangen wir an, in neuen Dimensionen zu denken. Denn wir sind längst in der neuen Arbeitswelt angekommen.