Kommunikation - 23. Mai 2018

Was sagt man dazu?

Die Sprache der Rechts­an­wälte ist häufig gespickt mit Fach­ter­mini. Nicht nur mit einem gän­gi­geren Vokabular sollten sich Juristen auf ihre Man­dan­ten ein­stellen, sondern auch mit ge­schickter Ge­sprächs­füh­rung ab dem ersten Moment für sich ge­winnen. Kom­mu­ni­kative Fähig­keiten sind ent­schei­dend für eine ver­ständ­nis­volle Anwalt-Mandanten-Beziehung. Die Lingu­istin Dr. Ina Pick erklärt im Inter­view, wie man sich im Be­ra­tungs­gespräch einfach gut versteht.

DATEV magazin: Frau Pick, was sind denn typische Schwierigkeiten, die in Mandantengesprächen entstehen?

Ina Pick: Obwohl die im Rahmen meiner Dissertation untersuchten Mandantengespräche schon auf sehr hohem Niveau waren, konnte ich Schwierigkeiten beobachten, die verschiedene Ursachen haben. Zum einen sind das typische Probleme, die aufgrund von idealisierten Vorstellungen über Gespräche passieren: Zum Beispiel durch frühes Unterbrechen des Mandanten in der Sachverhaltsdarstellung, weil das vermeintlich als ­effizient empfunden wird. Zum anderen sind das strukturelle Probleme, die durch die ganz spezifische Gesprächs­kons­tel­la­tion, die Rollen, die institutionellen Rahmenbedingungen entstehen: Etwa, dass Ziele nicht geklärt werden, aber Anwalt und Mandant beide denken, Ziele geklärt zu haben. Die Diskrepanz der Zielvorstellungen wird oft erst am Ende des Mandats deutlich und führt unmittelbar zu Schwierigkeiten und zu unzufriedenen Mandanten. Grund für das Nichtklären der Ziele ist, dass Ziele in der Regel bei beiden Beteiligten mental ausgebildet werden und dann nicht mehr ausreichend darüber gesprochen wird.

Was ist gute Mandantenkommunikation?

Ina Pick: Ganz wichtig – das gelungene Gespräch gibt es nicht, sondern gute Gespräche entstehen im flexiblen Reagieren auf Situationen und Personen. Dazu ist ein bestimmtes Handlungsspektrum notwendig, das der Anwalt flexibel einsetzen kann.
Bisher ist man in der Forschung davon ausgegangen, dass die Kenntnis von typischen Gesprächsstrukturen und damit die Verbesserung der Reflexionsfähigkeit über die eigenen Gespräche zur Verbesserung führt, weil dieses Reflektieren dazu beiträgt, flexibel reagieren zu können. Das trifft sicherlich noch immer zu. Inzwischen versucht die Linguistik aber auch zunehmend, methodisch geleitet und empirisch fundiert Gesprächsbewertungen vorzunehmen und auch stärker Handlungsempfehlungen abzuleiten. Dazu orientiert sie sich vor allem an den Zielen der Beteiligten. Die können allerdings von Anwalt zu Anwalt – und von Mandant zu Mandant – variieren. Entsprechend ergeben sich verschiedene Handlungsempfehlungen.

Welche Aufgaben haben Berater im Rahmen eines Mandantengesprächs?

Ina Pick: In meiner Dissertation habe ich über 30 verschiedene kommunikative Aufgaben von Anwälten und Mandanten aus den untersuchten Gesprächen abgeleitet, die in einem Gespräch bearbeitet werden. Diese sind etwa den juristischen Wissensstand des Mandanten zu ermitteln oder Handlungsmöglichkeiten einzubringen. Aber auch Mandanten haben kommunikative Aufgaben, die man als Anwalt gegebenenfalls einfordern sollte: etwa das Verarbeiten der rechtlichen Möglichkeiten, das Beauftragen des Anwalts oder eben nicht.
Wichtig sind aber auch die verschiedenen anwaltlichen Rollen, die sich teilweise als paradoxe Hand­lungs­an­for­de­rungen in den Gesprächen niederschlagen. Das sind vor allem die Rollen des Anwalts als Berater zu Rechts­fragen und als Verkäufer einer anwaltlichen Dienstleistung, die er in jedem Gespräch gleich­zeitig hat, die aber teil­weise unterschiedliche Handlungslogiken mit sich bringen.

Wann werden Gespräche ineffizient beziehungsweise woran kann der Anwalt das rechtzeitig erkennen und eingreifen?

Ina Pick: Effizienz ist immer eine Frage der Ziele und kann zudem von verschiedenen Beteiligten verschieden bewertet werden. Bemerken kann man aufkommende Schwierigkeiten in Gesprächen, die dann letztlich immer ineffizient wirken, bereits an sehr minimalen kommunikativen Merkmalen: etwas zu lange Pausen, eine etwas auffällige Betonung oder ein kurzes Zögern, aber auch daran, dass sich Schleifen bilden, Mandanten also bestimmte Themen wiederholt anbringen. Zum Gegensteuern muss man diese feinen Signale zunächst einmal wahrnehmen. Dann erst kann man die vermutete Problematik bearbeiten, ­etwas besser erläutern und noch einmal genauer nachfragen.

Gibt es das perfekte Beratungsgespräch?

Ina Pick: Es gibt kein Modell für perfekte Gespräche, weil sich Perfektion eben an Zielen und am angemessenen Reagieren in ganz konkreten Situationen messen lassen muss. Viel wichtiger aber ist es, gute Gespräche zu produzieren, als auf das perfekte Gespräch zu schauen. Dazu sind vor allem Orientierung und Transparenz wichtig – Orientierung im Gespräch über eigenes Handeln und die Erwartungen an andere.
Übrigens verstehen viele Anwälte unter Beraten meist etwas anderes als Linguisten: Für Anwälte geht es beim Beraten in erster Linie um eine rechtliche Begutachtung des Sachverhalts, also letztlich um ein Prüfen von Ansprüchen. Das wird so ja auch im Studium fokussiert. Dies ist aus linguistischer Sicht aber nur ein kleiner Teil des Beratens: Denn zum Beraten gehört immer auch das Verstehen und Berücksichtigen des übergeordneten Handlungsprozesses des Mandanten, also seine Gesamtsituation über die Rechtsfragen hinaus. Erst wenn individuell und bezogen auf diese Gesamtsituation unter Berücksichtigung der Ziele und Ressourcen des Mandanten gemeinsam Handlungsmöglichkeiten entwickelt und bewertet werden, sprechen Linguisten von Beraten. Diese Kompetenzen des Anwalts berücksichtigt das rechtswissenschaftliche Studium trotz Schlüssel­qua­li­fi­ka­tionen noch immer viel zu wenig.

Wie einigt man sich auf gemeinsame Ziele?

Ina Pick: Hier ist wichtig, sich zuerst einmal bewusst zu machen, dass man sich auf Ziele einigen muss und dass dies ganz explizit kommunikativ geschieht. Man muss also in jedem Mandantengespräch eine eigene Phase für die Zielklärung einplanen. Diese kann man ähnlich einleiten wie die Phase der Kosten, zum Beispiel „So, nun müssen wir uns auch über Ihre Ziele unterhalten.“ Dann ist Zuhören wichtig, erst danach das Vorschlagen weiterer möglicher Ziele.

UNSER GESPRÄCHSPARTNER

Dr. INA PICK

Die Gesprächsforscherin berät und coacht Anwälte in kommunikativer Kompetenz. Aktuell arbeitet sie am deutschen Seminar der Universität Basel. www.inapick.de

3 GRÜNDE FÜR GUTE GESPRÄCHE

  1. Ein gutes Gespräch gibt dem Mandanten Sicherheit und bearbeitet tatsächlich das Kernanliegen des Mandanten. Das macht ihn zu einem Kunden, der Ihnen vertraut, Sie weiterempfiehlt und wiederkommt.
  2. Ein gutes Gespräch verhindert unnötige Schleifen, Rückfragen und Wartezeiten in der folgenden Zusammenarbeit. Damit spart es Nerven, Zeit und Geld.
  3. Ein gutes Gespräch hilft Ihnen, die Zügel in der Hand zu behalten und Ihre Arbeit professionell zu erledigen. Das macht Sie zufrieden – und Ihre Mandanten auch.

Zur Autorin

Astrid Schmitt

Redaktion DATEV magazin

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