Nachwuchssorgen - 27. Mai 2021

Warum bleiben Plätze frei?

Der Berufsstand der Wirtschaftsprüferinnen und Wirtschaftsprüfer leidet bundesweit daran, geeigneten Nachwuchs zu finden. Dass es die wenigen Potenzialkandidaten meistens in die Metropolen zieht, überrascht dann doch, da so manche ländliche Region durchaus für attraktivere Konditionen steht.

Der Berufsstand der Wirtschaftsprüfer ist elitär. Etwa 166.000 Rechtsanwälten und ca. 87.000 Steuerberatern stehen nur knapp 15.000 Wirtschaftsprüfer gegenüber. Die Verdienstmöglichkeiten sind gut und liegen über denen der Steuerberater. Neben dem Notar sowie der Geistlichkeit ist der Wirtschaftsprüfer der einzige siegelführende Berufsstand in Deutschland. Es sollte also für kluge Köpfe Anreize geben, diesen Beruf ergreifen zu wollen. Dennoch fehlt der Nachwuchs. Neben den Imageschäden, die der Berufsstand durch die Bilanzskandale der letzten 20 Jahre seit Flowtex erleiden musste, wird auch das Wirtschaftsprüferexamen als Einstiegshürde gesehen. Es gilt gemeinhin als eine der härtesten Prüfungen im deutschen Bildungswesen. Es versuchten sich in den Jahren, als ich die Prüfung absolvierte (2002), jährlich mehr als tausend Kandidaten daran. Die Bestehensquoten lagen in den Jahren 2004 bis 2008 zwischen 45 und 52,5 Prozent. Zehn Jahre später haben sich die Teilnehmerzahlen halbiert und die Bestehensquoten lagen 2014 bis 2018 zwischen 52,7 und 58,3 Prozent. Seit Herbst 2019 findet das Wirtschaftsprüferexamen modulweise statt. Es ist wieder ein Anstieg der Teilnehmerzahlen zu beobachten und die Quote der bestandenen Modulprüfungen liegt bei 70 Prozent.

Bundesweiter Nachwuchsmangel

Die bundesweiten Nachwuchssorgen treten verstärkt in ländlichen Regionen, jedenfalls bei uns im Bayerischen Wald, auf. Die Stellenbörse der Wirtschaftsprüferkammer (WPK) listet im Januar 2021 für Bayern 70 Stellenangebote – davon allein 59 in München – und kein einziges Stellengesuch auf. Unsere bisherigen Versuche, mittels Anzeigen auf den Portalen der WPK, der Steuerberaterkammer München, des Landesverbands der steuerberatenden und wirtschaftsprüfenden Berufe in Bayern e. V. (LSWB), in Tageszeitungen und bei Monster.de sowie Stepstone einen Berufsträger zu finden, sind gescheitert. Unseren heutigen Wirtschaftsprüferpartner, Jakob Eisenreich, haben wir über einen Headhunter gefunden, der eine Stellenanzeige in Stepstone geschaltet hatte. Wir sind eine interdisziplinäre Partnerschaftsgesellschaft mit 40 Köpfen und bieten neben Steuer- und Rechtsberatung auch Wirtschaftsprüfungsleistungen an. Über viele Jahre war ich der einzige Wirtschaftsprüfer in unserer Partnerschaft und konnte zusammen mit meiner Prüfungsassistentin sowie einem Freelancer-Wirtschaftsprüfer aus Kapazitätsgründen nur eine geringe Anzahl von jährlichen Abschlussprüfungen durchführen. Weitere Verstärkung im Steuer- und Prüfungsbereich erhielten wir von Absolventen der umliegenden Hochschulen in Passau und Deggendorf. An der Technischen Hochschule Deggendorf (THD) war ich mehr als 20 Jahre als Lehrbeauftragter tätig. Dadurch konnte ich den Kontakt zu Studenten recht frühzeitig herstellen und einige auch für unsere Kanzlei gewinnen. So ist einer der ersten Studenten, die ich seit 1996 an der Hochschule Deggendorf unterrichtet habe, Rolf Stettmer, heute Steuerberaterpartner unserer Kanzlei. Er lehrt seit einigen Jahren selbst an der THD das praxisorientierte Arbeiten mit DATEV-Programmen und kann so den Kontakt zum potenziellen Nachwuchs halten.

Vorbehalte gegen ländliche Regionen

Von Berufsträgern, die sich zum Teil durch Vermittlung von Headhuntern oder aufgrund unserer Inserate beziehungsweise unserer Homepage bei uns vorstellen, hören wir häufig Vorbehalte gegen einen Umzug nach Regen. Die Gründe liegen in familiären Bindungen, dem Besitz von Grundvermögen oder der Berufstätigkeit des Partners am derzeitigen Wohnort, aber auch an einer vermeintlichen Unattraktivität unseres Standorts. In überregionalen Stellenanzeigen haben wir daher schon mehrfach einige Vorteile unserer Region dargestellt, wie etwa:

  • Wohnstadt – sehr günstiges Wohnen und Bauen sowie kurze Wege
  • Freizeitstadt – Sportvereine, Fitnessstudios, herausragende Wanderwege und Mountainbike- und Langlaufparadies, Flugschule, Golf, Wassersport auf dem Fluss Regen, Klettern, Sternelokal und Berghütten
  • Schulstadt – Gymnasium in Zwiesel (in zehn Minuten mit dem Zug erreichbar), Grund-, Mittel- und Realschulen, vier Kindergärten mit genügend Platzangeboten
  • zentral – 20 Minuten bis Deggendorf und zur A 92, 40 Minuten bis Passau und Österreich sowie 90 Minuten nach München

Die Erfolge waren aber dennoch mäßig. Gute Erfolgsaussichten haben wir bei Bewerbern, die aus unserer Region stammen, zum Studium weggezogen waren, aber nun endlich wieder zurück in den Bayerwald möchten. Hier müssen wir keine Überzeugungsarbeit hinsichtlich der Lebensqualität im Landkreis Regen leisten. Wir sind daher auch auf dem regionalen Bewerbungsportal JOBS dahoam vertreten, das von der ARBERLAND REGio GmbH betrieben wird. Damit wird auch vonseiten der Wirtschaftsförderung des Landkreises versucht, dem zunehmenden Arbeitskräftemangel in unserer Region gegenzusteuern.

Auch aus finanzieller Sicht attraktiv

An den Gehaltswünschen unserer Bewerber ist noch kaum ein Arbeitsverhältnis gescheitert. Jedenfalls dann nicht, wenn sich der Berufsanfänger bewusst war, dass er zunächst noch einen erheblichen Wissenszuwachs und praktische Erfahrungen benötigt, bevor er nutzbringend für uns tätig werden kann. Bei den Vergütungen für Berufsträger und Assistenten können wir mit den Gehältern, die bei den Big-Four-Gesellschaften oder den bisherigen Arbeitgebern auch in Großstädten bezahlt werden, locker mithalten. Hier wundern wir uns manchmal, zu welchen Konditionen die Kollegen bereit sind, in München zu arbeiten. Gerade auch in Zeiten einer Pandemie sehen wir genügend Gründe, warum ein Umzug aus einer Großstadt in eine ländliche Region einen erheblichen Zuwachs an Lebensqualität sowie an verfügbarem Einkommen bietet.

Die eigene Attraktivität steigern

Wir versuchen, unser Erscheinungsbild nach außen auch für potenzielle Bewerber attraktiv darzustellen. Hierzu dient uns zum einen unsere Homepage, auf der wir unter „Aktuelles – Kanzlei privat“ über Events und Ereignisse berichten, die zeigen sollen, dass wir großen Wert auf ein sehr gutes Betriebsklima legen und viel in die Zufriedenheit unserer Mitarbeiter investieren. Wir freuen uns zum anderen über viele langjährige Mitarbeiter, die zum Teil schon Jahrzehnte bei uns in der Kanzlei sind, und wir sind ganz begeistert, wenn uns unsere Mitarbeiter im Freundes- und Bekanntenkreis als Arbeitgeber empfehlen. Wir halten im Allgemeinen nicht viel von externen Siegeln, die eine Kanzlei als vermeintliche Spitzenkanzlei auszeichnen, weil wir die Vergabekriterien kennen. Beim LSWBArbeitgebersiegel aber überlegen wir, ob wir eine Ausnahme machen sollten, um noch mehr Aufmerksamkeit von potenziellen Bewerbern zu erhalten.

Ausblick

Die Ausbildung von Steuerberatern und Wirtschaftsprüfern in der eigenen Kanzlei scheint für uns der Königsweg mit Blick auf die Nachwuchsgewinnung zu sein. In der Assistenzzeit nach dem Studium, in der die Absolventen von uns gründlich in alle praxisrelevanten Tätigkeiten eingewiesen werden und sich auf die Berufsexamina vorbereiten, können wir sie auch persönlich gut kennenlernen und einschätzen, ob sie so gut zu uns passen, dass wir sie auch dauerhaft bei uns beschäftigen oder vielleicht sogar an unserer Kanzlei beteiligen möchten. In jedem Fall ist die Gewinnung, die Ausbildung und Einarbeitung unseres Wirtschaftsprüfer- und Steuerberaternachwuchses eine Investition in das Know-how unserer künftigen Leistungsträger. Sie bestimmt ganz wesentlich den Erfolg unserer Kanzlei in der Zukunft.

Zum Autor

Dr. Peter Leidel

Wirtschaftsprüfer, Steuerberater und Rechtsbeistand in der Partnerschaftsgesellschaft Leidel & Partner in Regen. Die Partnerschaft besteht aus zwei Wirtschaftsprüfer/ Steuerberatern und einem Stuerberater und beschäftigt rund 40 Mitarbeiter.

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