Dem Fachkräftemangel entgegnen - 20. Dezember 2018

Vorsicht ist immer besser als Nachsicht

In der aktuellen Ausgabe des DATEV magazins haben wir mit drei Kanzleien darüber gesprochen, was sie tun, um dem Fachkräftemangel vorzubeugen. Im Blog verraten sie nun, wie sie die Situation im Griff behalten, ob Berufsquereinsteiger in Kanzleien Top oder Flop sind und welche Tipps sie in punkto Mitarbeitergewinnung geben können.

Wie häufig müssen Sie offene Stellen besetzen?

MECHTILD M. MAURER:
Im Schnitt alle zwei Jahre.

MARCO WEHMEIER:
Momentan führen wir nur Nachbesetzungen durch, die sich aufgrund von Renteneintritten oder Elternzeiten ergeben. Dabei haben wir sehr genau im Auge, unsere
Prozesse und die Abläufe in der Kanzlei stetig zu verbessern. Wir schauen bei Neubesetzungen genau hin, ob es vor dem Hintergrund der steigenden Digitalisierung und Automatisierung notwendig ist, jede Stelle komplett neu zu besetzen.

GUDRUN MILDNER:
Bedingt durch den Generationenwechsel stellen wir durchschnittlich dreimal jährlich Steuerfachangestellte ein.

Was sind die Anlässe?

MECHTILD M. MAURER:
Bei den jungen Damen ist es meist eine Schwangerschaft.
Der Ausnahmefall ist, dass jemand geht, weil ihm die Arbeit bei uns nicht taugt. Aktuell habe ich den Fall, dass ein Kollege sich den hohen Anforderungen in einer Steuerkanzlei nicht weiter aussetzen will – der wechselt jetzt lieber in die Wirtschaft.

MARCO WEHMEIER:
Erfreulicherweise haben wir keine große Fluktuation. Aktuell sind die Anlässe familiär und altersbedingt.

GUDRUN MILDNER:
Wer bei uns anfängt, bleibt eigentlich auch langfristig. Die Stellen, die wir neu besetzen müssen, entstehen durch Rente, Elternzeit oder Umzüge, also natürliche Fluktuation.

Bilden Sie selbst aus?

MECHTILD M. MAURER:
Ja, wir bilden regelmäßig Steuerfachangestellte aus; meist Lehrlinge, die über Praktika zu uns kommen. So sehen wir schon vorab, ob der Mensch zum Gesamtbild der Kanzlei passt und auch, ob er genügend soziale Kompetenz mitbringt.

MARCO WEHMEIER:
Wir bilden selbst aus und haben auch schon positive Erfahrungen mit Umschülern gemacht.

GUDRUN MILDNER:
Ja, wir bilden jährlich einen Azubi aus, den wir dann auch übernehmen. Aber eigentlich ist für uns das Duale Studium als Ausbildungsform ideal, da hier studiert und gleichermaßen gearbeitet wird.

Welche Erfahrungen haben Sie mit Berufsquereinsteigern gemacht?

MECHTILD M. MAURER:
Die Erfahrung habe ich bisher zweimal gemacht: Sowohl unsere Lohnbuchhalterin als auch unsere Sekretärin kommen beide aus kaufmännischen Berufen in der Wirtschaft. Die Einarbeitung braucht mehr Zeit und mehr Begleitung, denn jemand, der nicht in einer Steuerberatungskanzlei gelernt hat, braucht länger, um mit dem Druck gut klarzukommen und sieht sich mit einer Vielzahl an Aufgaben und Fragestellungen konfrontiert. Alleine das Verständnis für das System der Mehrwertsteuer braucht Erfahrung, ohne die leicht Fehler passieren können. Einmal hatte ich einen Auszubildenden, der in unserer Kanzlei mit 29 eine zweite Ausbildung zum Steuerfachangestellten gemacht hat. Das hat deswegen so gut funktioniert, weil er ein absolut profundes Verständnis von Beratung hatte.

MARCO WEHMEIER:
In den letzten Jahren haben wir als Ausbildungsbetrieb für verschiedene Umschulungsinstitutionen in der Region zur Verfügung gestanden. Wir haben motivierte Umschüler kennengelernt, ausgebildet und später auch übernommen.
Leider wurde uns immer wieder von Umschülern berichtet, dass Kanzleien ihrem Ausbildungsauftrag nicht nachkommen und die Umschüler für Aushilfstätigkeiten ausgenutzt werden. Häufig werden die zukünftigen Kolleginnen und Kollegen als „Feuerwehrkräfte“ eingesetzt, um in den Kanzleien aktuelle Probleme irgendwie zu lösen, oder zum Kaffee kochen abgestellt. Wir haben die Erfahrung gemacht, dass viele Umschüler motiviert sind und nach der Ausbildung, mit einer entsprechenden Perspektive, eine Anstellung in der Kanzlei zu finden, auch sehr wertvolle Mitarbeiter und Teammitglieder werden können.

GUDRUN MILDNER:
Einen Kollegen, der wirklich noch nie etwas mit Steuern zu tun hatte, hatten wir noch nicht. Wir haben es mal mit Bachelor-Studenten im Bereich Steuern versucht – leider hat ein Quereinstieg bisher in unserer Kanzlei nur im Lohn funktioniert. Bei der Buchhaltung und der Einkommenssteuererklärung war das keine gute Idee. Vermutlich liegt es daran, dass es beim Thema Steuern häufig zu Gesetzesänderungen kommt und man gezwungen ist, solides Grundwissen zu haben und immer am Ball zu bleiben.

Investieren Sie in Fortbildungen/Weiterentwicklungen Ihrer Mitarbeiter?

MECHTILD M. MAURER:
Es steht allen Mitarbeiten offen, mindestens drei Seminare pro Jahr zu wählen. Dabei ist es gleich, ob es sich um fachliche Weiterbildungen handelt oder auch um DATEV-Kurse zur Vertiefung und Neuanwendung von Programmen. Aktuell bildet sich ein Kollege beispielsweise zum digitalen Experten weiter. Wir bieten aber auch größere fachliche Fortbildungen wie den Fachwirt an. Gerade das Thema Kommunikation ist mir wichtig und in diesem Zuge auch, Selbstbewusstsein zu schulen, sodass die Mitarbeiter für alle Herausforderungen gerüstet sind und bei Mandanten- oder Betriebsprüfergesprächen selbstbewusst auftreten können. Zu den Themen Selbstorganisation und Kommunikation halten wir regelmäßig Workshops ab, an denen alle Mitarbeiter, Vollzeitkräfte, Auszubildende genauso wie Teilzeitkräfte selbstverständlich teilnehmen.

MARCO WEHMEIER:
Auch dieser Punkt ist für uns als Kanzleileitung eine Selbstverständlichkeit. Unsere Mitarbeiter werden regelmäßig in aktuellen Themen geschult. In den jährlich stattfindenden Personalgesprächen, klären wir die Karriereziele und definieren den Fortbildungs- und Schulungsbedarf. Im Anschluss werden dann sich anschließende Fragen, wie Zeitplanung und Bildungsurlaube geklärt. Eventuelle Spezialthemen können sich die Mitarbeiter wünschen und im Laufe des Jahres dann besuchen. Programmschulungen für die DATEV-Anwendungen planen wir im Kanzleiteam und veranstalten dann Inhouse-Schulungen mit entsprechenden DATEV-Spezialisten. Die technische Weiterentwicklung der Kanzlei in enger Begleitung durch die DATEV ist für uns ebenfalls ein Schlüsselfaktor. Themen wie DMS oder E-Mail-Archivierung haben wir bereits schon sehr früh umgesetzt.

GUDRUN MILDNER:
Wir führen regelmäßig Fortbildungen in unserem Hause durch, damit die wesentlichen Änderungen und Neuerungen allen Kollegen und Kolleginnen bekannt sind. Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die sich auf bestimmte Bereiche spezialisiert haben, besuchen natürlich die entsprechenden externen Fortbildungen. In diesem Jahr haben wir beispielsweise auch noch zusätzlich zwei Personen ausbilden lassen zu zertifizierten Beratern im Bereich Datenschutz.

Welche Arbeiten lagern Sie aus, um Fachkräfte fokussierter einzusetzen?

MECHTILD M. MAURER:
Ich gebe alle Aufgaben ab, die mein Schreibbüro betreffen, also beispielsweise Diktate.
Wir versuchen, Mandanten sehr schnell zu Selbstbuchern zu erziehen. Sollte das nicht gehen, verlagern wir die anfallenden Tätigkeiten in ein externes Buchhaltungsbüro, sodass wir buchhaltungsseitig nur so viel im Haus behalten, wie wir für eine fundierte Ausbildung unserer Jugend brauchen. Beim Lohn haben wir den Baulohn ausgelagert. Bei der Deklaration hole ich mir von Zeit zu Zeit Spezialisten aus anderen Fachbereichen dazu, die ein profunderes Wissen auf dem Gebiet haben.
Daneben haben wir auch einen Teil der Hardware ausgelagert, indem wir auf Partner asp umgestellt haben. Speziell beim Datenschutz lasse ich mich von einem erfahrenen Unsternehmen begleiten.

MARCO WEHMEIER:
Seit 2017 haben wir uns stark mit dem IT-Support auseinandergesetzt und unseren DATEV System- und Lösungspartner CKN GmbH & Co KG in unsere Projekte bei den Mandanten im Rahmen der Digitalisierung und Schnittstellennutzung eingebunden.
Allerdings haben wir Mitarbeiter mit unserem IT-Support zusammenarbeiten lassen, sodass wir nach und nach eigenes Know-how aufbauen konnten. Mittlerweile können wir eigene Teams bilden und unsere Mandanten bei der Digitalisierung unterstützen und beraten. Unseren Lösungspartner binden wir weiterhin als Back-up ein. Diese Form der Zusammenarbeit hat sich wirklich sehr bewährt. Uns ist auch bewusst, dass wir in Zukunft mehr und mehr eigenes Wissen und Können in der digitalen Prozesswelt benötigen und dies eine große Herausforderung für Mitarbeiter und Berufsträger sein wird.
Neben dem IT-Support, denken wir auch daran, andere Dienstleitungen auszulagern, um mehr qualitativ hochwertige Beratungen zu Unternehmensprozessen unserer Mandanten zu begleiten. Als zertifizierte Berater können wir diese Beratungen durch Fördermittel unterstützen, um so die Abläufe in den Unternehmen unserer Mandanten zu optimieren und große Einsparungspotentiale zu realisieren.

GUDRUN MILDNER:
Wir haben lediglich die IT ausgelagert.

Was sind Ihre drei Tops der Mitarbeiterbindung bzw. -gewinnung, die Sie jeder Kanzlei empfehlen würden?

MECHTILD M. MAURER:

1. Wertschätzung durch die Zusammenarbeit im Team.
2. Vertrauensvorschuss durch Home-Office. Die freie Einteilung der Arbeitszeit bedeutet in erster Linie Autonomie.
3. Um Mitarbeiter zu gewinnen, stellen wir die Möglichkeit, sehr nah am Mandanten zu arbeiten und sich fortbilden zu können – und auch den zeitlichen Raum dazu zu haben, in Aussicht. Wir arbeiten in der Regel ohne Überstunden.

MARCO WEHMEIER:

1. Pflege einer Unternehmenskultur und Förderung des Unternehmenswertes „Mensch“
2. Aufbau eines sicheren zukunftsorientierten Arbeitsplatzes (Innovativer Dienstleister)
3. Teamgeist

GUDRUN MILDNER:

1.Weiterbildung/Weiterentwicklung (Spezialistentum/Nachfolge)
2. Zukunftsfähigkeit der Kanzlei als digitale Beratungskanzlei
3. diverse Arbeitszeitmodelle angepasst an die Bedürfnisse der Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen

Unsere Interviewpartner:

Übrigens haben wir noch einen ausführlichen Artikel zu diesem Thema in unserem DATEV Magazin veröffentlicht (Ausgabe 12/2018). Viel Spaß beim Lesen!

Zur Autorin

Astrid Schmitt

Redaktion DATEV magazin

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