Digitalisierung der Prozesse - 3. März 2022

Überschneidung nutzen

Die für eine Optimierung der Leistungsprozesse notwendige digitale Anbindung der Mandanten an die Steuerberatungskanzlei kann in Verbindung mit der Verfahrensdokumentation als Einstieg in die IT- und Prozessberatung genutzt werden.

Auf die technischen Entwicklungen sowie die immer komplexer werdenden Systemlandschaften in den Unternehmen reagierte das Bundesministerium der Finanzen (BMF) 2014, indem es die ursprünglichen Grundsätze ord­nungsmäßiger Buchführung erweiterte (BMF-Schreiben IV A 4 – S 0316/13/10003). Die Grundsätze zur ordnungsmäßigen Führung und Aufbewahrung von Büchern, Aufzeichnungen und Unterlagen in elektronischer Form sowie zum Datenzu­griff (GoBD) führten zu einigen Neuerungen. Dabei stehen nun die Datenverarbeitungssysteme, digitale Aufzeichnungen und der Prozess der Digitalisierung von Papierbelegen samt deren Vernichtung sowie der Datenzugriff der Finanzverwal­tung bei Betriebsprüfungen im Fokus.

Verfahrensdokumentation

Ein wesentlicher Punkt – er soll der Finanzverwaltung zukünftig bei einer effizienten Betriebsprüfung und dem dazu benötigten Verständnis der IT-Systeme in Unternehmen helfen – ist die in den GoBD verankerte Verfahrensdokumentation. In ihr soll die Organisation der Buchführung ausführlich schriftlich beschrie­ben werden. Der Verfahrensdokumentation liegt ein bewährter Grundsatz des Qualitätsmanagements zugrunde: Wenn du auf­schreiben kannst, wie etwas funktioniert, ist die Wahrschein­lichkeit höher, dass es auch so passiert. Die GoBD gehen noch einen Schritt weiter in Richtung Qualitätsmanagementsystem, indem sie in der Verfahrensdokumentation das Vorhandensein eines internen Kontrollsystems (IKS) vorschreiben.

Interne Kontrollen

Die Qualität der Buchführung soll durch interne Kontrollen ge­sichert werden. Diese beziehen sich auf die Verantwortlichkei­ten und Prozesse, wie es in der Verfahrensdokumentation be­schrieben ist. Kommt es zu Fehlern, müssen die Ursachen auf­geklärt werden. Gibt es eine neue Soft- oder Hardware, soll das in der Verfahrensdokumentation vermerkt beziehungs­weise geändert werden. Neue Mitarbeiterinnen und Mitar­beiter sollen in den Prozessen und der IT geschult werden, bevor sie an die Arbeit gehen. Das alles ist in der Verfahrensdo­kumentation enthalten und wird durch neue Versionen auf ak­tuellem Stand gehalten. In Gänze stellt die Verfahrensdoku­mentation mit dem IKS ein vollständiges Qualitätsmanage­mentsystem für einen Großteil der Verwaltung in den Unter­nehmen dar. Sie bezieht sich zwar in erster Linie auf die Finanzbuchführung, jedoch ist durch die Einbindung der Vorsysteme und der dazu­gehörigen Prozesse schnell die gesamte Verwaltung involviert. Das Thema Personal grenzt aufgrund von Lohn- und Gehaltsab­rechnungen direkt an. Die Zeiterfassung – unabhängig davon, ob digital oder analog – ist ein Beispiel für ein Vorsystem. Material­wirtschaft, Kasse, Online-Shop, Reisekos­ten, IT-Ausstattung und deren Sicherheit sind weitere Themen. Die Finanzverwaltung will damit erreichen, dass die Qualität intern sichergestellt und von außen schnell geprüft werden kann, mit dem Ziel, mehr Transparenz und Steuergerechtigkeit zu schaf­fen. Für Unternehmer klingt das in erster Linie zunächst nach sehr viel Bürokratie und Verwaltungsaufwand.

Unterschiede je nach Unternehmensgröße

In den GoBD steht aber auch, dass sich der Umfang der Ver­fahrensdokumentation an der Komplexität des Unterneh­mens orientieren soll. Ein Einzelunternehmer ohne Mitarbei­ter benötigt im Gegensatz zu einer Metzgerei mit mehreren Standorten eine weit weniger komplexe Verfahrensdoku­mentation, sofern sich die simplen Finanzbuchführungspro­zesse auf ein bis zwei Software-Produkte beschränken sowie nur eine Person, die sie ausführt. Bei Unternehmen mit meh­reren Standorten oder größeren Abteilungen sieht das je­doch schon anders aus. Ein häufig zitierter Fall vor dem Fi­nanzgericht (FG) Münster zeigt aber, dass die Dokumentati­onspflicht ernst zu nehmen ist.

Rechtsprechung

Bei der Betriebsprüfung eines Friseursalons mit zwei Stand­orten und PC-gestützten Kassensystemen kam es zu diversen materiellen Fehlern (fehlende Rechnungsnummern, unvoll­ständig aufbewahrte Gutscheine und so weiter). Zudem gab es einen formellen Fehler. Die Protokolle zur Programmie­rung der Kassen fehlten. Die Richter urteilten wie folgt (FG Münster, Urteil vom 29.03.2017, Az. 7 K 3675/13): „Bei der Nutzung programmierbarer elektronischer Kassensysteme stellt das Fehlen der Programmierprotokolle einen gewichti­gen formellen Kassenführungsmangel dar, der jedenfalls bei bargeldintensiven Betrieben zu Hinzuschätzungen berech­tigt.“ Formelle Fehler rücken also mehr und mehr in den Fo­kus der Finanzverwaltung. Das liegt daran, dass durch die GoBD die Anforderungen an die Dokumentation der Buch­führung sowie der genutzten IT-Systeme extrem gestiegen sind. Finden sich hier bereits Fehler, steht der Unternehmer in der Pflicht, zu beweisen, dass sein System vor Manipulati­onen geschützt ist. Das zeigt auch die weitere Begründung des Urteils im Fall des Friseursalons (FG Münster, Urteil vom 29.03.2017, Az. 7 K 3675/13): „Es ist von erheblicher Bedeutung, dass sich ein Be­triebsprüfer und gegebenenfalls das Ge­richt davon überzeugen können, wie die Kasse bei Inbetriebnahme programmiert war und in welchem Umfang zu späteren Zeitpunkten Programmeingriffe vorge­nommen worden sind. Das Gewicht dieses Mangels tritt dann zurück, wenn der Steu­erpflichtige im konkreten Einzelfall dar­legt, dass die von ihm genutzte elektroni­sche Kasse trotz Programmierbarkeit kei­ne Manipulationsmöglichkeiten eröffnet.“ Die Beweislast dreht sich bei fehlender Dokumentation um. Auch wenn die Finanzverwaltung seit jeher ein Auge auf bargeldintensive Geschäfte mit Kassen hat, ist die Kasse ein Beispiel für ein Vorsystem in Unternehmen. Und denen kommt durch die GoBD eine besondere Aufmerksamkeit zu.

Neufassung der GoBD

Das BMF ist auch weiterhin bemüht, den technologischen Ent­wicklungen in den GoBD Rechnung zu tragen, und veröffent­lichte am 11. Juli 2019 eine Neufassung, in der unter anderem auf das Fotografieren von Belegen per Handy sowie auf Cloud- Systeme eingegangen wird (BMF-Schreiben IV A 4 – S 0316/19/10003 :001). Gerade in Hinblick auf eine schnelle Verbreitung von Cloud-basierten Anwendungen sowie das Vo­ranschreiten der Vernetzung von IT-Systemen und Automati­sierungsprozessen wird die Verfahrensdokumentation als Grundlage zum Verständnis der Systemlandschaften in Unter­nehmen für die Finanzverwaltung an Bedeutung gewinnen. Steuerberatungskanzleien sind Teil dieser Systemlandschaft.

Die Rolle des Steuerberaters

Wenn die Geschäftsvorfälle mit DATEV Kanzlei-Rechnungswe­sen gebucht werden, arbeitet der Steuerberater direkt am Hauptsystem, dem Ort, an dem alle Fäden zusammenlaufen. Der Steuerberater ist für den Unternehmer auch die erste An­laufstelle, wenn es um die Verfahrensdokumentation geht. Sei­nerseits hat er je nach Inhalt und Umfang des erteilten Mandats eine Hinweispflicht gegenüber seinem Mandanten: „Der Steu­erberater hat allerdings im Rahmen seiner vertraglichen Nebenpflichten den Mandanten vor Schaden zu bewahren. Vor diesem Hintergrund ist er verpflichtet, auf Fehlentscheidungen, die für ihn offen zu Tage liegen, hinzuweisen.“ (Gemmer 2005: www.iww.de/kp/archiv/hinweis-und-aufklaerungspflichten-mangelnde-sachverhaltsaufklaerung–wann-haftet-der-steuer­berater-f33097). Die normative Pflicht, eine Verfahrensdoku­mentation zu besitzen, liegt zwar beim Unternehmer, auch wenn diese gesetzlich noch nicht verankert ist. Sollte jedoch die Buchführung eines Mandanten aufgrund des Fehlens einer Ver­fahrensdokumentation intensiver geprüft werden und der Steu­erberater hat dies nie erwähnt, kann sich das extrem schlecht auf das Mandatsverhältnis beziehungsweise den Steuerberater als Vertrauensperson auswirken. Der steuerliche Berater sollte deshalb ein starkes Interesse für die Verfahrensdokumentation entwickeln und das Thema proaktiv angehen, damit Schäden für die Kanzlei und deren Mandanten vermieden werden.

Schnittmengen nutzen

Es geht aber nicht nur darum, Schaden abzuwenden. Die Vor­systeme beim Mandanten sind für die Optimierung der Leis­tungsprozesse in der Kanzlei von zentraler Bedeutung. Wer­den Medienbrüche durch Schnittstellen und Software auf ein Minimum reduziert, können Daten zwischen den Vorsystemen beim Mandanten und dem Hauptsystem in der Kanzlei rei­bungslos fließen. Manuelle Tätigkeiten wie das Abtippen von Belegdaten gehören der Vergangenheit an. Neue Technologi­en wie der DATEV Automatisierungsservice Rechnungen kön­nen auf digitale Daten losgelassen werden. Der Clou: Die In­formationen, die der Steuerberater für die digitale Anbindung der Mandanten an die Kanzlei benötigt, sind ein Großteil der Informationen, die für die Verfahrensdokumentation benötigt werden. Die allgemeinen Informationen zum Unternehmen, die für die Verfahrensdokumentation ebenfalls benötigt wer­den, besitzen die Steuerberatungskanzleien bereits. Der jetzt noch fehlende Teil ist im Verhältnis gering und kann mit dem Mandanten gemeinsam entwickelt werden. Die große inhaltli­che Überschneidung der digitalen Anbindung der Vorsysteme der Mandanten an die Kanzlei sowie der Verfahrensdokumen­tation können die steuerlichen Berater nutzen, um eine neue Beratungsleistung anzubieten und zwei unangenehme Fliegen mit einer Klappe zu schlagen. Dadurch können Umsatzeinbu­ßen (nicht Gewinne), die durch die fortschreitende Automati­sierung der Buchführung entstehen, aufgefangen und kann insgesamt ein höherer Gewinn erwirtschaftet werden.

Make-or-buy-Entscheidung

Die Frage, die sich so mancher Steuerberater stellt, ob man diese Dienstleistung wirklich in Rechnung stellen kann, beant­worten DATEV Solution Partner, die das bereits tun. Um diese Umsätze generieren zu können, müssen vorher jedoch einige Investitionen getätigt werden:

  • Wissen aufbauen und Mitarbeiter schulen,
  • Werkzeuge entwickeln und neue Software für Verfahrensdo­kumentationen und Projektmanagement implementieren
  • Prozesse definieren und nicht zuletzt die Mandanten über­zeugen.

Da stellt sich die unternehmerische Frage, ob es nicht sinnvol­ler ist, nur bestimmte Teile zu übernehmen und andere auszu­lagern. Also eine klassische Make-or-buy-Entscheidung.

Resümee

Der technologische Fortschritt hat zu einschneidenden Verän­derungen in den Unternehmen geführt und den Staat zum Handeln gezwungen. Die GoBD sind ein Ergebnis dieser Ent­wicklung. Durch Verknüpfung der digitalen Mandantenanbin­dung an die Kanzlei mit der in den GoBD verankerten Verfah­rensdokumentation gelingt es dem steuerlichen Berater, zwei wichtige und dringende Themen mit insgesamt weniger Auf­wand zu bearbeiten.

MEHR DAZU

finden Sie unter www.datev.de/verfahrensdokumentation

Erfahren Sie mehr über die Verfahrensdokumentationen zur Belegablage, zum ersetzenden Scannen, zur Kassen­führung, zur Prozessbeschreibung PayPal und zur Corona-Dokumentation. Unterziehen Sie bereits unterjäh­rig und regelmäßig Ihre Vorsysteme einer digitalen Datenanalyse, um die Datenqualität in Ihrer Buchführung sicherzustellen. www.datev.de/datenpruefung

DATEV-Fachbuch: „Digitalisierung von Geschäftsprozessen im Rechnungswesen“, 3. Auflage,

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Lernvideo online „Verfahrensdokumentation nach GoBD“,

Lernvideo online „Ersetzendes Scannen und E-Rechnun­gen: Voraussetzungen und Umsetzung mit DATEV Unternehmen online“

Zum Autor

JF
Johannes Franz

Leiter IT & Digitalisierung der ACCONSIS GmbH Steuerberatungsgesellschaft

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