Software-Partner im Marktplatz - 15. September 2022

Stille Post für alle – anonyme Hinweisgebersysteme werden Pflicht

Daniel Ellsberg, Edward Snowden oder Chelsea Manning – diese Namen sind untrennbar mit dem Thema Whistleblowing verbunden. Viele Skandale erreichen die Öffentlichkeit erst durch Menschen wie sie: Angestellte, die ihre Sorgen über Missstände bei ihren Auftrag- oder Arbeitgebern öffentlich machen und dabei oft persönliche Nachteile in Kauf nehmen.

Diese internen Informationen über Betrugsfälle in der Wirtschaft oder im öffentlichen Sektor führen zu einer großen medialen Aufmerksamkeit und gesellschaftlichem Unmut gegenüber den betroffenen Organisationen. Die Hinweisgebenden selbst werden dahingehend meist positiv wahrgenommen, da sie verbotene Handlungen aufdecken und teils auch gesellschaftliche Missstände abstellen. Innerhalb der Unternehmen und Behörden kann dies anders aussehen: Hinweisgebende fürchten Repressalien, etwa in Form von Mobbing oder gar einer Kündigung. Damit sie besser vor solchen Konsequenzen geschützt sind, trat im Dezember 2019 eine neue EU-Richtlinie in Kraft. Diese verpflichtet unter anderem Unternehmen dazu, Meldekanäle bereitzustellen, über die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter Hinweise zu Verstößen geben können.

Da Deutschland die EU-Whistleblower-Richtlinie nicht rechtzeitig bis Mitte Dezember 2021 in nationales Recht umgesetzt hatte, leitete die EU Ende Januar 2022 ein Vertragsverletzungsverfahren ein. Nun hat das Bundeskabinett am 27. Juli 2022 einen Regierungsentwurf beschlossen. Es ist damit zu rechnen, dass sich der Bundestag zeitnah mit dem Gesetzentwurf befassen wird. Was können deutsche Unternehmen nun erwarten?

Das deutsche Hinweisgeberschutzgesetz

Mit dem Hinweisgeberschutzgesetz (HinSchG) soll die EU-Whistleblower-Richtlinie in deutsches Recht umgesetzt werden. Der vorliegende Gesetzentwurf regelt den Schutz natürlicher Personen, die im Rahmen ihrer Berufsausübung Informationen über Verstöße erlangt haben und diese an eine hierfür eingerichtete Meldestelle weitergeben. Zum Schutz dieser sogenannten Whistleblower untersagt der vorliegende Entwurf Sanktionen wie Abmahnungen, Disziplinarverfahren oder die Verweigerung einer Beförderung gegenüber Hinweisgebern.

Aber auch Unternehmen profitieren vom Hinweisgeberschutzgesetz. Denn Hinweise von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, die Verstöße intern ansprechen, können zu einer frühzeitigen Fehlerbehebung beitragen. Die Hinweise können dabei als eine Art Frühwarnsystem verstanden werden, wobei durch rasche Gegenmaßnahmen auch Reputationsschäden und einer Berichterstattung oder gar Einschreiten von Behörden vorgebeugt werden können. Darüber hinaus führt oftmals bereits die Existenz eines Hinweisgebersystems und die damit verbundene erhöhte Aufdeckungswahrscheinlichkeit nach einiger Zeit zu einem hohen präventiven Wirkungsgrad.

Pflicht zur Einrichtung interner Meldestellen

Laut des Gesetzentwurfs sind Unternehmen und Organisation ab 50 Beschäftigten zur Einrichtung einer internen Meldestelle verpflichtet. Unternehmen mit maximal 249 Mitarbeitenden haben dafür bis 17. Dezember 2023 Zeit. Der Entwurf zum Hinweisgeberschutzgesetz ermöglicht ihnen außerdem, gemeinsam mit anderen Unternehmen eine Meldestelle zu betreiben. So können beispielsweise Konzernunternehmen die Meldestelle bei der Konzernmutter einrichten. Unternehmen ab 250 Beschäftigten müssen sofort handeln und voraussichtlich spätestens innerhalb von drei Monaten nach Verkündung des Hinweisgeberschutzgesetzes interne Meldestellen etablieren.

Digitale Hinweisgebersysteme

Interne Meldekanäle sollten die Hinweisabgabe in mündlicher, schriftlicher aber auch in persönlicher Weise ermöglichen. So kommen beispielsweise Anrufbeantwortersysteme, Whistleblower-Hotlines, extra eingerichtete E-Mail-Adressen, Beschwerde-Briefkästen oder IT-gestützte Hinweisgebersysteme in Frage.

Ein Anbieter für digitale Meldesysteme ist der DATEV-Software-Partner Business Keeper, Teil der EQS Group. Das in München ansässige Unternehmen bietet Software für die Erfassung und Bearbeitung von Meldungen. Für Kai Leisering, Geschäftsführer der Business Keeper GmbH, hat der Datenschutz und somit die Anonymität der Whistleblower höchste Priorität: Beschäftigte, die Kenntnisse von Missständen haben, diese jedoch nicht oder nicht ohne Risiko weitergeben können, sind einem hohem Maß an Stress ausgesetzt. Der Schutz der Hinweisgebenden muss somit durch technische Maßnahmen im System sichergestellt werden. Weder der Anbieter der Anwendung noch Dritte dürfen technische Einsicht oder Zugriff auf die sensiblen Daten erhalten.“

Digitale Meldekanäle haben Vorteile gegenüber den anderen Möglichkeiten, etwa die Zuspielung von Dokumenten als Beweis für die Hinweise sowie eine anonyme Zwei-Wege-Kommunikation. Auf diese Weise können Whistleblower selbst bei Rückfragen anonym bleiben und müssen keine persönlichen Kontaktdaten zur Verfügung stellen. Business Keeper setzt dies mittels eines digitalen Postkastens um, der über ein Pseudonym und Passwort funktioniert und höchste Sicherheit bietet. Die Berechtigungen zur Einsicht in Nachrichten können flexibel vergeben werden, so dass bei Bedarf auch Steuerberater oder Rechtsanwälte für die Bearbeitung hinzugezogen werden können.

Der Gesetzentwurf sieht keine Verpflichtung vor, interne Meldekanäle so einzurichten, dass sie die anonyme Abgabe von Hinweisen ermöglichen. So muss lediglich sichergestellt sein, dass die Vertraulichkeit der Integrität des Hinweisgebers und Dritter, die in der Meldung genannt werden, gewahrt bleiben und unbefugten Mitarbeitern der Zugriff darauf verwehrt wird. Dennoch sollten sich Unternehmen mit der Frage auseinandersetzen, ob es nicht sinnvoll ist, auch anonyme Meldungen zuzulassen. Denn nicht jeder Whistleblower wird sich ohne vollständige Anonymität wohlfühlen und Meldung machen. Andererseits bieten auch immer mehr Behörden vollständig anonyme Meldestellen an, an die sich ein Hinweisgeber wenden kann, falls das Unternehmen keine glaubwürdige Lösung bereitstellt.

Zuständigkeiten festlegen und Bearbeitungsfristen beachten

Unternehmen müssen eine oder mehrere Personen bestimmen, die Meldungen von Hinweisgebern entgegennehmen. Diese müssen innerhalb von sieben Tagen dem Whistleblower den Eingang der Nachricht bestätigen. Anschließend sind sie dazu verpflichtet, die Meldungen zu prüfen und Folgemaßnahmen auf den Weg zu bringen. Der Hinweisgeber muss über diese innerhalb von drei Monaten in Kenntnis gesetzt werden. Als Verantwortliche für die Meldestelle kommen beispielsweise Datenschutzbeauftragte aber auch Compliance-Leiter in Frage. Gut zu wissen: Die Zuständigen müssen nicht von ihrer eigentlichen Tätigkeit freigestellt werden. Solange ihre anderen Aufgaben und Pflichten nicht zu Interessenskonflikten führen und sie unabhängig handeln können, können sie diese weiter ausführen.

Alternativ kann die Hinweisbearbeitung auch an Dritte wie externe Anbieter von Meldeplattformen oder Ombudspersonen (zum Beispiel Steuerberater, Rechtsanwälte oder Wirtschaftsprüfer) ausgelagert werden, solange diese Garantien für die Wahrung der Unabhängigkeit sowie Vertraulichkeit, des Datenschutzes und der Geheimhaltung bieten.

Neue Beratungsanlässe

Für Steuerberater, Wirtschaftsprüfer oder Rechtsanwälte können sich aus dem Hinweisgeberschutzgesetz neue Beratungs- und Geschäftsfelder ergeben. Einerseits können sie beratend unterstützen, wenn es um die Auswahl und Implementierung eines Meldesystems geht. Andererseits können sie auch die Rolle einer Ombudsperson einnehmen und sich um eine vertrauensvolle Bearbeitung der Hinweise der betreuten Unternehmen kümmern. Davon profitieren die Mandanten gleich doppelt: Zum einen können Experten in der Steuer- oder Rechtsberatung fundiert einschätzen, ob sich Hinweise zu Sonderzahlungen oder ein Verdacht auf Korruption als Informationen über tatsächliche Verstöße entpuppen. Zum anderen kann die Auslagerung der Hinweisbearbeitung gerade bei kleinen Unternehmen dabei helfen, das Vertrauen der Mitarbeitenden in das Meldesystem zu erhöhen. Denn externe Personen werden in diesen Fällen eher als unparteiisch und dadurch vertrauenserweckender wahrgenommen. Gleichzeitig lässt sich über dieses neue Tätigkeitsfeld die Mandantenbindung stärken.

Zur Autorin

KR
Kathrin Ritter

Redaktion DATEV magazin.

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