Kanzleigründung im digitalen Zeitalter - 13. Mai 2019

Road to hell?

Unabhängig sein. Eigene Ideen umsetzen. Ein höherer Verdienst: Gründung ist hipp. Auch bei Steuerberatern.

Viele Steuerberater setzen sich mit der Gründung einer eigenen Kanzlei auseinander. Bei einem Großteil von ihnen bleibt es kein Traum, sie machen sich selbstständig. Vor allem, weil sich bei näherer Betrachtung vermeintliche Risiken als Chancen entpuppen.

Risiko 1: Die Digitalisierung macht den Steuerberater überflüssig

Ja, könnte man meinen, wenn man den Job-Futuromat mit dem Beruf des Steuerberaters befüllt. Denn das Ergebnis ist ernüchternd: 73 Prozent der Tätigkeiten können schon heute automatisiert werden. Vor allem trifft das auf die deklaratorischen Tätigkeiten zu. Aber: Einer Automatisierung von einzelnen Arbeitsprozessen gehen meist immer Beratungsanlässe wie eine Schnittstellenberatung voraus. Außerdem nehmen die steuerlichen Anforderungen an Unternehmen laufend zu, deren Erfüllung auch zukünftig nur mit „menschlicher“ steuerlicher Expertise zu lösen ist. Nehmen wir nur die Beispiele Verfahrensdokumentation oder Tax Compliance Managementsysteme. Fazit: Die Digitalisierung wird die Steuerberatungsbranche in den nächsten Jahren verändern, aber das Berufsbild nicht ersetzen. Vielmehr bietet sich die Chance, statt einer vergangenheitsorientierten Belegverarbeitung den Mandanten zukünftig dabei zu beraten, sein Unternehmen zukunftsgerichtet zu entwickeln, Prozesse zu optimieren und als Coach zu begleiten.

Risiko 2: Die Gründungskosten sind hoch

Mit Blick auf die Vergangenheit lässt sich konstatieren, dass die Gründung einer Kanzlei noch nie so günstig war wie aktuell. Vor allem dann, wenn man auf der „grünen Wiese“ gründet (übrigens die am häufigsten gewählte Variante). Alles, was man hier für den Start benötigt, ist die passende Hardware (meist vorhanden), Software und seinen „Kopf“. Die Softwareindustrie verzichtet auf die früher üblichen Kauf- und Wartungslizenzen und bietet günstige Mietmodelle an. Und auch ein professioneller Internetauftritt ist mit Hilfe von kostenlosen Werkzeugen (z.B. WordPress) leicht zu realisieren. Ein Kredit wird daher insbesondere in der Startphase nicht benötigt, das finanzielle Risiko ist demgemäß gering.

Risiko 3: Arbeitszeiten jenseits einer 60-Stunden-Woche

Zugegeben: Jeder Start in die Selbständigkeit ist am Anfang mit einem hohen zeitlichen Engagement verbunden. Zumindest solange, bis der Kanzleiauftritt steht und die Prozesse von der Mandatsannahme zur Leistungserbringung bis hin zur Abrechnung fixiert sind. Es gibt viele junge Kanzleiinhaber, die mit einer 40-Stunden-Woche gut hinkommen. Aber auch etablierte Berater schaffen es, eine Kanzlei mit „halbem Zeiteinsatz“ zu führen. Wie das funktioniert, erklärt Altan Günsoy, selbst Steuerberater, in seinem Buch „Bist Du Steuerberater oder lebst Du noch“.

Risiko 4: Ich bin zu jung und mir fehlen noch Erfahrung und Expertise

Die Erfahrung aus unserem Kanzlei-Gründercoaching zeigen: Der Erfolg eines Kanzlei-Start-ups hängt selten mit dem Alter zusammen. Das Wichtigste ist, dass man für sein „Kanzlei-Start-up“ brennt und sich strategisch mit seinem Gründungsvorhaben auseinandersetzt. Mangelnde Erfahrung lässt sich mit einem guten Netzwerk und dem regelmäßigen Austausch mit anderen Gründern kompensieren. Und wenn man dann noch unternehmerisches Denken, Kommunikationsfähigkeit und eine gute Portion Selbstvertrauen mitbringt, ist der Erfolg garantiert.

Steuerberaterinnen und Steuerberaterin für die sich die „Road to hell“ als „Fahrt ins Glück“ herausgestellt hat, werde ich Ihnen in meinen weiteren Blogbeiträgen vorstellen. Ich beleuchte, wie alles angefangen hat, wie sich das Kanzlei-Startup entwickelt hat und wie das jeweilige Geschäftsmodell ausschaut. Außerdem erhalten Steuerberater, die vielleicht auch gründen möchten, viele wertvolle Tipps.

Und wer sich jetzt schon Impulse holen möchte, dem empfehle ich das Buch „So zünden Sie den Turbo für Ihre Steuerberatungskanzlei“.

Zum Autor

Thorsten Hesse

Thorsten Hesse ist nach seinem betriebswirtschaftlichen Studium und ersten beruflichen Stationen im Marketing und der Beratung seit 1994 bei DATEV tätig. Als Kanzleiberater und Gründungscoach unterstützt er Steuerberatungskanzleien als Trainer, Vortragsredner und Autor bei den Themen Strategie, Marketing und Vertrieb. Herr Hesse ist zudem zertifizierter DISG-Trainer und Lehrbeauftragter an der Hochschule München.

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