Praxisleitfaden Homeoffice und mobiles Arbeiten - 2. November 2021

Noch im Büro oder wo?

von Gastautor

Seit vielen Jahren gehören Remote-Arbeit oder Homeoffice zum Repertoire moderner Unternehmen. Corona-Pandemie, Kontaktbeschränkung und Lockdown bescherten der Evolution dieser Arbeitsmodelle einen starken Schub. Mobiles und hybrides Arbeiten sind die nächsten Stufen. Doch was heißt das, und wo lauern Stolperfallen?

Die Krise hat es gezeigt: Adhoc-Maßnahmen in Firmen zur Kontaktbeschränkung nach den Arbeitsschutzverordnungen sind durchaus umsetzbar. Daraus folgt, Angestellte müssten künftig nicht zwingend an ihrem Schreibtisch oder überhaupt im Büro arbeiten. In der Praxis besteht bei vielen Unternehmen jedoch eine erhebliche Unsicherheit bei dem Gedanken, dauerhaft die Möglichkeit des Homeoffice oder sonstiger mobiler Arbeit einzuräumen. Das liegt zum einen an der Angst vieler Arbeitgeber, die Kontrolle über ihre Angestellten zu verlieren. Zum anderen sind aus arbeitsrechtlicher Sicht die Möglichkeiten der Arbeit außerhalb der klassischen Organisationsformen in nur sehr geringem Umfang geregelt. Dennoch: Kaum ein Arbeitgeber kommt künftig umhin, sich mit der mobilen Arbeit auseinanderzusetzen.

Rechtliche Rahmenbedingungen klären

Zuletzt wurde ein gesetzlicher Anspruch auf Homeoffice diskutiert, ein Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats bei mobiler Arbeit eingeführt und der Unfallversicherungsschutz im Homeoffice erweitert. Dennoch gibt es weiterhin nur wenig spezifische gesetzliche Vorschriften. Die Zulässigkeit des mobilen Arbeitens in seinen Erscheinungsformen wie Homeoffice oder FlexWork, muss anhand der allgemeinen gesetzlichen Vorgaben bewertet werden. Hier sind dann unter anderem das Arbeitszeitgesetz, die Betriebsverfassung, die Arbeitsschutzvorschriften oder Datenschutzbestimmungen relevant.

Homeoffice, Telearbeit, Mobiles Arbeiten – was denn nun?

Die gesetzlich geregelten Telearbeitsplätze sind vom Arbeitgeber fest eingerichtete Bildschirmarbeitsplätze im Privatbereich der Beschäftigten. Echte Telearbeit ersetzt den betrieblichen Arbeitsplatz und ist in der Praxis relativ selten. Verbreitet ist er beispielsweise im Außendienst. Mobiles Arbeiten dagegen ist ein flexibles, ortsungebundenes Tätigsein an jedem möglichen Ort außerhalb der Betriebsstätte des Arbeitgebers. Dabei werden tragbare IT-Systeme und sonstige Kommunikationsmittel genutzt. Kerngedanke des mobilen Arbeitens aus arbeitsrechtlicher Sicht ist der – teilweise – Verzicht des Arbeitgebers, den Arbeitsort der Angestellten im Sinne seines Weisungsrechts näher zu definieren. Diese können damit den Arbeitsort eigenverantwortlich festlegen.

Soweit nicht ein Tarifvertrag oder die Betriebspartner, also Arbeitgeber und Betriebsrat die Rahmenbedingungen der mobilen Arbeit definieren, steht es den Arbeitsvertragsparteien frei, diese festzulegen. Eine Vereinbarung mit Arbeitnehmerin und Arbeitnehmer, die die wesentlichen Umstände regelt, ist jedem Arbeitgeber dringend zu empfehlen. Darunter fallen der Umfang mobiler Arbeit, die zulässige Arbeitszeit, Arbeitsorte, Kostentragung, Betriebsmittel, Gewährleistung des Datenschutzes und der Geheimhaltungspflicht, Widerrufsmöglichkeiten etc. Arbeitsrechtliche Schutzgesetze, wie das Arbeitszeitgesetz sind auch bei mobiler Arbeit zwingend einzuhalten. In einer Vereinbarung zur mobilen Arbeit können insoweit Verantwortlichkeiten definiert werden.

Arbeitsschutz – kein Hindernis für Mobile Arbeit

Unsicherheiten bestehen in der Praxis oft zum Umfang des Arbeitsschutzes und inwieweit der Arbeitgeber diesen bei mobiler Arbeit oder im Homeoffice prüfen und gewährleisten muss. Man wird hier die Pflichten des Arbeitgebers an seinen rechtlichen und tatsächlichen Möglichkeiten ausrichten müssen. Soweit die Arbeitnehmerin oder der Arbeitnehmer im Wesentlichen über den eigenen Arbeitsort entscheidet, bleiben dem Arbeitgeber in erster Linie organisatorische Schutzmaßnahmen wie etwa Unterweisungen. Gleichzeitig steigt die Eigenverantwortung der Angestellten. Die Pflichten für Arbeitgeber und damit auch ein etwaiges Risiko sind daher deutlich niedriger als in der Praxis oft angenommen. Die Gewährleistung des Arbeitsschutzes sollte deshalb kein Hindernis für die mobile Arbeit sein.

Immer wieder problematisch ist der Schutz in der gesetzlichen Unfallversicherung, auch wenn zuletzt die Regelungen zum Unfallschutz auf das Homeoffice ausgeweitet wurden. Da bei der Arbeit im Homeoffice die beruflichen und privaten Tätigkeiten fließend ineinander übergehen, ist trotz der Neuregelung nicht immer klar, ob ein Unfall privat oder beruflich veranlasst wurde. Es gilt auch nach der gesetzlichen Neuregelung der Grundsatz, dass im Homeoffice alle Tätigkeiten während der Arbeitszeit versichert sind, die mit der Zielrichtung ausgeübt werden, dem Unternehmen zu dienen oder betriebliche Aufgaben zu erfüllen, also die  sogenannte objektive Handlungstendenz.

Mobile Arbeit steigert die Arbeitgeberattraktivität

Abseits der rechtlichen Rahmenbedingungen sollten sich Arbeitgeber künftig mit einem weiteren Aspekt auseinandersetzen. Rund 43 Prozent der Deutschen machen laut einer Befragung von Randstad die Attraktivität der Arbeitgeber davon abhängig, ob es eine Option für Homeoffice gibt. Damit scheint mobiles Arbeiten, zumindest in der ein oder anderen Form, einen gewaltigen Einfluss auf die Arbeitgeber-Attraktivität auszuüben. Neben den rechtlichen Anforderungen erfolgreicher mobiler Arbeit sollten Unternehmen daher auch die organisatorischen Belange höher priorisieren. Schon allein aus Sicht eines effektiven Employer Brandings und Recruitings müssen die in diesem Sinne abgegebenen Versprechungen konsequent eingehalten werden.

Auf Distanz – die neue Form des Führens

Von zentraler Bedeutung ist das für viele Führungskräfte neue Konzept des Führens auf Distanz. Wenn die Angestellten nicht mehr in unmittelbarer räumlicher Nähe arbeiten, müssen Führungskräfte als erstes ihre generelle Angst vor dem Kontrollverlust ablegen. Zwar erscheint mit Blick auf die Entwicklungen der New Work Bewegung der Aspekt der Kontrolle so oder so eine immer geringere Rolle zu spielen. Trotzdem fällt gerade dieses Loslassen vor allem den langjährigen, konventionell agierenden Chefs schwer. Doch ist dies nicht generell der Fall. Im Vertrieb oder der Unternehmensberatung herrscht bereits deutlich mehr Erfahrung als im klassischen Innendienst oder Büro-Alltag.

Hybride Arbeit – wenn Beschäftigte unterschiedlich arbeiten

Mit der Entwicklung vom Telearbeitsplatz hin zur mobilen Arbeit entsteht zunehmend ein weiteres Modell: das hybride Arbeiten. Dabei verbringen Menschen nicht nur einen Teil ihrer Arbeitszeit remote und den anderen Teil im Unternehmen. Künftig wird es häufiger Mischformen geben. Dann wird ein Teil der Beschäftigten in den Büros arbeiten und ein anderer Teil über digitale Kanäle angebunden sein. Das alles ist nicht fix, sondern dynamisch und individuell, temporär und variierend, je nach Aufgabe sowie beruflicher und privater Situation.

Gefahr der Zwei-Klassen-Gesellschaft

So einfach der Satz „Die Zukunft der Arbeit ist hybrid“ über die Lippen geht, so schwierig wird es werden, das professionell umzusetzen. Der Hebel ist und bleibt die Führung. Hängen Führungskräfte einer übertriebenen Präsenz-Pflicht nach, werden sie die Arbeit außerhalb der Büros geringer wertschätzen; mit massiven Auswirkungen. In diese Richtung deuten zahlreiche internationale Studien. Demnach werden Angestellte, die woanders arbeiten als im Büro in ihrer Leistung schlechter beurteilt, bekommen geringere Gehaltserhöhungen und werden seltener befördert als Kolleginnen oder Kollegen, die im Büro tätig sind. Und das, obwohl sie genauso hart und teilweise sogar länger arbeiten.

Gelingt Organisationen dieser Mindset-Shift – können sie also umdenken und eingefahrene Sichtweisen ändern – bewahrt dies das Konzept mobiles und hybrides Arbeiten vor dem Scheitern, bevor es ernsthaft probiert wurde. Falls aber nicht, werden zum einen Beschäftigte aus Angst vor Benachteiligung ihren Wunsch nach einer mobilen Arbeit – zumindest temporär – unterdrücken. Zum anderen besteht die akute Gefahr der oben genannten Benachteiligungen. In beiden Fällen dürfte das Ergebnis das gleiche sein: unzufriedene Angestellte, die sich früher oder später andere Arbeitgeber suchen.

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Die Möglichkeiten, Arbeit im Büro und mobile Arbeit sinnvoll zusammenzuführen, zeigt der Praxisleitfaden Homeoffice und mobiles Arbeiten. Mit hilfreichem Praxiswissen befähigt er, den Grundstein für ein erfolgreiches Hybrid-Modell zu legen.

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