Kanzleien, die händeringend nach neuen Mitarbeitern suchen, sollten nicht verzagen. Auch hier gilt es, sich der digitalen Welt zu öffnen, um das junge Potenzial der Generation Internet zu erreichen.
Selbst eine gut aufgestellte Steuerberatungskanzlei mit attraktiven Bedingungen für Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter kann allein von diesen Vorteilen nicht profitieren. Für qualifizierte Fachkräfte zählen natürlich auch die Rahmenbedingungen. Vor allem aber muss das Betriebsklima stimmen und wirklich positiv sein, sodass der Mitarbeiter gerne zur Arbeit kommt und diese auch in entsprechender Qualität ausführt. Wenn sie bei potenziellen Bewerbern allerdings nicht sichtbar sind und nicht wahrgenommen werden, führen auch viele Benefits in erster Linie nicht direkt zu einer erfolgreichen Personalsuche, sofern man nicht ein ganzheitliches Recruiting-Konzept implementiert, in dem man die Alleinstellungsmerkmale und die Arbeitgeberattraktivität in den Fokus stellt. Doch über welche Wege gelangt eine Kanzlei in die Sichtbarkeit? Eine Option wäre eine Personalkampagne, um die richtige Zielgruppe festzulegen und sie über entsprechende Werbeanzeigen auf verschiedenen Kanälen anzusprechen. Den Kanzleien, die unter Personalmangel leiden, stehen jedenfalls diverse Möglichkeiten offen, das Problem zu lösen.
Präsenz erzeugen
In einem ersten Schritt sollten Personalkampagnen in verschiedenen, auch sozialen Netzwerken getätigt werden, um eine sichtbare Präsenz im Internet herzustellen. Die Kanzleien sollten sich von klassischen Stellenportalen verabschieden und den Weg hin zu individuellen Recruiting-Konzepten gehen. Da die Vergleichbarkeit auf den Portalen groß ist, sehen potenzielle Bewerber etliche, sich ähnelnde Inserate, und die Konkurrenz ist groß. Kanzleiinhaber sollten sich fragen, warum ein potenzieller Kandidat genau von ihrem Inserat angesprochen sein sollte, wenn die anderen Anzeigen gleichermaßen attraktiv sind.
Kandidaten, die noch unter Vertrag stehen
In jedem Fall sollten auch latent suchende Kandidaten adressiert werden. Gemeint sind Personen, die sich in einem Anstellungsverhältnis befinden und damit nicht aktiv auf der Suche nach einer neuen Stelle sind. Sie reagieren dennoch aufgeschlossen auf Angebote, weil sie etwa mit ihrer aktuellen Stelle oder ihrem derzeitigen Arbeitgeber unzufrieden sind. Auch diese Kandidaten gilt es, von der eigenen Kanzlei zu überzeugen.
Am besten auf Empfehlung
Das oft genutzte Recruiting-Modell „Empfehlungen“ reicht nicht mehr aus. Doch der Grundgedanke dahinter lässt sich weiterentwickeln. Wenn eine Kanzlei in der Vergangenheit bereits einige Stellen durch Empfehlungen besetzen konnte, ist das ein positives Zeichen. Um eine persönliche Weiterempfehlung abzugeben, müssen die Mitarbeiter mit ihrem Arbeitgeber zufrieden sein – und diese zufriedenen Mitarbeiter kann man sehr gut fürs Recruiting einsetzen, indem man ihre positiven Aussagen zum Beispiel in Form von Mitarbeiterstimmen auf der eigenen Karriereseite veröffentlicht. So können Bewerber den Arbeitgeber auch aus Mitarbeitersicht besser kennenlernen. Die Stimmen der eigenen Mitarbeiter sind im Recruiting oftmals überzeugender als klassische Benefits, die sich bei vielen Kanzleien ähneln. Wenn der eigene Mitarbeiter zum Beispiel beschreibt, warum es sich lohnt, sich in der Kanzlei zu bewerben, oder warum es Spaß macht, dort in der Kanzlei zu arbeiten, kann dieser Aspekt automatisiert und zielführend nach außen getragen werden. Damit die eigene Attraktivität als Arbeitgeber von den Fachkräften mit Potenzial wahrgenommen wird, muss die Kanzlei zunächst in der Region präsent und vor allem für potenzielle Kandidaten sichtbar sein. Dabei ist zu beachten, wie und wo Fachkräfte in der heutigen Zeit kontaktiert werden wollen. Um qualifiziertes Fachpersonal gezielt anzusprechen, ist es also unabdingbar, sich bei der potenziellen Zielgruppe dauerhaft als attraktiver Arbeitgeber zu positionieren.
Arbeitgebermarke aufbauen
Um auf Social-Media-Kanälen potenzielle Kandidaten zu überzeugen, ist der Aufbau einer sympathischen, authentischen und transparenten Arbeitgebermarke heute alternativlos. Die Fachkräfte stehen auf dem Arbeitsmarkt vor einer großen Auswahl verschiedener Kanzleien. Und die steuerlichen Berater, die ihre Vorzüge aktiv präsentieren, heben sich aus der Masse potenzieller Arbeitgeber hervor. Es ist also unabdingbar, als potenzieller Arbeitgeber nach außen hin kompetent und authentisch aufzutreten. Für die Bewerber muss ersichtlich sein, worauf sie sich gegebenenfalls einlassen.
Bewerbungsprozess
Zudem ist heute ein schneller sowie unkomplizierter Bewerbungsprozess ebenfalls unumgänglich. Wer es den Bewerbern zu kompliziert macht, verliert sie an die Konkurrenz. Das liegt vor allem daran, dass diese oft nicht auf eine spontane Bewerbung vorbereitet sind. Ein Kandidat im Anstellungsverhältnis sieht beispielsweise ein interessantes Angebot und sagt sich: „Das könnte meine neue Stelle sein.“ Wenn er jetzt ein Anschreiben und einen Lebenslauf verfassen und seinen aktuellen Arbeitgeber um ein Zeugnis bitten muss, wird er es sich vielleicht anders überlegen. Daraus folgt, dass man im Bewerbungsprozess die Hürden so gering wie möglich halten muss. Viele Steuerberatungskanzleien gestalten ihren Bewerbungsprozess komplizierter als nötig.
Kontaktaufnahme
Vor diesem Hintergrund sollte es zu einer schnellen Kontaktaufnahme zwischen Steuerberatungskanzlei und potenziellem Bewerber kommen. Das ist gerade für Kandidaten im Anstellungsverhältnis relevant, die möglicherweise nicht aktiv auf der Suche nach einer neuen Stelle sind. Wer beruflich sehr ausgelastet ist, hat weniger Zeit für ausführliche Bewerbungsprozesse. Beim Erstkontakt sollte der Aufwand also so gering wie möglich sein, damit der Bewerber und die Kanzlei ins Gespräch kommen können. Ansonsten ist die Wahrscheinlichkeit hoch, dass der Kandidat sein Interesse verliert und von der Bewerbung absieht. Nach einer unkomplizierten Bewerbung sollte es also zu einer zeitnahen telefonischen Kontaktaufnahme mit dem Bewerber kommen. Nur so ist es beiden Parteien möglich, weitere Details zur ausgeschriebenen Stelle schnell zu besprechen und abzuklopfen, ob der erste Eindruck und die Chemie stimmen.
Neue Wege gehen
Es heißt: Gehe mit der Zeit, sonst gehst du mit der Zeit. Grundvoraussetzung für eine erfolgreiche Mitarbeitergewinnung ist also, dass die Kanzleien bereit sind, neue Wege zu gehen, anstatt weiterhin auf alte Maßnahmen zu setzen, die nicht mehr funktionieren. Die Nachwuchskräfte, die gesucht und dringend benötigt werden, gehören zur Generation Internet. Folglich wird die Suche der Kanzleien über Zeitungsannoncen kaum erfolgreich sein. Gerade qualifizierte Fachkräfte bevorzugen mittlerweile modern ausgerichtete Kanzleien. Daher bevorzugen diese Kandidaten unkomplizierte digitale Bewerbungsprozesse, woran sie gleich erkennen, wie digital der potenzielle neue Arbeitgeber aufgestellt ist.
Digitales Onboarding
Sehr vielen Bewerbern ist bei einem Jobwechsel vor allem eine strukturierte Einarbeitung durch den neuen Arbeitgeber wichtig. Hier empfiehlt es sich, ein digitales Onboarding in Form einer eigenen Schulungsplattform zu integrieren, auf der die Arbeitsabläufe und Prozesse innerhalb der Kanzlei dargestellt und erklärt werden. So lernt der neue Mitarbeiter bereits ab dem ersten Arbeitstag alle Abläufe der Kanzlei kennen und kann sich größtenteils eigenständig alles Erforderliche aneignen. Außerdem entlastet ein digitales Onboarding die Kanzleimitarbeiter bei der Einarbeitung des neuen Kollegen.
Viele Kanzleien sind auf der Suche nach dem perfekten Bewerber. Sie wollen keine frisch ausgebildeten Fachkräfte, da sie deren Einarbeitung scheuen. Das digitale Onboarding macht jedoch auch aus Absolventen perfekte Mitarbeiter. In diesem Zusammenhang sollte dem neuen Kollegen zudem ein direkter Ansprechpartner zur Verfügung gestellt werden, der offene Fragen im Einarbeitungsprozess beantwortet. Quasi ein Pate, der speziell dem neuen Mitarbeiter jederzeit mit Rat und Tat zur Seite steht.
Fazit und Ausblick
Bei der Mitarbeitergewinnung ist den Kanzleien, die nach Fachkräften suchen, ein Umdenken dringend anzuraten. Statt auf Bewerbungsunterlagen und Anschreiben zu beharren, sollten sich die Kanzleien auch beim Recruiting an das heutige, digitale Zeitalter anpassen und sich in die Zielgruppe der potenziellen Kandidaten hineinversetzen. Auch wenn es befremdlich klingt: Anzeigen in sozialen Netzwerken sind mittlerweile Usus. Darüber hinaus ist festzuhalten, dass die Zusendung von ausführlichen Bewerbungsunterlagen mit Anschreiben, Lebenslauf, Zeugnissen und Zertifikaten sehr viele potenzielle Bewerber abschreckt. Diese Interessenten bewerben sich dann lieber woanders.
Heute ist es eher umgekehrt. Kanzleien bewerben sich beim potenziellen neuen Mitarbeiter. Es empfiehlt sich, den Bewerbungsprozess auf etwa zehn Tage zu reduzieren, um das Interesse des Bewerbers wachzuhalten. Schließlich sollte man nicht allein auf Empfehlungen setzen, denn diese sind unsicher und leider nicht planbar.