Um die eigene Wettbewerbsfähigkeit zu stärken, ist die Kooperation mit anderen Kanzleien ein möglicher strategischer Ansatz. Ob eine Zusammenarbeit letztlich den Kanzleierfolg tatsächlich stärkt, zeigen die Ergebnisse einer bundesweiten, repräsentativen Erhebung.
In nahezu allen wirtschaftlichen Bereichen schreiten Verflechtung und Wettbewerbsintensivierung voran. Unternehmen erkennen in zunehmendem Maße, dass die betrieblichen Mittel für die zukünftige Entwicklung und den Erfolg des Unternehmens in Teilen außerhalb der eigenen Firmengrenzen liegen. Dies gilt auch für Steuerberatungs- und Wirtschaftsprüfungskanzleien, die, verbunden mit Veränderungen im Berufsbild, unter Handlungsdruck stehen. Organisches Wachstum wird in einem sich weiter beschleunigenden Wettbewerbsumfeld allein kaum genügen. Da akquisitorisches Wachstum für die meisten Marktteilnehmer nicht bezahlbar ist, verbleiben oftmals nur Fusion und Kooperation, um nennenswerte Zuwächse zu generieren. Während die Fusion häufig als Königsweg gesehen wird, ist sie dies aus Organisations- und Kostensicht nicht zwingend. Deshalb ist ein Bedeutungsgewinn von horizontalen Unternehmenskooperationen zu konstatieren, durch die Wettbewerbsvorteile entstehen sollen. Es stellt sich folglich die Frage, ob und unter welchen Gesichtspunkten die Kooperation mit anderen Kanzleien (Kanzleikooperation) ein Erfolg versprechender strategischer Ansatz ist. Welche Motive zeichnen solche Kooperationen aus, und welche Faktoren beeinflussen ihre Struktur und ihren Erfolg? Stärkt der Kooperationserfolg letztlich den Kanzleierfolg?
Repräsentative Stichprobe und Ergebnisauszug
Mit Unterstützung der DATEV eG, des Deutschen Steuerberaterverbands e. V. (DStV) und der RWTH Aachen University wurden die Entscheidungsträger von 16.565 Kanzleien in Deutschland zu diesem Themenkomplex befragt. Die bereinigte Rücklaufquote belief sich auf 1.385 Kanzleien. Davon hatten 525 Kanzleien keinerlei Kooperationsaktivität vorzuweisen, während 860 Kanzleien ein bisheriges oder aktuelles Kooperationsengagement aufwiesen. Die Ergebnisse legen offen, dass Kanzleien insbesondere eine Realisierung von qualitativen Synergieeffekten anstreben und reine Kostensenkungspotenziale weniger im Vordergrund stehen. Das Motiv einer Erweiterung des Leistungsspektrums ist unisono wesentlicher Anreiz einer kanzleiübergreifenden Zusammenarbeit. In der Gesamtbetrachtung der Kooperationsrisiken sind vor allem Abhängigkeitsnachteile und soziopsychologische Risikofaktoren ausgeprägt. Sachlich-materielle Kooperationsnachteile entfalten dagegen eine nachrangige Wirkung. Kooperationsinaktive Kanzleien bewerten sowohl die meisten Anreize als auch Risiken stärker als tatsächlich kooperierende Kanzleien, was auf eine Bewertungskorrektur in der Praxis hinweist sowie auf die Überschätzung vor allem von Kostensenkungspotenzialen a priori. Die Ergebnisse sind auch in Verbindung mit der Mehrheit loser Kooperationen ohne Vertrags- oder Beteiligungscharakter zu sehen. Weil zudem die Beschaffenheit einer Kanzleikooperation als konstituierend gesehen wird, hat die Untersuchung strukturelle und erfolgsbeeinflussende Faktoren von Kanzleikooperation mit einbezogen. Besonders die strategische Bedeutung, die der Zusammenarbeit von den Beteiligten beigemessen wird, ist danach ein unmittelbarer Einflussfaktor des Kooperationserfolgs. Überdies führt vorhandene Kooperationserfahrung ebenso wie strukturelle Kompatibilität zu strategisch bedeutsamerer und im Weiteren zu stärkerer Kooperationsbindung und Regulation. Den Ergebnissen zufolge haben weiche Einflussfaktoren hingegen vor allem eine Gatekeeper-Funktion beim Angang einer Kanzleikooperation und verlieren in der Betriebsphase stark an Bedeutung. Zudem verweisen die Resultate auf ein schlussendliches Abfärben erfolgreicher Kanzleizusammenarbeit auf den Kanzleierfolg.
Größenbezogene Handlungsempfehlung
Die Masse kleiner Kanzleien sowie diejenigen ohne klare Ausrichtung auf Branchen oder Spezialisierungen sollten über Kooperationsmodelle schon allein als strategische Sicherung nachdenken. Die von kleinen Kanzleien bevorzugten regionalen und formlosen Kanzleikooperationen sind nur dann interessant, wenn sie auf lange Sicht so verzahnt werden, dass Kanzleiabläufe verbessert und unmittelbare Ressourcenvorteile erreicht werden. Andernfalls ist die Kooperationsaktivität zu gering, um nennenswerte Synergien zu realisieren, sodass es bei losen Kooperationen regelmäßig bei einem Tanz um das Feuer bleibt, allerdings bei bestehenden (Abfluss-)Risiken. Da mittelgroße Kanzleien auf Wachstumsimpulse angewiesen sind, ist ein (kooperatives) Aufgehen in größeren Einheiten ein probates strategisches Mittel, um ein ausgewogenes Verhältnis zwischen synergetischen Potenzialen einerseits und Komplexität einer unternehmensübergreifenden Zusammenarbeit andererseits zu erreichen. Es empfiehlt sich für diese Gruppe eine bundesweit agierende Kanzleikooperation mit einer maßvollen Anzahl an Partnerkanzleien. Für Großkanzleien, die zum Teil bereits über mehrere Niederlassungen verfügen, stehen weniger der reine Ressourcenzugewinn oder die Kostenoptimierung im Vordergrund als vielmehr eine weiter gehende Marktabdeckung und die Skalierung von Produkten zur Topline-Verflechtung.
Ausblick
Die Entwicklung des Markts fordert mehr denn je eine Auseinandersetzung mit der eigenen betriebswirtschaftlichen Ausrichtung.
Die Marktentwicklung fordert mehr denn je eine Auseinandersetzung mit der eigenen betriebswirtschaftlichen Ausrichtung. Kanzleikooperationen sind in der Lage, diesen Bemühungen synergetische Nutzenpotenziale zuzuführen, um insbesondere die Ressourcenbeschränkung zu überwinden und Rationalisierungsvorteile zu realisieren. Insgesamt geben die Resultate deutliche Hinweise auf eine Vorteilhaftigkeit von Kanzleikooperationen, um die Wettbewerbsfähigkeit des Unternehmens Kanzlei zu stärken. Doch die existierenden Widersprüchlichkeiten von Kooperationen sind nicht durch eindeutige Antworten aufzulösen. So spiegelt sich in den Ergebnissen ebenso ein Autonomiestreben trotz aller Vorteile einer Zusammenarbeit. Doch profitiert der Kooperationserfolg gerade von einer intensiven Ausgestaltung der Zusammenarbeit und einem priorisierten Stellenwert in der Unternehmensstrategie. Dabei durchzieht ein starker Kanzleigrößeneffekt die Ergebnisse: Kleine Kanzleien weisen eine beinahe ausnahmslos geringere Kooperationsaktivität und -intensität auf als größere Wettbewerber. Dadurch machen gerade diejenigen Marktteilnehmer am wenigsten Gebrauch von den strategischen Chancen einer Kanzleikooperation, die in besonderem Maße davon profitieren könnten. Bis dato sind Kanzleikooperationen ein überwiegend exploratives Feld, in dem sich Beratungs- und Prüfungskanzleien in den meisten Fällen noch wenig systematisch und mit geringer Priorisierung bewegen. Kanzleien vermeiden bisher noch die mit Kooperationen einhergehenden Risiken, statt sich auf die Realisierung der Potenziale zu konzentrieren. Unstreitig ist, dass der Wettbewerbsdruck weiter zunehmen wird. Geraten Unternehmenskooperationen dereinst stärker in den Fokus der Unternehmensstrategie, wird die Intensität von Kanzleikooperationen zunehmen. Die meisten Mechanismen, die zu einer erfolgreichen Kooperation führen, lassen sich ferner beeinflussen oder sind erlernbar. Es ist mit einiger Sicherheit davon auszugehen, dass der steuerberatende und wirtschaftsprüfende Beruf in zehn bis 20 Jahren auch dahin gehend ein in vielen Bereichen deutlich anderer sein wird als heute.
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Stephan Wollgartens Dissertation ist auch als Buch erschienen. In Zusammenarbeit mit Prof. Dr. Rüdiger von Nitzsch hat er in der Zeitschrift „Der Betrieb“ auch einen Aufsatz zum selben Thema veröffentlicht (Der Betrieb vom 05.06.2015, S. 1297 ff.).
Lockerer aufbereitet ist das Thema im Blogbeitrag von Claas Beckmann unter steuerkoepfe.clabeck.de.