Gut vorbereitet - 21. Dezember 2020

Gewinner in der Krise

Die andauernde Corona-Pandemie hat nicht nur viele Unternehmen getroffen, sondern auch so manche Freiberuflerkanzlei in Mitleidenschaft gezogen. Zum Glück hatten wir schon Jahre zuvor alle notwendigen Schritte zu einer digitalen Steuerberatungskanzlei vollzogen, sodass uns das Covid-19-Virus kaum beeinträchtigte. Ein Erfahrungsbericht.

Das Wort Digitalisierung kann kaum noch jemand hören, es ist inflationär verwendet worden, ja fast schon abgedroschen. Und tatsächlich ist auch niemand gezwungen, sich komplett digital aufzustellen, aber die Möglichkeit gewinnt zunehmend an Bedeutung. Kein vernünftiger Mensch wird das bezweifeln. Nicht wenige Kollegen, so glaube ich, scheuen womöglich aber immer noch den vermeintlichen Aufwand, der damit verbunden ist, ganze Teams zu schulen oder gegebenenfalls völlig neu aufzustellen. Den Schritt zur digitalen Kanzlei werden einige Berater vor allem also auch wegen der damit verbundenen Kosten immer wieder vor sich herschieben. Diesen Kollegen sei gesagt, dass auch wir diese Schritte gehen mussten, was sich letztendlich mehr als gelohnt hat. Inzwischen haben wir unsere Kanzlei sowohl intern als auch für unsere externen Kontakte so ausgestaltet, dass wir vollkommen ortsunabhängig arbeiten können, wenn wir das wollen.

Eingang und Ausgang der Post

Begonnen hatten wir damit, den Postverlauf zu digitalisieren. Dies geschieht nun zentral in unserem Sekretariat. Alle Belege, Bescheide oder Briefe werden im Dokumenten-Management-System (DMS) der DATEV abgelegt. Das Besondere dabei ist, dass wir einen eigenen Filter entwickelt haben, um Dokumente entsprechend ihrem Alter beziehungsweise ihrer Historie selektieren zu können. So geht nichts verloren. Der Postausgang wiederum ist bei uns so angelegt, dass wir auf unseren eigenen digitalen Briefbögen unterschreiben, die Dokumente – Anschreiben oder Bescheide etwa – miteinander verknüpfen und mit einem Mandanten-Login auf unserer Homepage zur Verfügung stellen. Damit umgehen wir vollends einen papiergebundenen Postverlauf.

Digital unterschreiben

Ein weiteres Ziel von uns war, aus dem Homeoffice heraus unterschreiben zu können. Dafür haben wir mit unserem Partner ASP Signier-Pads in den Workflow der Kanzlei implementiert. Nun können unsere Berater aus dem Homeoffice heraus oder in der Kanzlei beziehungsweise von einem x-beliebigen anderen Ort aus auf dem Signier-Pad unterschreiben. Gleiches gilt für unsere Mandanten, die im Besprechungszimmer, im Sekretariat unserer Kanzlei oder irgendwo anders auf der Welt gegenzeichnen können. Dazu verschicken wir entweder an uns selbst – wenn wir unterwegs sind und es mal schnell gehen muss – oder an die Mandanten Links über ein Online-Portal, die nach dem Öffnen ein Unterschriftenfeld auf einem x-beliebigen Touchscreen anzeigen. Dort kann man dann mit einem Stift oder dem Finger problemlos unterschreiben. Bekannt ist dieses Verfahren schon länger, man denke an Pakete, die man an der Tür entgegennimmt und beim Zusteller den Empfang quittieren muss.

Bescheide prüfen

Eingehende Bescheide werden nach dem Posteingang sofort digitalisiert und anschließend mit der automatischen Bescheidprüfung der DATEV (Post, Fristen, Bescheide) verglichen. Auf diese Weise bekommt man einen schnellen Überblick darüber, bei welchen Bescheiden überhaupt Abweichungen bestehen. Es ist nicht notwendig, extra noch ein Steuerprogramm zu öffnen. Alle Bescheide werden vom zuständigen Mitarbeiter digital gestempelt und danach weiter per Mandanten-Login über unsere Homepage mit dem Anschreiben verschickt.

Teamorganisation und Teamchats

Für ortsunabhängiges Arbeiten benötigt man zudem noch ein Programm, das einem erlaubt, miteinander zu kommunizieren, Aufgaben zu verteilen und diese dann auch zu kontrollieren. Hierfür haben wir mehrere Tools erprobt und uns schließlich für ein Programm entschieden. Es bietet uns die Vorteile, unsere Teams nun online führen zu können und definitiv keine Aufgaben mehr zu vergessen. Dafür haben wir eigene Räume in dem Programm definiert und den Kanzleiablauf so abgestimmt, dass zu gewissen Uhrzeiten alle Aufgaben abgearbeitet sein müssen. Nach einigen Monaten intensiver Nacharbeit hatten wir das Programm so verinnerlicht, dass wir nicht mehr von der Technik getrieben wurden, sondern diese vielmehr so nutzen, dass sie uns dienlich ist. Ich kann anderen Beratern nur empfehlen, auf diesen Punkt einen speziellen Wert zu legen. Digitalisierte Prozesse bringen nur dann etwas, wenn man am Ende wirklich schneller arbeiten kann.

Stammdaten online übermitteln

Wir haben viele gleichlaufende Abläufe in der Kanzlei, die jedoch stark weiterentwickelt werden. Bei Mandaten, die online mit uns kommunizieren, verwenden wir zu Beginn des Mandats mittlerweile eine Art Katalog, der über 100 einzelne Punkte beinhaltet. Diese werden zudem von unterschiedlichen Mitarbeitern in zeitlicher Reihenfolge abgearbeitet. Wir nennen dies Boarding. Auf diese Weise legen wir das Mandat in einem Zug an: die Stammdaten, die Verträge, die Schnittstellen zu externen Buchhaltungsprogrammen, Ämter oder Login-Portale. Ohne ein derartiges Tool, welches das Boarding überwacht, hätten wir mittlerweile keine Chance mehr bei der von uns betreuten Mandantenstruktur.

Termine buchen

Zu bestimmten Terminarten, wie etwa einem Vorstellungs- oder Jahresabschlussgespräch, können wir an unsere Mandanten entweder Links verschicken, über die sich die Mandanten dann einen für sie passenden Termin aussuchen können. Oder wir nutzen dieses Tool intern, sodass sich unsere Angestellten Termine nach vorher definierten Abständen buchen können. Wir haben das seinerzeit als Experiment begonnen, mittlerweile aber ist das ein fester Bestandteil unserer Kanzleiprozesse. Bei diesem Vorgehen können – fast beiläufig – Informationen gesammelt werden, die wir vom Mandanten für den jeweiligen Termin benötigen: Worum geht es ihm, wann und wie kann man ihn – etwa für Rückfragen – erreichen? Zudem lässt sich definieren, in welchen zeitlichen Abständen und nach welcher Häufigkeit Termine gebucht werden sollten.

Videotelefonie und Screen Sharing

Um mit den Mandanten auch ortsunabhängig ein normales Abschlussgespräch führen zu können, haben wir unser Beratungsangebot mit Screen Sharing und Videotelefonie ergänzt. Eigens dafür haben wir Datenschützer beauftragt, um hier alle Lücken zu schließen. Somit sind wir in der Lage, das früher analoge Abschlussgespräch komplett online stattfinden zu lassen. Das hat für beide Seiten Vorteile: Man erspart sich Stau, Fahrt- und Wartezeit.

Digitale Buchhaltung

Seit einiger Zeit schon nehmen wir keine Papiermandate mehr an. Wir haben uns auf eine Art von Mandanten konzentriert, die ihre Unterlagen mit Tools, wie etwa FastBill, lexoffice, ­Taxdoo oder Amainvoice, einreichen. Der Vorteil dabei ist, dass die Unterlagen über eine digitale Schnittstelle zu uns kommen. Kein Papier mehr also. Ein weiterer Vorteil ist, dass die Mandanten über diese Tools in der Lage sind, einen ständigen Überblick über ihren tatsächlichen Gewinn zu haben. Die Tools rechnen den Gewinn automatisch aus, wenn alle Informationen wie Rechnungsein- und -ausgänge darüber laufen. Dadurch haben die Mandanten einen zeitlichen Vorteil, den wir ihnen nie bieten könnten. Gleiches gilt für Online-Händler. Ohne die beschriebenen Tools könnten wir diese Klientel gar nicht mehr buchen. Wir nutzen hierfür zum Beispiel Taxdoo und können somit Tausende von Ausgangsrechnungen per Knopfdruck verbuchen. An dieser Stelle sei noch mal darauf hingewiesen, dass solche Vorgänge regelmäßig zu kontrollieren sind. Ein blindes Einspielen von Daten hat nichts mit Automatisierung zu tun. Ein weiterer Vorteil ist, dass dies der Grundstein unserer papierlosen Kanzlei ist, da naturgemäß keine Ordner mehr eingereicht werden. Sämtliche Belege werden auf Knopfdruck einfach übertragen.

Lohnbuchhaltung

Und schließlich haben wir auch im Bereich Lohn den entscheidenden Schritt gemacht, indem wir einen Dienstleister auf unserer Homepage eingebunden haben, bei dem der Mandant die Stammdaten für Löhne hinterlegen kann. Wir werden hierüber per Mail informiert und erhalten eine Importdatei. Auf diese Weise können wir die Daten automatisch bei uns einspielen. Ein händisches Abtippen von eingereichten und leider zum Teil oft lückenhaften Listen entfällt damit vollends. 

Mehr dazu

finden Sie unter

Zum Autor

CD
Christian Deák

Steuerberater in eigener Kanzlei in Oberhausen.

Weitere Artikel des Autors