Nach wie vor spüren Steuerberater den Fachkräftemangel erheblich. René Kräußlich, Leiter Finanzen bei Polstermöbel Fischer, ist der Meinung, dass man bei der Suche nach personeller Verstärkung durchaus auch mal andere und mutigere Wege gehen sollte – er selbst ist ein perfektes Beispiel dafür, wie ein Quereinstieg erfolgreich gelingen kann.
Wie in vielen anderen Branchen, so suchen auch Steuerberatungskanzleien händeringend nach Personal. Laut KfW-ifo-Fachkräftebarometer aus dem zweiten Quartal 2024 sehen sich 71 Prozent der Unternehmen in der Steuer- und Rechtsberatung durch einen Fachkräftemangel in ihrer Geschäftstätigkeit behindert. Um aus dieser prekären Situation zu gelangen, gibt es nicht die eine, alles entscheidende Lösung. Vielmehr bieten sich verschiedene Wege an. Ein solcher ist es, Quereinsteigerinnen und Quereinsteigern eine Chance zu geben.
Geht es nach René Kräußlich, passiert jedoch genau das oftmals zu wenig. „Man verpasst, die möglichen Potenziale von Quereinsteigerinnen und Quereinsteigern zu nutzen, da man aufgrund negativer Erfahrungen dem Ganzen von Haus aus abgeneigt ist. Das ist sehr pauschalisierend.“ Schließlich geht es auch anders – wie sein eigenes Beispiel zeigt.
Neuanfang, Durchhaltevermögen und Perspektivenwechsel
Doch der Reihe nach. Nach einer abgeschlossenen Lehre, anschließend acht Jahren bei der Bundeswehr und einer Tätigkeit als Busfahrer ging Kräußlich mit 32 aufgrund eines Krankheitsfalls noch mal eine Umschulung an. Dabei begleiteten ihn eine gewisse Portion Ungewissheit und Fragen wie „Was willst du machen?“ oder „Wie stellst du dir das Leben vor?“. Schließlich entschied er sich für eine Ausbildung zum Steuerfachangestellten – ohne besondere Vorkenntnisse in diesem Bereich. Dennoch las er sich schnell in die neuen Themen ein und sog alles auf – ehe eine Hürde auf ihn wartete: „Laut damaliger Ausbildungsordnung mussten die zwei Jahre in einer Umschuleinrichtung mit drei Monaten Praktikum in einer Steuerberatungskanzlei gepaart werden, um zur Prüfung zugelassen zu werden. Viele Kanzleien im Landkreis und in Nachbarlandkreisen haben mit dem Vermerk abgesagt: ‚Wenn du ausgelernt hast, dann könntest du noch einmal anklopfen‘“, erinnert sich Kräußlich an die zermürbende Suche. Erst eine Kanzlei in eineinhalb Stunden Entfernung nahm ihn auf. „Und das nur, weil sonst keiner was anbietet? Das kann doch nicht sein“, ärgert sich der 45-Jährige heute noch darüber.
Er schloss die Ausbildung ab und fing danach in der Kanzlei an. Mit dem Resultat, dass er sich nach drei Monaten um Jahresabschlüsse kümmerte – und „zwar richtig mit Konsolidierung und Konzernabschluss mit verschiedenen Unternehmen“. In einer anschließenden Elternzeit bildete er sich – trotz hoher Durchfallquoten – zum Bilanzbuchhalter weiter, ehe er seine heutige Stelle als Leiter Finanzen bei Polstermöbel Fischer antrat. Nach wie vor profitiert er von seinen unterschiedlichen Tätigkeiten und seiner dabei gewonnenen Lebenserfahrung – beispielhaft seien hier die Corona-Hilfen erwähnt, als er viel Vorarbeit für den Steuerberater leisten konnte.
Und es sind genau diese Impulse, diese anderen Blickwinkel, die Quereinsteiger wie er geben können. „Und es muss ja nicht die Quereinsteigerin oder der Quereinsteiger per se sein. Es braucht diese motivierten Mitarbeiter, die in ihrem Leben vielleicht mehr erreichen und aufsteigen wollen. Die sagen, ich möchte auch vielleicht ganz woanders hin, und die sich intensiv damit befassen.“
Mehr Fokus auf praktische Leistungsfähigkeit
Doch häufig bekommen genau diese Personen laut Kräußlich erst gar nicht die Chance. Stattdessen wird ihm zufolge zu sehr auf Noten und den Lebenslauf geachtet: „Es ist klar, dass in manchen Bereichen bestimmte Fähigkeiten wie beispielsweise Deutsch- oder Mathekenntnisse nötig sind. Aber es sollte nicht nur auf die Note geschaut werden.“ Eine Eignung für den Beruf könnte man seiner Meinung nach auch mit einem Test prüfen, den interessierte Personen zu Hause für sich absolvieren können. „Jeder, der die Aufgaben beispielsweise in einer halben Stunde schafft, der kann sich erst mal grundsätzlich bewerben. Und wer es nicht schafft, der sollte sich überlegen, ob der Beruf tatsächlich was für ihn ist.“
Gerade in der Steuerberatung wird es gemäß Kräußlich oft so dargestellt, als habe man keine Zeit, sich um Quereinsteiger zu kümmern, und als koste es daneben nur Geld, da das eigene Personal in dieser Zeit gebunden ist. Aus seiner eigenen Erfahrung heraus braucht es aber viel weniger, denn vieles passiert im Learning by Doing. Es dürfe zu Beginn nur nicht zu sehr in die Tiefe gehen, da die Zusammenhänge noch gar nicht verstanden werden können. Stattdessen sei einfach mitlaufen und mitschwimmen angesagt. Sobald die grundsätzliche Eignung feststeht, könne man mehr Zeit investieren. „Und warum sollte eine Quereinsteigerin oder ein Quereinsteiger Mitte 20 weniger leisten können als jemand, der direkt nach der Schule die Ausbildung zur oder zum Steuerfachangestellten absolviert?“
Wertschätzung als Schlüssel
Kräußlich zieht an dieser Stelle noch einen anderen Vergleich: „Auch die Einführung digitaler Prozesse kostet zu Beginn Zeit und Personal – doch mit ihr kommen Arbeitszeiteffekte im positiven Sinne. Es braucht daher nur Mut, etwas Neues zu tun, und genau der fehlt überall immer wieder. Ich glaube, oftmals ist es die Angst davor zu scheitern.“ Dass er anders handelt, zeigt er am Beispiel eines Auszubildenden auf. „Er hatte ein Jahr lang nichts gefunden. Ich habe mir seine Bewerbung gar nicht großartig angesehen, denn ich habe mir gesagt: Jetzt muss ihm jemand einfach mal eine Chance geben – das kann es einfach nicht sein. Wenn man vom Fachkräftemangel redet, muss man den Leuten auch eine Chance geben. Und ohne Mut, dies zu tun, schaut man irgendwann in die Röhre“, ist der 45-Jährige überzeugt.
Um den Engpass an Fachkräften zu lindern, braucht es aber noch mehr. Dazu müsste man laut Kräußlich das Problem an der Wurzel packen – und zwar in den Schulen. Dort sollte mehr Werbung für den Beruf der oder des Steuerfachangestellten gemacht werden. Schließlich sei ein Bestehen der anspruchsvollen Ausbildung Grund genug, sich auf die Schulter zu klopfen, noch dazu könne man in diesem Beruf auch gut verdienen. Und durch Weiterbildungen stünden viele Türen offen – sei es als Bilanzbuchhalter oder als Steuerberater.
Ein entscheidendes Kriterium für Kräußlich ist dabei Wertschätzung und vor allem das Thema Gehalt. „Viele Steuerberaterinnen oder Steuerberater scheinen noch nicht ganz verstanden zu haben, dass es ja im Endeffekt um ihre Kanzlei geht. Sie denken vielmehr darüber nach, welche Ausgaben der Mitarbeiter erzeugt. Aber das ist die falsche Herangehensweise. Stattdessen sollten sie sich selbst hinterfragen: Würde ich auch bei diesen Bedingungen gerne arbeiten? Ansonsten steht man wieder ohne Mitarbeiter da und muss alles selbst machen.“ Anschließend bekäme man häufig zu hören, dass es ja nicht anders gehe – aber das lässt Kräußlich nicht gelten: „Das mag schon sein. Aber es geht nur nicht anders, weil man keine Mitarbeiter hat, die vernünftig bezahlt werden. Das ist eine Sache, die man immer im Kopf behalten muss. Und ich glaube, das machen viele nicht. Zuerst wurde zum Teil die Digitalisierung verschlafen – und der Fehler wiederholt sich bei den Mitarbeitern.“
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