Arbeitsabläufe in der Kanzlei - 29. April 2021

Effizient beantworten

Die Digitalisierung sorgt nicht nur dafür, dass der klassische Pendelordner und die typischen Notizblöcke verschwinden, sondern dass auch zusätzliche Arbeitsfelder entstehen.

Der Einsatz verschiedener neuer Tools sorgt bei vielen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern häufig für Verwirrung. Dadurch gehen wertvolle Zeit und Motivation verloren. Wie gefährlich das sein kann, wurde bereits in dem Beitrag Wenn das Personal nicht mitzieht (DATEV magazin, 01/2020, Seite 34) beschrieben. Und so zeigt der Tagesablauf in einer modernen Kanzlei deutlich, dass die Digitalisierung zwangsweise noch eine weitere Aufgabe mit sich bringt: alle Arbeitsabläufe über ein internes Qualitätsmanagement sichtbar machen.

Sichtbarkeit der Kanzleiprozesse

Gerade wenn neue Mitarbeiter eingearbeitet werden, wird der Zeitverlust deutlich. Die Mitarbeiter stoßen nicht nur schnell psychisch an ihre Grenzen und fühlen sich überfordert, sondern befragen die Kollegen, damit sie selbst weiterkommen. Daher stellt ein kanzleiinternes Qualitätsmanagement ein absolutes Muss dar, einmal bei der Einarbeitung von neuen Mitarbeitern und zum anderen, um ein tägliches Suchen nach Programmen und Vorgängen zu vermeiden.

Eigenes Wiki

Vor allem in den ersten Monaten geht sehr viel Zeit in der Kanzlei verloren, wenn neue Mitarbeiter eingearbeitet werden müssen. Je digitaler die Kanzlei arbeitet, umso länger dauert dieser Vorgang beziehungsweise umso schwieriger ist es für den potenziellen neuen Mitarbeiter. Gerade in der heutigen Zeit ist aber jede Arbeitskraft wertvoll mit Blick auf den Fachkräftemangel in unserer Branche. Das bedeutet, dass man sich noch mehr Mühe geben muss, den neuen Mitarbeitern einen sanften Übergang in die neue digitale Welt zu ermöglichen. Wir haben dieses Problem gelöst, indem wir ein eigenes Wiki in unserer Kanzlei aufgebaut haben. In diesem Wiki erklären wir alle Arbeitsvorgänge sowohl verbal als auch grafisch aufbereitet sowie mit Videos unterstützt. Auf diese Weise kann sich jeder Mitarbeiter selbst helfen. Ziel soll aber nicht sein, dass die Mitarbeiter nicht mehr mit ihren Kollegen reden, sondern dass die Prozesse, die nicht oft ausgeführt werden, vereinheitlicht sind und nicht in Vergessenheit geraten.

Ein Bild sagt mehr als tausend Worte

Unserer Erfahrung nach ist die Verbalisierung derartiger Vorgänge nur der Anfang. Die Erweiterung mit Bildern und Grafiken stellt eine absolute Notwendigkeit dar. Am besten funktionieren das Erklären von Programmen sowie das Zusammenspiel verschiedener Tools jedoch mit Videos. Denn sobald man mit zwei Bildschirmen arbeitet, kann man auf dem einen Monitor das Video anschauen und auf dem anderen Bildschirm direkt versuchen, die Erläuterungen umzusetzen. Einige Tools erlauben es auch, dass parallel zum eigenen Bildschirm noch ein Fenster mit dem Dozenten läuft, was den Eindruck einer Live-Schulung erweckt. Die Kosten für solche Programme sind zwar relativ niedrig (circa 200 bis 300 Euro pro Lizenz), jedoch darf man den Arbeitseinsatz nicht unterschätzen. Solche Lernvideos zu erstellen, zu korrigieren, zu schneiden und online zu stellen, ist nicht ganz preiswert. Der Vorteil liegt aber klar auf der Hand: Sobald diese Videos einmal erstellt sind, können sie konserviert werden. Wiederkehrende Vorgänge müssen also nur noch einmal erklärt werden. Zudem merkt man recht schnell, dass man sich beim Erstellen eines Videos sehr viel Mühe gibt, auch alle Details mitzunehmen, wodurch die Erklärungen häufig besser sind, als wenn sie rein verbal in der Kanzlei weitergegeben werden.

Mandanten einbinden

Relativ schnell haben wir erkannt, dass derartige Videos auch für unsere Mandanten von Nutzen sind. Ein Beispiel ist etwa, wie der Mandant Unternehmen online einrichten kann oder Unterlagen an die Kanzlei übermitteln sollte beziehungsweise wie die Programme für den Dokumentenaustausch funktionieren. Letztendlich sind diese internen Prozesse also nicht nur für die eigenen Mitarbeiter, sondern auch die Mandantschaft zugleich anwendbar.

Investitionskosten

Sicher ist, dass es keinen Mitarbeiter gibt, der in allen Tools und Programmen ausgebildet worden ist. Die meisten haben sogar noch mit dem Pendelordner und den typischen, steuerspezifischen Programmen gelernt. Man kann sich der Thematik daher nicht entziehen, denn die Fülle an Programmen wird immer größer. Daher führt kein Weg daran vorbei, sich notgedrungen mit Qualitätsmanagement und zu vereinheitlichenden Arbeitsprozessen zu befassen, damit man eine Grundlage hat, darüber ein Lernvideo zu erstellen, dieses zu konservieren und allen neuen Mitarbeitern zugänglich zu machen. Geht man davon aus, dass dafür zwei Mitarbeiter jeweils zwei Monate eingesetzt werden müssen, wird der Aufwand relativ schnell deutlich. Ausgehend von einem Bruttogehalt in Höhe von 3.000 Euro sowie einem Sollumsatz in Höhe von 9.000 Euro, den der Mitarbeiter im Monat erwirtschaften soll (Sollumsatz pro Stunde bei 160 Stunden: 56,25 Euro), sowie der Annahme, dass man für das Erstellen des Qualitätsmanagements beziehungsweise der Lernvideos zwei Monate benötigt, betragen die Opportunitätskosten 18.000 Euro. Demgegenüber stehen die Einsparpotenziale für die Einarbeitungszeit eines neuen Mitarbeiters (sechs Monate):

1. Monat: 15,0 Stunden pro Woche
2. Monat: 12,5 Stunden pro Woche
3. Monat: 10,0 Stunden pro Woche
4. Monat: 7,5 Stunden pro Woche
5. Monat: 5,0 Stunden pro Woche
6. Monat: 2,5 Stunden pro Woche

Bei insgesamt 210 Stunden (= 11.812,50 Euro) für die reine Einarbeitung neuer Mitarbeiter werden sich die Kosten für ein kanzleiinternes Qualitätsmanagement bereits ab dem zweiten neuen Mitarbeiter amortisieren. Aber hinzu kommen noch mehr Einsparpotenziale.

Potenziale erkennen und nutzen

Je mehr Programme im Einsatz sind, desto mehr an reiner Organisationszeit der Mitarbeiter entsteht. Meiner Erfahrung nach kann man davon ausgehen, dass jeder Mitarbeiter mindestens 30 Minuten am Tag nur nach etwas sucht. Auch hier können ein Qualitätsmanagement sowie eine Visualisierung der Arbeitsprozesse helfen. Die Mitarbeiter müssen dann natürlich geschult werden, in diesen Programmen auch nach Antworten suchen zu können. Daher sind regelmäßige Meetings notwendig, um die Mitarbeiter zu sensibilisieren. Basierend auf den voranstehenden Annahmen ergibt sich die nachfolgende Berechnung: 0,5 Stunden am Tag und 20 Tage im Monat bedeuten pauschal, dass 560,25 Euro pro Mitarbeiter und Monat verloren gehen. Bei zehn Mitarbeitern sind das bereits 5.602,50 Euro pro Monat und demnach 67.230 Euro pro Jahr. Auf diese Weise wird sehr deutlich, dass hier ein großes Einsparpotenzial vergeudet würde, verzichtete man auf ein Visualisieren und Schulen. Denn die Opportunitätskosten, die durch das kanzleieigene Qualitätsmanagement entstehen (18.000 Euro zuzüglich der Programmkosten des internen Wikis) amortisieren sich auf diese Weise ganz schnell.

Kanzleiweites Dashboard

Zusätzlich zum Wiki nutzen wir ein kanzleiweites Dashboard. Hier sind alle Programme gelistet, die unsere Kanzlei nutzt. Der Vorteil dabei ist, dass man sich intuitiv zurechtfindet und sämtliche Passwörter automatisiert abgespeichert werden. Auch das erspart Suchen, und damit viel Aufwand. Dieses Tool haben wir extern bezogen, auf unsere Bedürfnisse umprogrammieren lassen und am Ende mit eigenen Inhalten gefüllt. Ich kann ein derartiges Tool nur empfehlen. Man merkt jedoch deutlich, dass im Rahmen der Digitalisierung Prozesse entstehen, die man zu Beginn nicht sieht. Daher sollte man wissen, dass die digitale Reise mit dem Einspielen von Schnittstellen nur beginnt, denn die Digitalisierung der Kanzleiabläufe endet wahrscheinlich nie.

Mehr dazu

Fachbuch: „Go digital: Neues Denken in der Kanzleiführung“, www.datev.de/shop/35421

Qualitätsmanagement & Internes Audit unter www.datev.de/consulting

Zum Autor

CD
Christian Deák

Steuerberater in eigener Kanzlei in Oberhausen.

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