NUEWW 2017: Digitaler Nachlass - 26. Juni 2017

Was bleibt online, wenn wir gehen?

58 Millionen Deutsche nutzen das Internet laut einer ARD/ZDF-Onlinestudie. Jeder weiß, dass er dabei Spuren hinterlässt. Facebook-Profil, E-Mail-Konto oder Video-on-demand. Wer erbt unsere Daten, wenn uns plötzlich etwas passiert? Und wie finden unsere Hinterbliebenen heraus, wo sie suchen müssen?

In unserer Blog-Reihe zur Nürnberg Web Week stellen wir Ihnen einige der Themen vor, die in den über 100 Events der Web Week die digitale Szene beschäftigen.

Den Sommerurlaub ans Mittelmeer buchen Sie auf einer Reiseplattform im Internet, die Rechnung erhalten Sie per E-Mail, ihre Urlaubsgrüße verschicken Sie per Whatsapp, Fotos von Palmen, Meer und Cocktails an der Strandbar speichern Sie auf der Festplatte, teilen die schönsten auf Facebook mit Ihren Freunden oder schreiben einen Reiseblog. Wir sammeln während eines Urlaubs viele Daten an, noch mehr sind es in unserem gesamten Leben. Gedanken darüber, was mit unseren Daten passiert, wenn wir sterben, machen sich die wenigstens. Doch tot bedeutet nicht automatisch offline. Wer kümmert sich um unser digitales Erbe, d.h. alles, was wir auf dem Computer und im Internet hinterlassen?

Aktuell ist der digitale Nachlass noch rechtliches Neuland. Der Gesetzgeber hat dazu nichts festgelegt. Im Telemediengesetz, sozusagen das Internetrecht, wird der Tod eines Nutzers noch nicht betrachtet. Sicher ist, dass die Erben, genauso wie im echten Leben, geldwerte Dinge erben. Also, die Verpflichtung, sich um laufende Kosten und Verträge zu kümmern. Dazu zählen Video-on-demand-Dienste, Web-Domains, Online-Shops, Bitcoins, aber auch Partnerbörsen und Spieleplattformen.

Digitales Chaos vermeiden

Über die Jahre kommt viel zusammen – und genau hier liegt die Krux: Wenn es schon zu Lebzeiten schwer ist, einen Überblick über alle Konten, Lizenzen und Verträge zu behalten, wie sollen das erst Hinterbliebene bewerkstelligen, die weder das Passwort zum zentralen E-Mail-Account kennen, noch überhaupt irgendetwas über digitale Aktivitäten?

Es kommt, wie es kommen muss. Die online abgeschlossenen Verträge laufen weiter, die Rechnungen landen in einem verwaisten E-Mail-Postfach. Erst wenn die Mahnungen per Post reinflattern oder der Gerichtsvollzieher vor der Tür steht, erfahren die Hinterbliebenen von Ihrem digitalen Erbe – und müssen zahlen.

Laut einer Umfrage des Digitalverbands Bitkom steht das in Zukunft Vielen bevor: Neun von zehn Internetnutzern gaben an, keinen digitalen Nachlass zu haben. Obwohl acht von zehn Befragten ihren digitalen Nachlass gerne regeln würden, jedoch nicht wissen wie.

Sorgen Sie vor

Der erste Schritt: Reden Sie mit Ihren Familienangehörigen über ihr digitales Leben. Fragen Sie Ihre Eltern oder Kinder, welche Accounts und Online-Verträge sie haben. Noch besser ist es, einen digitalen Nachlass zu erstellen. Auf Papier, in Word, als Excel-Tabelle oder in einer verschlüsselten Datenbank im Internet. Er enthält eine Übersicht aller digitalen Daten, um die sich Ihre Erben oder Ihr Nachlassverwalter nach Ihrem Tod kümmern sollen. Damit können Sie ein späteres digitales Chaos und überraschende Kosten für Ihre Hinterbliebenen vermeiden.

Kommerzielle Anbieter

Es gibt inzwischen kommerzielle Anbieter und Bestatter, die die digitale Vorsorge oder Nachsorge betreuen. Bei der Vorsorge hinterlegt der Erblasser alle notwendigen Daten in einer Datenbank, gibt Wünsche und Erben an. Die Angaben können jederzeit aktualisiert werden. Da die Vorsorge-Anbieter meist Start-ups sind, stellt sich allerdings die Frage, ob sie nicht vor dem Ableben Ihrer Kunden schon wieder verschwunden sind.

Nachsorge-Anbieter kommen nach dem Tod ins Spiel. Sie suchen im Auftrag der Erben nach Online-Verträgen, die mit dem Klarnamen und der Adresse des Verstorbenen abgeschlossen wurden. Alles, was mit Pseudonymen ausgestattet ist oder kein geldwertes digitales Erbe ist, bleibt jedoch im Netz oder auf Datenträgern verschollen.

Verbraucherzentralen empfehlen

Die Verbraucherzentralen empfehlen daher selbst einen Nachlass zu verfassen. Handschriftlich, datiert und mit Unterschrift. Darin schreiben Sie, dass es sich um eine „Vollmacht über den Tod hinaus“ für einen oder mehrere Nachlassverwalter handelt und listen alle wichtigen Konten, Verträge und Lizenzen. Speichern Sie diese Liste auf einem verschlüsselten USB-Stick. Sie können auch beginnen einen Passwortmanager zu nutzen. Damit sind Ihre Passwörter wie in einem Tresor geschützt. Das Master-Passwort notieren Sie in Ihrem Nachlass, damit haben Ihre Erben Zugang zu all Ihren Konten.

How-to: Digitaler Nachlass

Digitales Tagebuch

Mit einem digitalen Tagebuch bringen Sie Ordnung in Ihr Digitalleben. Sie finden heraus, welche Dienste Sie häufig nutzen und auf jeden Fall abgewickelt werden müssen.

Führen Sie zwei Wochen lang ein digitales Tagebuch. Notieren Sie, welche Endgeräte, E-Mail-Konten, Online-Shops und Apps Sie in dieser Zeit benutzen. Wem schreiben Sie regelmäßig E-Mails? Erhalten Sie Rechnungen per E-Mail oder verwenden Sie Cloud-Dienste wie Dropbox? Schreiben Sie Beiträge in Foren, wie z.B. der DATEV-Community oder spielen Sie Online-Spiele? Vergessen Sie nicht, Ihren Benutzernamen und Ihr Passwort aufzuschreiben.

Was soll übrig bleiben?

Nachdem Sie wissen, was Sie digital zurücklassen, geht es an die eigentliche Vorsorge. Was möchten Sie hinterlassen? Soll Ihr Facebook-Konto gelöscht oder in einen Trauermodus gestellt werden? Dann können Freunde und Bekannte einige Zeilen wie in einem Trauerbuch hinterlassen. Wenn Sie einen Blog schreiben, was soll mit ihm passieren? Gibt es Fotos auf Ihrer Festplatte, die Kinder oder Eltern nicht sehen sollen? Möchten Sie, dass Ihre Facebook-Freunde, Instagram-Follower oder Community-Mitglieder über Ihren Tod informiert werden? Diese und ähnliche Fragen sollten Sie sich stellen und beantworten.

Nachlass sicher verwahren

Inzwischen gibt es einige Dienstleister, die sich um die Vorsorge und Verwaltung eines digitalen Nachlasses kümmern. Wenn Sie keinem Dritten Ihre Daten anvertrauen möchten, können Sie alles handschriftlich erfassen oder Sie speichern eine Liste aller Konten und Passwörter auf einem verschlüsselten USB-Stick. Das empfehlen auch die Verbraucherzentralen.

Mehr zum Thema

Hinter dem Infoportal digital.danach stehen Sabine Landes und Dennis Schmolk. Sie beschäftigen sich seit Mitte 2015 mit den Themen digitaler Nachlass und Online-Trauerkultur. Bei der Nürnberger Web Week 2017 hielten sie den Workshop „Digitaler Nachlass – für immer online?“, der der Anstoß für diesen Blogbeitrag war.

Zur Autorin

Julia Wieland

Redaktion DATEV magazin

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