Comic-Künstler Schwarwel im Interview - 25. Mai 2018

Von Schweinevogel und Seelenfresser

Illustrator und Zeichenkünstler Schwarwel wird am 2. Juni 2018 auf dem Internationalen Comic Salon Erlangen zwei exklusive Workshops für DATEV leiten. Wir haben uns mit ihm vorab über seine Sicht auf die aktuelle Comic-Szene, Krativität und Comic Kunst in der DDR unterhalten.

Schwarwel, wie würdest Du selbst deinen Comic-Stil bezeichnen?

Eigentlich hoffe ich, dass ich keinen Schwarwel–Stil habe, da ich stets versuche, die Geschichten zeichnerisch so umzusetzen, wie ich es als am Besten passend empfinde. Meine Figur Schweinevogel bspw. ist ein klassischer Funny mit großen Augen, dicker Nase etc., wohingegen meine Graphic Novel Seelenfresser in einem sehr realistischen, klaren Stil gehalten ist. Das gilt dann auch für die Farbgebungen – von klatschbunt bis pastellig mache ich alles gern, wenn es der Stimmung im Bild zuträglich ist.

Wie kamst Du zum Comiczeichnen?

Mit fünf oder sechs Jahren habe ich meine ersten DDR-Bildgeschichten und Westcomics bekommen – und bereits von da an wollte ich auch so etwas machen. Da Comics in der DDR als zersetzend und westlich geprägt galten, gab es leider keine Comic-Kurse, weshalb ich zu allen anderen Zeichenkursen in Pionierhäusern und im Kosmonautenklub gegangen bin, um Zeichnen zu lernen. Scheint ja geklappt zu haben.

Welche Ausbildung hast du?

Gelernt habe ich den Fachberuf des Dachdeckers, weil ich als unbequemer Schüler nicht für das Abitur und damit nicht für ein Kunststudium zugelassen wurde. Neben der Dachdeckerausbildung habe ich jedoch Abendkurse an der Hochschule für Grafik und Buchkunst belegt, die man unter der Hand auch ohne Studienantrag besuchen konnte. Nach Abschluss der Lehre habe ich dann als Praktikant an den Leipziger Theaterwerkstätten im Malsaal als Kulissenmaler für die Oper, die Musikalische Komödie und das Schauspielhaus gearbeitet. Als dann nach zwei Jahren der Intendant wechselte, mussten wir Praktikanten auch gehen, so dass ich danach tagsüber als Essenfahrer für die Volkssolidarität gejobbt habe, um abends mit meiner Band unterwegs zu sein.

Auf welches Deiner Werke bist du besonders stolz?

„Stolz“ gehört jetzt nicht so in meine Gefühlswelt, aber es gibt natürlich viele Sachen, die ich durchaus für gelungen und herzeigbar erachte. Seelenfresser, Schweinevogel und viele unserer Trickfilme sind zum Großteil so geworden, wie ich mir das vorgestellt habe. Dabei habe ich meist im Hinterkopf, unter welchen Umständen und in welchen Lebenslagen die Sachen entstanden sind, das trübt sicher den objektiven Blick.

Wie würdest du die aktuelle Comic-Szene beschreiben? Welche Trends gibt es?

Einen echten Trend kann ich momentan nicht wirklich entdecken, jedoch hilft es der Szene und dem Comic als Medium auf jeden Fall, dass seit ein paar Jahren die Marvel- und DC-Filme mit Batman, Hulk und Thor ein großes Publikum auf Comicthemen lenken und dabei nicht so albern und kindisch daherkommen wie die Sachen aus den 1970er- und 1980er- Jahren. Daneben ist die Manga- und Anime-Szene ziemlich rege und ich liebe es, die ganzen verkleideten Cosplay-Leute auf Messen und vor allem im Stadtbild zu sehen.

 Du hast (fast) alle Grafiken für die Ärzte gezeichnet und mit Bela B einen Comic Verlag gegründet; wie kam es dazu?

Nach dem Mauerfall bin ich mit meiner damaligen Freundin nach Berlin gezogen und ich habe Herrn Felsenheimer beim Geldabheben in der Sparkasse am Nollendorfplatz getroffen. Er kannte meinen neuesten Comic, da er mit seiner damaligen Band Depp Jones gerade mit meiner ex-Band Tishvaising irgendwo zusammen aufgetreten war und dabei vom Gitarristen das Heft bekam. Es schien ihm gefallen zu haben. So kam das.

Wie kommst du auf deine kreativen Ideen?

Schwer zu sagen. Es gibt ein Thema, eine Aufgabe, eine Deadline. Und es gibt eine Vorstellung, was es werden soll: ein Cartoon, eine Illustration, ein Trickfilmvideo … Der Rest ergibt sich dann irgendwie ganz logisch und es ist mir in diesen Momenten vollkommen klar, wie das Ergebnis aussehen soll. Das heißt, ich arbeite ab da nur auf die visuelle Umsetzung der Vorstellung in meinem Kopf hin.

Welchen Auftrag haben Comics/Graphic Novels für Dich?

Per se sind Comic, Manga und Graphic Novel ja eigentlich nur Begriffe für Kunstgattungen wie Film, Theater oder Musik. Das kann also mit allen Inhalten und Werten befüllt werden. Mir persönlich sind Sachen mit einer aufklärerischen, kritischen Note das Liebste – solange sie nicht langweilig oder moralinversäuert sind. Durch Hefte wie Asterix oder Lucky Luke habe ich als Knirps viel Allgemeinwissen aufgesogen, das ich dann durch Blättern im Lexikon oder mit Fachbüchern vertieft habe. So etwas versuche ich auch immer in meinen Sachen mit unterzubringen. Dabei sollte bestenfalls nicht geurteilt, sondern nur gut beobachtet und wiedergegeben werden, sodass der Leser sich da seinen eigenen Reim drauf machen kann. Comics sind für derartiges gut geschaffen, weil sie mit ihrer Doppelebene aus Bild und Text und der zusätzlichen Erzählebene Zeit filmisch erzählen können, ohne wie auf der Leinwand alles zeigen zu müssen. Mit Andeutungen kommt man als Comicautor oftmals viel weiter als mit einem detailreich ausgefuddelten Wimmelbild.

Welche Comics liegen denn aktuell bei Dir zu Hause herum?

Das dicke Lucky-Luke-Jubiläumsbuch mit vielen herrlich hingehauchten Bleistift-Skizzen und Making-Of-Sachen von Morris, den ich sehr verehre. Watchmen von Alan Moore und Dave Gibbons als Graphic Novel, Bildband oder Making-Of liegt eigentlich immer auf dem Durchblätterstapel, weil die Form der Erzählung nach wie vor gigantisch ist. Parasyte von Hitoshi Iwaaki ist ein sehr schöner Coming-of-age-Manga in Form eines skurrilen Horror/Comedy-Mixes, der mich teilweise auch zu Seelenfresser inspiriert hat, als ich vor etlichen Jahren die ersten Bände davon in Englisch zu lesen bekam. Aber ganz ehrlich: Meine Comic-, Bücher- und DVD-Stapel wachsen ständig unsere Treppe ins Obergeschoss hinauf, während die Sachen darauf warten, mal eingehender von mir betrachtet und gelesen zu werden. Dieses Papiergebirge heißt deshalb einfach nur der Turm der Schande.

Wie kam es zum „Glücklichen Montag„?

Weil wir es wirklich leid waren, dass der Montag in Verbindung mit Arbeit so oft und klischeehaft schlecht geredet wird. Unsere Arbeit macht uns Spaß, auch wenns da natürlich wie überall nervige Tätigkeiten gibt, ohne die das Leben sicher schöner wäre – aber das haben wir uns ja alles selbst ausgesucht und ohne Regen gäbs keine Regenbögen …

Was liebst und was magst du an deinem Job gar nicht?

Die freie Planungsphase ist natürlich das Schönste, alle Ideen haben Raum und können irgendwie wachsen – Zeitrahmen und Budget geben dann die Koordinaten, wo es letztlich reinpassen muss. Aber auch da bleibt es spannend zu sehen, wie viel man da noch reinpacken kann. Das Schlimmste ist dann immer die Deadline, weil es noch so viel Detailarbeit gibt, die noch möglich wäre, wenn man mehr Zeit hätte … aber ohne Deadline liefe ich auch Gefahr, nie mit etwas fertig zu werden, weil man irgendwann anfängt, die Sachen zu verschlimmbessern. Es ist also gut so, wie es ist.

Comics sind für dich eine wichtige Kunstform, weil …

… sie durch ihre einzigartige Erzählform der Text-Bild-Kombination komplizierte Sachverhalte und schwierige Themen mit einfach scheinenden Mitteln emotional aufgeladen vermitteln können, ohne den Leser seiner eigenen Fantasie zu berauben.

Zur Autorin

Astrid Schmitt

Redaktion DATEV magazin

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