Ehrendes Gedenken - 23. Februar 2023

Pionier, Vordenker, Visionär

Geschichte wiederholt sich: Fachkräftemangel, Inflation und mangelnder Digitalisierungsgeist. Doch es gibt für jedes Problem eine Lösung und manchmal auch die richtige Person zur richtigen Zeit mit der richtigen Idee. Was würde Dr. Heinz Sebiger tun? Am 9. März 2023 jährt sich sein Geburtstag zum 100. Mal.

Heinz Sebiger kommt in einem Jahr zur Welt, in dem sich die Geschichte selbst überholen wird: Die junge Weimarer Republik sah sich durch zahlreiche links- und rechtsextremistische Putschversuche in ihrer Existenz bedroht; hinzu kamen Reparationszahlungen, die zu einer Hyperinflation und daraus folgend zu einer Rezession führten. All dem voran steht damals Reichskanzler Gustav Stresemann. „Liberal ist, wer die Zeichen der Zeit erkennt und danach handelt“, sagte dieser. Fast wirkt es so, als hätte der damalige Zeitgeist Dr. Heinz Sebiger zu dem Visionär werden lassen, der er 93 Jahre lang war. Heinz Sebiger war ein Kind seiner Zeit, ein Pionier, ein Vordenker. „Mein Hirn war meine Waffe“, fasste er einst seinen Start ins Berufsleben zusammen, denn die Verhältnisse, aus denen er kommt, waren einfach und beengt. Als er zwei Jahre alt ist, stirbt sein Vater. Seine Mutter muss ihn und die ältere Schwester allein durchbringen. Er habe alles gelernt, was greifbar war, sagt er später. Seine alleinerziehende Mutter war nicht nur Vorbild, sondern auch Motivatorin. „Bub, merk dir eins: Wir haben nicht viel Geld, also musst du lernen. Wissen ist Macht – keine Inflation kann dir das jemals nehmen.“ Mit 14 Jahren begann Sebiger eine Kaufmannslehre in einem Bauunternehmen. Es folgten vier Jahre Kriegsdienst und zwei Jahre Gefangenschaft. Zurück in der Heimat war er nach Kriegsende zunächst als Steuerbevollmächtigter tätig, bevor er über den zweiten Bildungsweg sein Abitur nachholte und anschließend Volkswirtschaftslehre studierte. Später in den 1960er-Jahren boomte die deutsche Wirtschaft, sodass alle Branchen unter extremem Fachkräftemangel litten. Die Betriebe suchten nach Möglichkeiten, besonders die Buchhaltung an Dritte auszulagern. Denn Buchhalter waren schwer zu finden, ein Umstand, den auch die Steuerberater bald zu spüren bekamen. Volkswirt Heinz Sebiger witterte seine Chance. „Das war ein Glück für uns Steuerberater“, wird er später sagen. „Ich bot meinen Mandanten an, ihre Buchungen für sie zu übernehmen.“ In seiner damaligen Kanzlei am Nürnberger Hauptmarkt suchte er bereits eifrig nach Lösungen, einen Teil der Buchhaltung zu rationalisieren. Die Steuerberater sollten entlastet und unterstützt werden. Die Lösung hatte drei Buchstaben: EDV. Doch es gab nur Großrechner, vor allem in Großunternehmen und wissenschaftlichen Instituten, aber auch in Rechenzentren, die Datenerfassung und -verarbeitung als Dienstleistung anboten. Als Steuerbevollmächtigter konnte er schon aus standesrechtlichen Gründen die Datenerfassung nicht auslagern. Als großer Technikenthusiast investierte Heinz Sebiger nun rund 17.000 Mark in eine Olivetti Telebanda zur Datenerfassung. Seine Idee, den Lochstreifen nach dem Einbuchen einfach nur an ein Rechenzentrum zu schicken, erwies sich als unpraktikabel. Eine mehrere Millionen DM teure eigene EDV war für den Selbstständigen nicht finanzierbar. Ab da wollte er die Idee von Schulze-Delitzsch und Raiffeisen für sich nutzen, was ihm viel Spott einbringen sollte: Warum nicht eine Genossenschaft gründen und gemeinsam schaffen, was einer alleine nicht vermag? Mehr als 5.500 Kanzleien waren bereits nach vier Jahren Teil des genossenschaftlichen Erfolgsmodells DATEV. Heute sind es mehr als 40.000. So gründete Heinz Sebiger 1966 DATEV – ein Erfolgsmodell für den steuerberatenden Beruf bis heute, mehr als 57 Jahre später. Auf diesem Wege konnte Heinz Sebiger genug Kapital einsammeln, um Rechnerleistung bei IBM einzukaufen und schließlich das erste Programm für Steuerberater zu entwickeln. Fast dreimal günstiger als konkurrierende Rechenzentren konnte DATEV damals die Leistungen anbieten. Auch wenn es damals noch nicht so hieß, ebnete Sebiger mit der zentralen Datenverarbeitung den Weg für Cloud-Lösungen.

Weitblick, Mut und Entschlossenheit

Zu seinem Lebenswerk gehörte auch der Kampf gegen den Steuerdschungel und eine komplexe Gesetzeslage. Heinz Sebiger wurde nicht müde, Politik und Regierung immer wieder an ihre Versprechen zu erinnern, Steuergesetze zu vereinfachen. Neben seinem Vorstandsvorsitz engagierte sich Heinz Sebiger in vielen Ehrenämtern und erhielt im Laufe seines Lebens zahlreiche Auszeichnungen, unter anderem 1986 die Ehrendoktorwürde der Universität Erlangen-Nürnberg, 1988 das Große Verdienstkreuz des Verdienstordens der Bundesrepublik Deutschland sowie 2008 den Orden der Aufgehenden Sonne am Band im Namen des japanischen Kaisers für seine Verdienste um die IT-Unterstützung des Steuerberaterberufsstands in Japan.

Digital durch und durch

Dr. Heinz Sebiger blieb Technikenthusiast bis zuletzt. Denn längst hatte er erkannt, dass die fortschreitende Digitalisierung enorme Erleichterungen für den Alltag bot. Seine Liebe zu Digitalisierung und Innovation wurde im Laufe von Dr. Sebigers Leben ergänzt durch seine Leidenschaft für Japan. Daraus entstand eine 51-jährige tiefe Verbundenheit zum japanischen DATEV-Pendant TKC. Zeitgleich zu Heinz Sebiger gründete nämlich Takeshi Izuka in seiner Heimat ein Unternehmen, das dem deutschen IT-Dienstleister in vielen Punkten glich. „Als ich ihn das erste Mal traf, dachte ich, ich stehe mir selbst gegenüber“, erinnerte sich Dr. Sebiger an die Zeit. Es entstand eine geschäftliche Partnerschaft und eine private Freundschaft, von der DATEV bis heute profitiert.

100 Jahre Dr. Heinz Sebiger – Was bleibt?

Lesen Sie dazu auch das Interview mit Dr. Heinz Sebiger von 2016 aus „Gemeinsam – Mehr als nur Zahlen aus 50 Jahren DATEV“ 19762_Gemeinsam – Das DATEV-Buch plus Übersichtsseite mit Video 100. Geburtstag von Dr. Heinz Sebiger

Zur Autorin

Astrid Schmitt

Redaktion DATEV magazin

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