Die bestehende Landschaft der Konjunkturbeobachtungen und -analysen wird seit Ende September durch einen Index ergänzt, der die Lage der KMU in den Blick nimmt: den DATEV Mittelstandsindex. Wir beleuchten, warum er eine wichtige Perspektive und Informationsbasis beiträgt – und was er bewirken kann.
Die Beobachtung und Analyse der konjunkturellen Entwicklung in Deutschland ist ein breites Feld mit vielen Akteuren. Da sind die Europäische Union und staatliche Institutionen wie das Bundeswirtschaftsministerium oder das Statistische Bundesamt. Da sind die etablierten Wirtschaftsforschungsinstitute (zum Beispiel DIW Berlin, ifo, IW, IWH, RWI) sowie Unternehmen und Verbände (etwa Banken, Versicherungen, Industrie und Handelskammern). Jeder dieser Akteure liefert einzelne Schlaglichter in Form von Daten oder (Früh-)Indikatoren. Für die Analyse der konjunkturellen Entwicklung oder spezifischer Fragestellungen müssen aus dieser Datenlandschaft jeweils geeignete Indikatoren ausgewählt und interpretiert werden. Solche Analysen bilden dann einerseits die Grundlage für wirtschaftspolitische Entscheidungen und Maßnahmen der Politik (evidenzbasierte Wirtschaftspolitik). Andererseits sind sie für Unternehmen eine zentrale Informationsquelle für wirtschaftliche Entscheidungen – etwa dafür, wo und wie viel sie investieren.
Klar ist: Für fundierte Analysen und Entscheidungen braucht man Indikatoren, die auf validen und interpretierbaren Daten fußen. Solche Daten entstehen beispielsweise aufgrund staatlich vorgeschriebener Meldepflichten oder durch spezifisch durchgeführte Studien und Umfragen. Beide Wege sind jeweils mit kleineren Unzulänglichkeiten verbunden. Bei Daten, die über statistische Meldepflichten entstehen, liegt in der Regel ein Zeitverzug vor, teils von mehreren Monaten. Es ist folglich nur eine Ex-post-Analyse und -Interpretation möglich. Diese Situation ist wenig zufriedenstellend, wenn es um die Entwicklung von kurzfristigen wirtschaftspolitischen Maßnahmen oder deren Wirkungsanalyse geht, beispielsweise die Auswirkungen der Coronapandemie oder des Ahrtal- oder Bayernhochwassers. Insbesondere bei solchen Ereignissen können die entstehenden Kosten reduziert werden, wenn seitens der Politik schnell und gezielt reagiert werden kann.
Spezifische Studien und Umfragen werden in der Regel von privatwirtschaftlichen Instituten oder Unternehmen durchgeführt. Durch quantitative und qualitative Umfragen werden Daten zu bestimmten Fragestellungen gesammelt. Beispiele dafür sind der ifo Geschäftsklimaindex oder der GfK Konsumklimaindex. Obwohl solche Erhebungen immer mit einem gewissen Grad an Subjektivität der befragten Wirtschaftsakteure einhergehen, sind sie für die Bewertung der aktuellen (Stimmungs-)Lage unverzichtbar. Die Herausforderung besteht darin, die Datenlandschaft sukzessive über die Entwicklung weiterer Indikatoren zu erweitern, um vorhandene Lücken – etwa statistische Lücken bei Kleinst- und Kleinunternehmen – zu schließen und validere Aussagen zu ermöglichen.
Aktuelle Realdaten mit hoher Qualität
Dazu kann der DATEV Mittelstandsindex einen Beitrag leisten: Erstens bildet die Datengrundlage einen bedeutenden Teil der deutschen Volkswirtschaft ab. Der Index ist repräsentativ für 3,1 Millionen Unternehmen, in denen 55 Prozent der Beschäftigten in Deutschland tätig sind und die 42 Prozent der Bruttowertschöpfung erarbeiten (siehe Grafik). Zweitens basiert er auf umfangreichen Daten, die wir im Auftrag unserer Mitglieder und Kunden in den DATEV-Systemen verarbeiten. Diese werden direkt zu ihrem Entstehungszeitpunkt, also dem Datum der Meldepflicht, erhoben, anonymisiert und aggregiert und bereits kurz danach für Analysen genutzt. Drittens haben diese Daten eine sehr hohe Qualität, da sie von den DATEV-Mitgliedern mithilfe ihrer hohen Fachexpertise für ihre mittelständischen Mandanten über DATEV-Lösungen erstellt beziehungsweise übermittelt werden und in den DATEV-Systemen in Form von Millionen Datensätzen zur Verfügung stehen. Aktuell besteht der monatlich veröffentlichte DATEV Mittelstandsindex aus drei Indizes zur Umsatz-, Lohn- und Beschäftigungsentwicklung. Diese lassen sich nach 16 Bundesländern, fünf ausgewählten Branchen (plus Sonstige) und drei Unternehmensgrößen filtern. Wie es in der Konjunkturberichterstattung üblich ist, stehen neben den Indexreihen auch um saisonale Schwankungen bereinigte Vormonats und Vorjahresvergleiche zur Verfügung. Unserer Mitglieder haben zudem noch weitere Filtermöglichkeiten für Detailauswertungen, um diese Daten auch für die wirtschaftliche Beratung der eigenen Mandate nutzen zu können. Auf Basis der vorhandenen Daten gibt es zusätzliche Potenziale – etwa die Filterung bis auf Kreisebene oder ausgewählte Analysen auf BWA-Basis. Jede Erweiterung verbessert dabei den möglichen Detaillierungsgrad der wirtschaftlichen Beratung im individuellen Einzelfall, ohne dass der Bezug zur Systematik des Gesamtindexes verloren geht. Neben der zeitlichen Aktualität und der hohen Datenqualität gibt es noch einen weiteren entscheidenden neuen Aspekt: Der Mittelstandsindex berücksichtigt ausschließlich Kleinstunternehmen sowie kleine und mittlere Unternehmen (KMU). Das ist in dieser Form ebenso neu wie wichtig. Denn es sind gerade diese Unternehmen, die einerseits das Rückgrat der deutschen Volkswirtschaft bilden und andererseits selten in der Lage sind, sehr schnell auf sich verändernde regionale Rahmenbedingungen – etwa Großschadenslagen oder Mängel in der Infrastruktur – zu reagieren. Ist zum Beispiel eine wichtige Brücke aufgrund ihres Zustandes nicht mehr befahrbar, hat ein lokaler Unternehmer in der Regel nicht die Möglichkeit, seine Aktivitäten an einen anderen Standort zu verlagern oder seinen Unternehmensstandort zu verlegen. Er muss einen täglichen Umweg bei An- und Abfahrten in Kauf nehmen – mit den daraus resultierenden negativen Auswirkungen auf die Volkswirtschaft und die Umwelt. Ein Beispiel: Die Kosten der Sperrung der Talbrücke Rahmede in Lüdenscheid (Nordrhein-Westfalen) werden laut IHK auf 1,8 Milliarden Euro geschätzt; die Sperrung soll mit lokalen Umsatzeinbußen von 90 Prozent einhergehen. Ebenso verhält es sich mit anderen Rahmenbedingungen in Bezug auf die örtliche Situation. Mit dem Mittelstandsindex verschafft DATEV all diesen Unternehmen (mehr) Gehör und liefert eine wichtige Informationsbasis für wirtschaftspolitische Entscheidungen und Maßnahmen.
Der gemeinsame Weg zum Gesamtbild
Der Mittelstandsindex ist eine wertvolle Ergänzung der bereits bestehenden Kennzahlenlandschaft für die Konjunkturanalyse und -prognose, von dem alle profitieren können. Die staatlichen Institutionen profitieren durch eine neue Informationsbasis, fokussiert auf den deutschen Mittelstand, für nachhaltigere wirtschaftspolitische Entscheidungen und Maßnahmen. Die Wirtschaftsinstitute erhalten neue Indikatoren, die sie als Ergänzung oder zur weiterführenden Plausibilisierung der eigenen Indikatorik nutzen können. Die DATEV-Mitglieder profitieren durch individuellere Beratungsmöglichkeiten mithilfe der Indexdaten. Kammern und Verbände haben zukünftig die Möglichkeit, sich ohne großen Aufwand über die aktuelle wirtschaftliche Situation eines Großteils ihrer Mitglieder zu informieren und basierend darauf Maßnahmenvorschläge für wirtschaftspolitische Entscheidungen vorzubereiten. Und der steuerberatende Berufsstand insgesamt profitiert mittelbar durch die verbesserte Informationsbasis der staatlichen Institutionen – und damit zukünftig womöglich durch zukunftsorientierte steuer- und wirtschaftspolitische Maßnahmen für die mittelständischen Unternehmen in Deutschland: deren Mandanten.
MEHR DAZU
finden Sie unter mittelstandsindex.datev.de