Portfolioentwicklung - 27. Oktober 2022

Innovation hat viele Gesichter

DATEV steht für hohe Innovationskraft. Dabei muss es nicht immer der große Wurf sein. Es sind vielmehr die vielen kleinen, wegweisenden Features, die unseren Mitgliedern und Kunden den Arbeitsalltag erleichtern.

Doch warum braucht es Innovation? Wie kann man sie forcieren? Und sind gute Ideen ein Zufallsprodukt? Darüber sprach das DATEV magazin mit Prof. Dr. Christian Bär, als CTO verantwortlich für die technologische Seite der Innovation, und Dr. Lars Meyer-Pries, der in der Geschäftsleitung die Themen Strategie und Innovation verantwortet.

DATEV magazin: Was versteht DATEV unter Innovationen?

PROF. DR. CHRISTIAN BÄR: Innovationen sind Erneuerungen, die den Kundinnen und Kunden Mehrwert bieten und sich auch kommerzialisieren lassen. Wir unterscheiden drei Innovationsgrade: Produktverbesserungen, Produkt oder Portfolioerweiterungen und radikale Innovationen. Letztere werden oft auch als disruptiv bezeichnet. Wie groß die Bandbreite ist, zeigt sich vor allem in unseren Produktentwicklungsteams. Sie arbeiten daran, bestehende Lösungen weiter zu verbessern, und forschen gemeinsam mit Universitäten auch mithilfe ganz neuer Technologien an innovativen Lösungen für ihr Geschäftsfeld. Daraus werden in den nächsten Jahren viele neue Produkte entstehen. Daneben experimentiert unser DATEV-eigenes Labor, das DATEV Lab, an aussichtsreichen radikalen Innovationsthemen. Jenseits von konkreten Produkten geht es hier vor allem um die Potenzialermittlung von Zukunftsideen und um die Evaluierung von neuen Geschäftsmodellen. Im sogenannten Inkubator folgt dann die Produktisierung, also die Anbindung und Integration der Innovationsthemen an und in das bestehende Geschäft.

Was zeichnet erfolgreiches Innovationsmanagement aus?

DR. LARS MEYER-PRIES: An Innovationen sind bei DATEV viele unterschiedliche Bereiche beteiligt. Deswegen sind Personen gefragt, die den Überblick über den gesamten Innovationsprozess haben und über ein großes Netzwerk verfügen. Im Innovationsmanagement bündeln sie die Themen und unterstützen mit einer umfangreichen Methodenauswahl. Sie schaffen also die Rahmenbedingungen, damit Innovationen entstehen können. Außerdem trägt das Innovationsmanagement dazu bei, dass Ideen schnell zu einer Entscheidung gebracht werden.

Wie kann man sich das in der Praxis vorstellen?

DR. LARS MEYER-PRIES: Ausgehend von der Umfeldbeobachtung von Politik und Gesetzgebung, Technologie, Markt und Gesellschaft sowie Berufsstand leiten wir im Rahmen der Innovationsstrategie die Potenzialfelder ab. Alle Aktivitäten werden intern ausgewertet, was die Basis für fundierte Entscheidungen liefert. Wenn sich abzeichnet, dass neue Themenfelder übergreifende Bedeutung und Potenzial bekommen, schaffen wir bedarfsorientiert entsprechende Keimzellen bis hin zu Kompetenzzentren. So unterstützt zum Beispiel unser AI Office Produktverantwortliche im Haus dabei, Anwendungsfelder für den Einsatz von künstlicher Intelligenz in ihren Produkten zu identifizieren und umzusetzen.

Mit welchen Technologien beschäftigt sich DATEV gerade und welchen Mehrwert sollen sie den Mitgliedern und Kunden bieten?

PROF. DR. CHRISTIAN BÄR: Im Fokus steht aktuell, das komplette Unternehmen fit zu machen für die Entwicklung von Cloud-Anwendungen. Unsere Mitglieder werden dadurch massive Verbesserungen in ihrer täglichen Arbeit spüren: kontinuierlicher Zugriff auf die Online-Lösungen, einfachere und bessere Zusammenarbeit mit Mandanten sowie mit unterschiedlichen Partnern, aber auch intuitivere und modernere Software-Oberflächen. Die Cloud ist die Voraussetzung für weitere Automatisierung wie zum Beispiel durch künstliche Intelligenz. Natürlich arbeiten wir daran, unsere Mitarbeiter für die benötigten Technologien, Werkzeuge und Fähigkeiten aus- und weiterzubilden. Zusätzlich beobachten wir selbstverständlich ständig externe Entwicklungen rund um Technologien und deren Einsatz und bewerten diese in unserem Tech-Trendradar systematisch nach DATEV-Relevanz. Da sind aktuell Themen wie Intelligent Document Processing, durch das schriftliche Dokumente in verwertbare Informationen umgewandelt werden, unterschiedliche technische Ansätze von Cloud-Infrastrukturen oder selbstbestimmte Identitäten ganz vorne dabei.

Können Sie ein Beispiel für eine Innovation nennen, die in den Kanzleien bereits für mehr Effizienz sorgt?

PROF. DR. CHRISTIAN BÄR: Ja, der Automatisierungsservice Rechnungen, der seit über einem Jahr auf dem Markt ist, ist ein gutes Beispiel. Künstliche Intelligenz erkennt hierauf den Belegen den steuerlichen Sachverhalt zum beteiligten Geschäftspartner und erstellt auf dieser Basis die passenden Buchungsvorschläge. Im Rahmen des digitalen Belegbuchens in der Steuerberatungskanzlei stehen diese dann in DATEV Kanzlei-Rechnungswesen zum Buchen zur Verfügung. Belege, die als sicher eingestuft werden, können per Knopfdruck auch gleich automatisch gebucht werden. Und wir arbeiten schon am nächsten KI-gestützten Service, der weitere Effizienz in die Kanzleien bringt und auch die Zeit für die Pflege der Lerndatei sukzessive wegfallen lässt: Der Automatisierungsservice Bank generiert Buchungsvorschläge für Sachkonten auf Basis von Kontoumsätzen, die über die RZ-Bankinfo von Bankrechenzentren abgeholt werden. Er ist bereits im Mai mit einer begrenzten Anzahl an Teilnehmern in die Pilotphase gestartet. Die Freigabe ist für Sommer 2023 geplant.

Welche Innovationen erwarten die Mitglieder und Kunden von ihrer Genossenschaft?

DR. LARS MEYER-PRIES: Nicht zuletzt durch die aktuellen Krisen sind unsere Mitglieder gerade einer extrem hohen Arbeitsbelastung ausgesetzt. Sie erwarten, dass wir sie unterstützen, etwa durch Effizienzgewinne, wie unsere Automatisierungsservices sie bieten. Daneben müssen wir als Genossenschaft auch vordenken, wie unsere Kunden und Mitglieder in Zukunft weiterhin erfolgreich sein können. Deswegen machen wir die Umfeldbeobachtungen und leiten daraus die notwendigen Reaktionen in Bezug auf das Geschäftsmodell der Berufsträger ab. Dazu gehören unter anderem Beratungsthemen aus dem Kontext Nachhaltigkeit, Compliance, Finance and Risk, aber auch Grundsatzthemen wie Kollaboration zwischen Kanzlei und Mandant in der Zukunft. Außerdem müssen sich unsere Lösungen natürlich an neue Gewohnheiten anpassen, etwa die Möglichkeit, mobil zu arbeiten.

DATEV steht vor der Herausforderung, die Produkte mittelfristig in die Cloud zu überführen. Welche Rolle spielen Innovationen bei der Portfolioentwicklung?

PROF. DR. CHRISTIAN BÄR: Gerade der Übergang in die Cloud wird uns Möglichkeiten geben, Innovationen zu schaffen, die im On-Premises-Umfeld nicht realisierbar wären. Trotzdem brauchen wir auch während der Portfolioentwicklung genügend Freiräume, um uns weiterhin an Forschungsprojekten zu beteiligen und radikalere Ideen im DATEV Lab voranzutreiben. Denn die Entwicklung von Ideen zu Produkten benötigt eine Vorlaufzeit. Hier einfach einmal eine Zeit lang nichts zu tun, ist keine Option. Sonst geben wir unsere heute gute Position auf.

Welche Rolle spielt das Thema Partnering bei der Realisierung von innovativen Lösungen?

PROF. DR. CHRISTIAN BÄR: Zu glauben, in der heutigen komplexen Cloud-Welt alles alleine schaffen zu können, ist unrealistisch, wenn nicht sogar ziemlich naiv. Deshalb bauen wir das digitale Ökosystem immer weiter aus. Indem wir mit Anbietern, die hochwertige Software liefern, Partnerschaften eingehen und die Anwendungen interoperabel machen, entstehen für unsere Mitglieder und Kunden moderne, flexible und innovative Software-Landschaften. Denn letztlich kommt es darauf an, dass wir das Problem des Kunden lösen.

Zur Autorin

Birgit Schnee

Redaktion DATEV magazin

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