Zukunftsfähig - 27. April 2023

Frühzeitig mit im Boot

Der DATEV-Vertreterrat nimmt direkt Einfluss – auf strategische Entscheidungen der Genossenschaft ebenso wie auf die Weiterentwicklung von Anwendungen. Die Neuausrichtung von DATEV hat die Rolle des Vertreterrats sogar noch gestärkt.

DATEV befindet sich in einem Transformationsprozess, der vermutlich nie enden wird. Die ersten Weichen für eine Neuausrichtung der Genossenschaft stellte Vorstandsvorsitzender Prof. Dr. Robert Mayr kurz nach seinem Amtsantritt Ende 2016. Es wurden viele Ideen generiert, um DATEV erfolgreich für die Zukunft aufzustellen.
Das Projekt „Fit für die Zukunft“ hatte eine unternehmensweite Veränderung der Aufbau- und Ablauforganisation zur Folge. Begleitend dazu gab es viele kleinere und größere Transformationsaktivitäten, um neue Prozesse und Strukturen zu etablieren. Die Idee: iterativ vorzugehen und zu lernen, in einer sich ständig verändernden Welt schnell und flexibel Wert für unsere Mitglieder sowie Kundinnen und Kunden zu liefern.
Seit „Fit für die Zukunft“ hat sich aber nicht nur DATEV als Organisation, sondern auch die Zusammenarbeit mit den Gremien verändert. Was ist besser geworden? Diese Frage haben wir den Vertreterratsvorsitzenden Marcel Kruse, Volker Andres und Alexander Kempf gestellt.

DATEV magazin: Der Vertreterrat schreibt mittlerweile eine dreißigjährige Geschichte. Was ist seit „Fit für die Zukunft“ anders?
MARCEL KRUSE: Im Zusammenhang mit „Fit für die Zukunft“ haben wir uns im Vertreterrat eine neue Geschäftsordnung gegeben. Heute können wir wesentlich effektiver beraten, da wir deutlich früher in die Entwicklungstätigkeiten einbezogen werden und wir auch früher Feedback an die Entwicklerinnen und Entwickler geben können. Und das führt am Ende des Tages einfach zu besseren Anwendungen.
VOLKER ANDRES: „Fit für die Zukunft“ hat auch ein Problem gelöst, das wir immer hatten: Silodenken. Heute gibt es ein übergeordnetes Zusammenspiel aller Programme.

Eine weitere Neuerung, die „Fit für die Zukunft“ brachte, sind die Kompetenzteams. Welchen Zweck erfüllen diese?
VOLKER ANDRES: Die Kompetenzteams setzen sich in der Regel aus fünf Vertreterräten zusammen. Dabei bringt jeder seine fachspezifischen Kenntnisse zu den Programmen, etwa aus den Bereichen Rechnungswesen oder Accounting Solution, ein. Und da die Kompetenzteam-Mitglieder alle Steuerberater sind, haben sie auch den übergreifenden Blick.
MARCEL KRUSE: Die Kompetenzteams können sich komplett auf ihren Bereich fokussieren, haben aber natürlich auch die anderen Bereiche im Blick und können im Zusammenspiel mit den Produktverantwortlichen, den Product Ownern von DATEV, bei Beratungsaufträgen unterstützen. Ein Beispiel: Im Bereich Personalwirtschaftssysteme, also im Lohn im weitesten Sinne, werden sowohl gesetzliche Änderungen in den Fokus gerückt als auch prozessuale Abläufe. Etwa bei der elektronischen Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung und deren Umsetzung ist das Kompetenzteam über einen Beratungsauftrag sehr früh mit im Boot gewesen und hat versucht, in Anbetracht der gesetzlichen Vorgaben einen optimalen Prozess zu entwickeln.

Zudem gibt es nun Prozessverantwortliche aus den Reihen des Vertreterrats. Was ist deren Aufgabe?
MARCEL KRUSE: Die Prozessverantwortlichen sind die direkten Ansprechpartner des Product Owners auf DATEV-Seite. Das heißt, die Prozessverantwortlichen sind für den Workstream verantwortlich, nehmen aus diesem Beratungsaufträge auf und setzen diese um. Dabei kommen nicht alle Prozessverantwortlichen aus den Reihen des Vertreterrats, sondern es gibt auch externe. Und das ist auch gut und richtig so, weil der Vertreterrat auch nur eine begrenzte Anzahl an Mitgliedern hat und die Kompetenzen in der gesamten Mitgliedschaft auch gehoben und genutzt werden sollen.
VOLKER ANDRES: Wichtig ist, dass die Prozessverantwortlichen Experten in ihren Bereichen sind. Das sind Leute, die sich auf Augenhöhe mit den Product Ownern austauschen können und von den Kompetenzteams unterstützt werden.
MARCEL KRUSE: Stellt man in der Umsetzung fest, dass es Reibereien gibt oder gewisse Dinge nicht funktionieren, sind der Prozessverantwortliche beziehungsweise das Kompetenzteam erste Ansprechpartner und können über den Product Owner sofort eingreifen und Verbesserungsvorschläge einbringen.

Wie wirken Sie konkret an der Weiterentwicklung der Programme mit? Wie sieht das im Zusammenspiel mit den Product Ownern aus?
ALEXANDER KEMPF: Indem wir Fragen stellen, Feedback geben zu dem, was uns die Product Owner vorstellen. Wir können aus unserer Erfahrung heraus zurückspielen, was noch verbessert werden oder was in der Anwendung noch enthalten sein könnte. Das Zusammenspiel mit dem Product Owner ist nicht nur sehr interessant, es ist auch ein sehr enger und sehr naher Austausch.

„Nach einer Neuausrichtung Mitte 2021 und der strategischen Weiterentwicklung wurde das Produkt Liquiditätsmonitor online nach 15 Monaten Entwicklungszeit im September 2022 auf den Markt gebracht. Aktuell hat der Cloud-Service bereits über 2.100 Anwender. Der Stellvertretende Vorsitzende des Vertreterrats, Volker Andres, und der Prozessverantwortliche Rechnungswesen Thomas Uhl waren in Reviews an den entwickelten Features beteiligt und bestimmten auch die Weiterentwicklung mit. Als Pilotanwender haben sie sich eng mit uns ausgetauscht – von der Entwicklung bis zur Freigabe. Besonderen Einfluss hatte der Vertreterrat dabei auf den Funktionsumfang sowie auf prozessuale Anpassungen der Funktionen. Die Perspektive eines echten Anwenders mit Erfahrung und Weitblick war sowohl für uns als auch für die eigentlichen Anwender sehr wertvoll, vor allem das schnelle und unbürokratische Feedback an uns Entwickler. Unsere Mitglieder so eng einzubeziehen, ist für mich eine wichtige Informationsquelle und hilfreiche Unterstützung.“

ALEXANDER LOHMAIER, Product Owner für den Liquiditätsmonitor online bei DATEV

Können Sie das anhand eines praktischen Beispiels, einer Produktentwicklung erläutern? Wie begleiten Sie ganz konkret die Weiterentwicklung des Produktportfolios?
VOLKER ANDRES: Durch die frühe Markteinführung der Software haben wir die Möglichkeit, auch die Anwender reflektieren zu lassen, ob die Software schon etwas taugt oder ob noch weiterentwickelt werden muss. Ist ein Programm schon zu früh auf dem Markt oder müssen wir noch warten? Manche Dinge haben wir auch durch unsere Beratung noch einmal gestoppt und verbessert. Das macht unsere Arbeit auch aus.
MARCEL KRUSE: Und das ist auch unbedingt notwendig, dass man versteht, dass die Entwicklung heute in anderen Zyklen abläuft. Darin liegt auch die Chance, schneller auf Kritik zu reagieren. Gleichzeitig setzt man sich der Kritik aus, das weiterzuentwickelnde Produkt auf den Markt gebracht zu haben. Dennoch ist es eine Chance, bessere Produkte schneller zu entwickeln.

Was wollen und was können Sie tatsächlich mit Ihrer Arbeit im Vertreterrat bewirken?
MARCEL KRUSE: Mir geht es darum, die DATEV-Anwendungen und -Prozesse zu verbessern und so als Digitalisierer des Berufsstands und bei den Mandanten aufzutreten. Strategisch können wir in den einzelnen Anwendungen echte Verbesserungen erzielen. Gleich, ob das eine Priorisierung betrifft, gewisse Funktionalitäten früher umzusetzen als vielleicht anfänglich geplant, oder ob es komplett neue Funktionalitäten sind, die wir aus Berufsstandsicht als wichtiger erachten.
VOLKER ANDRES: Ich möchte den kleinen Kanzleien eine Stimme verleihen. Ich möchte helfen, die Software jeden Tag etwas besser zu machen. Das Tolle an unserer Arbeit im Vertreterrat ist, dass wir auch bei strategischen Entscheidungen mitwirken können. Gerade wir Vertreterratsvorsitzenden haben die Möglichkeit, regelmäßig mit der DATEV-Geschäftsleitung die Strategie zu besprechen und die Weichen für die Workstreams zu stellen und zusammen mit den Prozessverantwortlichen und Kompetenzteams die Beratungsaufträge zu bearbeiten. Wenn etwas in die falsche Richtung läuft, können wir gegensteuern. Ein Beispiel dafür ist der neue Jahresabschluss auf Kontenzweckebene. Von Anbeginn an waren wir in die strategischen Entscheidungen eingebunden und haben Einfluss genommen. Marcel, du warst damals noch als Prozessverantwortlicher im Bereich Jahresabschluss, darüber kannst du vielleicht berichten.
MARCEL KRUSE: Ja, es fing im Grunde damit an, dass man gesagt hat, die Auswertungen, die uns Steuerberatern zur Verfügung stehen, sind durchaus verbesserungswürdig. Sie waren grafisch nicht optimal aufbereitet und auch der Erstellungsprozess lief nicht optimal. Mit dem neuen Jahresabschluss sind zwar einige althergebrachte, gewohnte Funktionalitäten weggefallen, wie zum Beispiel eine Bilanzentwicklungsübersicht, aber dafür haben die Mitglieder, wir Steuerberater, ein Instrument an die Hand bekommen, mit dem wir mit EDV-Unterstützung und bald auch mit Referenzierungen ins DATEV Dokumenten-Management-System, DMS, einen sehr schönen Erstellungsprozess abbilden können.

VOLKER ANDRES: Das bedeutet zwar bei den Anwendern eine Veränderung, aber meines Erachtens eine Verbesserung, da wir die Daten nun prozessorientiert interaktiv abhaken und mehrere Jahre darstellen können. Und wir können zwischen Handels- und Steuerbilanz vergleichen. Eine tolle Anwendung! Auch den Liquiditätsmonitor online finde ich sehr gelungen.
MARCEL KRUSE: Ja, der Liquiditätsmonitor online ist aus der strategischen Sicht von DATEV ein zentrales Produkt, weil er bei der Portfolioentwicklung in die Cloud gehoben wird. Und er unterstützt sowohl den Mandanten als auch uns in der täglichen Beratung, da wir einen echten Blick auf die Liquiditätssituation des Mandanten erhalten, sofern dieser mit digitalen Belegen arbeitet.

„Wir haben im August 2022 das Produkt DATEV Vermögensnachfolge freigegeben – als erste reine Cloud-Anwendung in der Beratung. Bis zur Marktfreigabe der ersten Version hat es circa 18 Monate gedauert. Durch ein eigenes kleines Beratungsteam ist der Vertreterrat, unter anderem mit Marcel Kruse, bis heute intensiv in die Entwicklung eingebunden. Konkret Einfluss genommen hat der Vertreterrat auf den Umfang der ersten Marktversion, aber auch auf die Priorisierung der fachlichen Themenstellungen. Also auf alles, was nicht mit Technik und Basisfunktionalitäten wie etwa der Lizenzierung zu tun hat. Mit dieser Zusammenarbeit beziehen wir unsere Kunden eng ein, damit gerade bei Beratungsthemen der Austausch mit Praktikern stattfindet. Für mich als Product Owner ist das ein wertvoller fachlicher Input und ein hilfreiches Feedback. Und wenn ich mir noch etwas wünschen darf, dann, dass in Einzelfällen noch mehr der Blick über den Tellerrand der eigenen Kanzlei auf die anderen Kanzleien erfolgt.“

ULRICH LEIS, Product Owner Lösungen zur Beratung bei DATEV

Und wie haben Sie sich eingebracht?
VOLKER ANDRES: Indem wir gesagt haben, wir brauchen ein Mahnwesen, und gefragt haben: Was gehört zur Liquidität? Welche Zeiträume müssen betrachtet werden? Wo kriegen wir die Daten her? Können die ergänzt werden? Hier haben wir viel mit den Kompetenzteams, den Beratungsaufträgen, Prozessverantwortlichen und Product Ownern gearbeitet. Herausgekommen ist ein tolles Produkt, das auch künftig weiterentwickelt wird.
MARCEL KRUSE: Dabei steht auch immer die Beobachtung des Wettbewerbs im Vordergrund. Wir versuchen, die Hinweise des Markts aufzunehmen, um sowohl den Mandanten als auch den Steuerberater in der täglichen Arbeit unterstützen zu können.

Mehr dazu

in dem Gespräch mit DATEVs Vertreterrat der vorherigen Ausgabe www.datev-magazin.de/aus-der-genossenschaft/wir-brauchen-datev-datev-braucht-uns-96595.

Dort finden Sie auch die drei Vertreterratsvorsitzenden im Video.

Zu den Autoren

Kerstin Putschke

Chefredakteurin DATEV magazin

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Birgit Schnee

Redaktion DATEV magazin

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