Je mehr Facetten der Work-Life-Balance wir betrachten, umso schwerer wird dieser schillernde Begriff fassbar und umso weniger taugen die herkömmlichen klischeehaften Vorstellungen zu dieser Thematik.
Noch bis vor wenigen Jahrzehnten waren die beiden entscheidenden Sphären im Leben der meisten erwachsenen Menschen – Beruf und Privatleben – klar voneinander abgegrenzt und in ihrer Verteilung von Be- und Entlastung eindeutig definiert. Nach getaner „harter“ Arbeit in Büro oder Fabrik wartete zu Hause die verdiente Entspannung. Dieses Bild existiert für die Mehrzahl der heutigen Arbeitnehmer nicht mehr. Dazu trägt einerseits die zunehmende Entgrenzung von Arbeit und Freizeit, bedingt durch die technologische Entwicklung, bei. Handy, PC und DSL-Anschluss machen es für eine Vielzahl von Tätigkeiten möglich, nahezu von jedem Ort und zu jeder Zeit zu arbeiten. Andererseits lässt auch die Veränderung im Erwerbsverhalten des weiblichen Teils der Bevölkerung, verbunden mit einem neuen gesellschaftlichen Rollenbild, die alte Balance kippen. Denn das beschriebene Modell basierte im Wesentlichen darauf, dass die Haus- und Familienarbeit parallel zur beruflichen Tätigkeit des Mannes bereits von dessen nicht oder maximal in Teilzeit erwerbstätiger Frau erledigt wurde. Und auch wenn noch immer nachweislich das Gros der Familien- und Hausarbeit „Frauensache“ ist, findet eine zunehmende Verteilung familiärer beziehungsweise häuslicher Aufgaben zwischen den Geschlechtern statt. Laut „Familienreport 2012“ verringert sich die Zahl der Paare, die in traditionellen familiären Erwerbsarrangements leben, beständig. Immer mehr Frauen wünschen sich eine Ausweitung ihres Tätigkeitsumfangs, während Männer diesen gerne verringern würden. Dies macht unter anderem der aktuelle Familienbericht der Bundesregierung deutlich. Plötzlich ist nicht mehr ohne Weiteres auszumachen, inwieweit Work oder Life den Einzelnen be- oder entlastet.
Aufgabenverteilung zwischen den Geschlechtern
Nach einem anstrengenden Arbeitstag Hausaufgaben zu überprüfen, die Wohnung zu putzen oder Einkäufe für sich selbst oder ältere Familienangehörige zu erledigen, hat nicht mehr zwangsläufig den klassischen Feierabendcharakter. Umgekehrt sehnt sich manche Mutter angesichts nörgelnder Sprösslinge zuweilen an ihren „ruhigen“ Büroschreibtisch zurück. Wo, wann und in welchem Maße der Einzelne Belastung empfindet und im Gegenzug „auftankt“, hängt also in hohem Maße von der persönlichen Situation in Beruf und Privatleben, von Neigungen und individuellen Einschätzungen ab. In der Folge sieht auch für jeden Menschen seine Work-Life-Balance anders aus: Während es durchaus Menschen gibt, die in ihrer Arbeit aufgehen oder ihr Hobby zum Beruf gemacht haben und dafür auch gerne den zeitlichen Rahmen, den sie für ihr privates Leben zur Verfügung haben, einschränken, spielt für andere die Familie oder das Hobby eine derart dominante Rolle im Leben – sei es auf eigenen Wunsch oder aufgrund äußerer Zwänge –, dass sie ihre Berufstätigkeit entsprechend konsequent auf das erforderliche Maß begrenzen. Hinzu kommt, dass das Empfinden bezüglich eines ausgewogenen Verhältnisses zwischen Work und Life einem beständigen Wandel im Laufe eines Erwerbslebens unterliegt, das von unterschiedlichen Berufs- und Lebensphasen gekennzeichnet ist. Sowohl in der Literatur als auch in der betrieblichen Praxis wird der Begriff der Work-Life-Balance nicht selten mit der Vereinbarkeit von Beruf und Familie gleichgesetzt. Das greift allerdings eindeutig zu kurz. Denn jeder Arbeitnehmer – ganz gleich, welchen persönlichen Hintergrund er mitbringt – ist auf ein ausgewogenes Verhältnis zwischen be- und entlastenden Aspekten angewiesen, um physisch und psychisch gesund und damit auch arbeitsfähig zu bleiben. Es ist daher gerade im betrieblichen Kontext ein Life-Begriff zu bevorzugen, der ganz bewusst Singles, kinderlose Paare, Eltern sowie pflegende Angehörige gleichermaßen in den Fokus rückt und neben familiären Verpflichtungen im privaten Bereich auch ehrenamtliches Engagement, die Pflege sozialer Kontakte, Weiterbildung oder sportliche beziehungsweise gesundheitsfördernde Aktivitäten berücksichtigt. Work ist ebenfalls weiter zu fassen als bezogen auf die traditionelle Vollzeiterwerbstätigkeit. Vielmehr schließt ein erweitertes Verständnis von Work beispielsweise auch den Nebenerwerb ein, der für viele Menschen inzwischen zur Existenzgrundlage geworden ist, ebenso wie ehrenamtliche Tätigkeiten.
Elemente der Führungs- und Personalstrategie
Die Balance zwischen beiden Sphären impliziert im Sinne einer subjektiv empfundenen Lebensqualität neben einem entsprechend ausgewogenen Zeitmanagement auch die Übereinstimmung der persönlichen Situation (Einkommen, Wohnverhältnisse, Arbeitsbedingungen, Familienbeziehungen, soziale Kontakte usw.) mit den individuellen Bedürfnissen und Zielen. Nach Konradt (2006) sind Work-Life-Balance-Konzepte Teil einer Führungs- und Personalstrategie, die bei den Mitarbeitern einen positiven Erlebniszustand herstellt, indem die Bedürfnisse und die Erwartungen im außerberuflichen Bereich erfüllt werden und in einem ausgeglichenen Verhältnis zu beruflichen Bedürfnissen und Erwartungen stehen.