Steuerhinterziehung wird bestraft, Steuerverschwendung und willkürliche Steuerbefreiung hingegen nicht. So könnte die Steuerflucht noch größer werden, denn ohne Besteuerungsmoral des Staates wird auch die Steuermoral der Bürger schwinden.
Derzeit verfügt der deutsche Steuerstaat über weit mehr als 600 Milliarden Euro Steuereinnahmen jährlich. Deutschland nimmt so viel Steuern ein wie nie zuvor. Entsprechend wird die vorhandene Steuerflucht nicht das Ausmaß haben, das Deutschland in einen möglichen finanziellen Ruin treibt.
Vielmehr wäre dafür das grobe Ausmaß an Steuerverschwendung sowie der willkürlichen Steuerbefreiungen verantwortlich. Der deutsche Staat hat kein Einnahmen-, sondern ein Ausgabenproblem. Auch deshalb sind viele Steuerpolitiker, aber auch viele Strafrichter ohne wirkliche Kenntnis der allgemeinen staatlichen Steuerwillkür, auf einem falschen Steuer(straf-)weg.
Steuervollzahler sollen immer höher belastet werden. Steuerteilzahler oder gar Steuernichtzahler werden – bei gleich hohem Einkommen – weniger oder nicht belastet, weil Steuerprivilegien nicht getilgt werden.
Internationale Steueroasen sollen nicht nur mit fragwürdigen staatlichen Daten-CD-Beschaffungen, sondern in Einzelfällen auch mit „Kavallerieeinsätzen“ bekämpft werden.
Staatliches Steuerrechtschaos
Dagegen werden nationale Steueroasen, etwa die Steueroase Deutscher Bundestag, mit der Teilsteuerfreiheit der Mitglieder des Bundestages, Jahr für Jahr ausgebaut.
Auch die Steueroase Börse wird nicht angetastet, obwohl die ursprüngliche Rechtfertigung der anhaltenden Umsatzsteuerfreiheit der Börsengeschäfte durch die Abschaffung der Kapitalverkehrssteuern Anfang der 1990er-Jahre längst weggefallen ist.
In das allgemeine staatliche Rechtschaos passt, dass der Bundesgerichtshof Steuerhinterzieher immer schärfer, immer unverhältnismäßiger bestraft, zum Teil – wie Gewaltverbrecher – mit Freiheitsstrafe.
Steuerhinterziehung ist kein Betrug
All das geschieht, obwohl Steuerverschwendung nicht bestraft wird. In beiden Fällen, sowohl bei der Steuerhinterziehung als auch bei der Steuerverschwendung, ist die Gemeinschaftskasse gleichermaßen betroffen. Die Steuerverschwendung ist aber unmoralischer als die Steuerhinterziehung.
Denn bei der Steuerverschwendung geht es aus Sicht des Täters um die Verschwendung fremden Vermögens, bei der Steuerhinterziehung hingegen nur um das ungerechtfertigte Vorenthalten des eigenen Vermögens.
Auch deshalb ist Steuerhinterziehung mit dem Straftatbestand des Betrugs nicht vergleichbar.
Zudem ist der allgemeine Unwert, den Räuber oder Totschläger produzieren, weitaus gewichtiger als der von Steuerhinterziehern. Gleichwohl ist Steuerhinterziehung mit Geldstrafe zu sanktionieren, weil ehrliche Steuerzahler quasi die Steuern der Hinterzieher mitbezahlen müssen.
Die Freiheitsstrafe sollte indes den Gewaltverbrechern vorbehalten bleiben.
Asoziale Steuerverschwendung
Uli Hoeneß hat offensichtlich viele Steuern hinterzogen. Das ist schlimm. Dafür hat er bezahlt und wird dafür noch weiter bezahlen. Uli Hoeneß ist aber kein Gewaltverbrecher. In das Gefängnis gehört er nicht!
Der Bundespräsident bezeichnet die Steuerhinterziehung von Uli Hoeneß als „asozial“. Hier empört sich Joachim Gauck, ohne die anderen groben Attacken auf die Gemeinschaftskasse zu benennen.
Wieso verlangt der erste Mann im Staat nicht die Bestrafung der asozialen Steuerverschwendung in Millionenhöhe, zum Beispiel bei dem nicht funktionierenden Berliner Flughafen oder beim Tieferlegen eines Bahnhofs in Stuttgart?
Wieso verlangt er nicht die Abschaffung der Steueroase Bundestag mit der asozialen pauschalen Teilsteuerfreiheit der Abgeordnetengehälter?
Wieso verlangt er von den sogenannten Volksvertreten nicht, dass sie sich bitte schön dem Steuerrecht unterwerfen, das sie dem vertretenen Volk zumuten?
Auch Jürgen Trittin, der einen Steuerhinterzieher mit Omas Handtaschenräuber vergleicht, hat kein rechtsstaatliches Konzept.
Verfall der Steuerzahlungssitten
Ein Gesetzgeber, der Steuerhinterziehung zu Recht strafrechtlich verfolgt, dagegen Steuerverschwendung zu Unrecht nicht bestraft und dazu auch noch Steuervollzahler immer mehr belastet, ohne die vielen nationalen Steueroasen endlich auszutrocknen, ein solcher Gesetzgeber ist mitverantwortlich für den Verfall der Steuerzahlungssitten.
Kampf um besseres Recht
Ein Gesetzgeber ohne Besteuerungsmoral erzeugt bei den Steuerbürgern keine Steuermoral.
Nach Klaus Tipke ist „die gerechte Verteilung der Gesamtsteuerlast auf die einzelnen Bürger ein Imperativ der Ethik. Die vornehmste Aufgabe eines Rechtsstaates ist es, für gerechte Regeln zu sorgen und sie durchzusetzen, seine Bürger vor Unrecht zu schützen“.
Ein Gesetzgeber ohne Besteuerungsmoral erzeugt bei den Steuerbürgern keine Steuermoral. Vielmehr gefährdet die staatliche Steuertyrannei die (noch) vorhandene bürgerliche Steuermoral, und damit die Höhe des Steueraufkommens.
„Der Kampf um ein besseres Recht ist zunächst der Kampf gegen die alte Herrschaft“, spricht Paul Kirchhof. Vielleicht wird die herrschende (angeblich) „alternativlose“ Unrechtspolitik durch eine rechtsstaatliche „Alternative für Deutschland“ abgelöst. Wäre gut so!