Repor­tagen aus der Innen­welt des Rechts - 25. Oktober 2013

Staublunge der Rechthaberei

Die Welt der Gerichts­säle ist die schil­lernde Bühne des Rechts. Weniger auf­fällig arbeitet der größere Teil der An­wälte und Juristen in anderen Be­reichen. Das offen­bart Prof. Dr. Benno Heussen in seinen Auf­zeich­nungen seiner beruf­lichen Stationen und Lebens­er­in­ne­rungen.

Die Liste der Juristen, die als Schriftsteller tätig waren, ist lang: Cicero, Morus, Montesquieu, Molière, Balzac, Goethe, Kafka, Tucholsky, um nur einige zu nennen. Heute sind Rechtsanwälte wie Bernhard Schlink und Herbert Rosendorfer für ihr literarisches Wirken bekannt. Es gibt viele Gemeinsamkeiten. Die vielleicht wichtigste: In Literatur und Recht geht es jeweils um den Zusammenhang von Realität und Sprache. In dieser schönen Tradition hat der lange Jahre mit Praxis in München und Berlin arbeitende Rechtsanwalt Benno Heussen ein umfangreiches Werk veröffentlicht, das zwischen Fachbuch und Belletristik irrlichtert, eine Art Tage- oder Erinnerungsbuch, das das Feuilleton als anwaltlichen Entwicklungsroman bezeichnet hat.
In zahlreichen kleinen Skizzen schildert er, wie die Welt des Rechts sich in den letzten 47 Jahren entwickelt hat. Seinen eigenen Werdegang verbindet er mit den gesellschaftlichen Ereignissen und politischen Entwicklungen. Von der 68er-Bewegung über die bleierne Zeit der Endsiebziger bis zum Mauerfall: Sehr genau beobachtet er den gesellschaftlichen Wandel und reflektiert über seinen beruflichen Horizont. Er beschreibt dabei seine Begegnungen mit Anwälten, Richtern, Politikern und zeitgeschichtlicher Prominenz, denen er persönlich begegnet ist. Er spart dabei nicht mit scharfsinnigen Bemerkungen über die Befindlichkeit der Justiz und des Rechts und schließt selbstkritische Äußerungen nicht aus, zuweilen distanziert, dann wieder amüsant und selbstironisch. Die Biografie ist beeindruckend. Man merkt, dass dieser Anwalt nicht nur versuchte, die juristischen Fälle seiner Mandanten zu lösen, sondern tief in die Materie von Recht und Gerechtigkeit eingetaucht ist.
Benno Heussen stammt aus einer rheinischen Architektenfamilie. Er wuchs in Düsseldorf auf, studierte Jura in Berlin, Freiburg und München. Unmittelbar nach der Anwaltszulassung 1973 wagte er mit drei Studienfreunden den Schritt in die Selbstständigkeit. „Wir haben wie damals jeder Anwalt keine Chance gesehen, uns zu spezialisieren.“ Das kam erst später. Mitte der Achtziger hat er sich dafür entschieden, ausschließlich technisches Recht mit dem Schwerpunkt Computerrecht zu machen. Das war aber nur möglich, weil sein Büro eine breite Basis als General Practice hat. Die jüngeren Kollegen, meint er, haben heute sehr viel früher die Chance, sich mit einem sehr engen Spezialgebiete einen Namen zu machen. Dies markierte einen Wendepunkt.

Anwälte sind Einzel­wesen, auch wenn sie in Sozie­täten mit­einander arbeiten.

Heute zählt seine Sozietät Heussen Rechts­anwalt GmbH mit mehreren Stand­orten in Deutschland, Re­prä­sen­ta­tions­büros in New York und Brüssel sowie Ko­ope­ra­tionen in den Nieder­landen (Amsterdam) und Italien (Rom, Mailand) zu den 50 großen Sozie­täten in Deutsch­land. Er gehört ihr heute als Of-Counsel an und berät die Christoffel-Blinden­mission (cbm) pro bono. Die Christoffel-Blinden­mission (gegründet 1908) gehört zu den größten inter­natio­nalen Hilfs­organi­sa­tionen mit einer klaren Spezia­li­sierung: Sie sorgt in Dutzenden von Kliniken dafür, dass die Leute wieder sehen können. 2010 wurde die zehn Millionste Operation am Grauen Star durch­geführt. Heussen be­gründet sein Engage­ment mit den Worten: „Nur wer lesen und schreiben kann, ist auch in der Lage, seine Rechte wahr­zu­nehmen.“
Nach langjähriger Tätigkeit als Lehrbeauftragter in München, Berlin und Hannover ist Heussen Honorarprofessor an der Leibniz Universität Hannover in einem Post-graduate-Studiengang für IT-Recht (Eulisp). Neben seinem wissenschaftlichen Interesse an IT-Recht hat er zahlreiche Bücher und Aufsätze im Bereich Recht und Wirtschaft geschrieben. Ein weiterer Schwerpunkt liegt in theoretischen Arbeiten zur Organisation, Taktik und Psychologie der Verhandlungsführung auch auf internationalen Märkten. Daneben ist er in vielen Schiedsverfahren als Anwalt und Richter aufgetreten. Wobei der Wechsel in die Rolle des Richters zu den tragenden Erfahrungen seines Berufslebens gehört. Und er war an der Gründung der Gesellschaft für Wirtschaftsmediation beteiligt. In langen Jahren ehrenamtlicher Tätigkeit für den Deutschen Anwaltverein (DAV) war er im Vorstand des DAV und gründete die Arbeitsgemeinschaft Informationstechnologie sowie die Arbeitsgemeinschaft Kanzleimanagement.
Zurückblickend auf die vergangenen vierzig Jahre kommt er zu dem Schluss: „Erst die Praxis hat mich davon überzeugt, dass es wert ist, die Zeit seines Lebens mit diesem Thema zu verbringen. Jeder Beruf prägt den Charakter und wenn einen die Staublunge der Rechthaberei nicht erwischt, lernt man als Anwalt, dass jedes Problem viele unterschiedliche Aspekte hat, die es verdienen, ernst genommen zu werden. Nur wenige Anwälte werden ideologiekrank.“

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HF
Herbert Fritschka

Redaktion DATEV magazin

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