Gebührenrecht contra Honorarverfall - 11. Juli 2013

Kostenlos beraten?

Sind wir auf dem Pilgerweg zum billigen Jakob? Thomas Gebhardt plädiert für ein Fortbestehen der Gebührenordnung bei den freien Berufen.

Die Abschaffung der bestehenden Gebührenordnungen bei den freien Berufen gilt manchen als Heilmittel gegen stagnierende Umsätze und einen sich verschärfenden Wettbewerb. Beinahe gebetsmühlenartig wird die schlichte Botschaft wiederholt: Das bestehende Gebührenrecht verhindere höhere Umsätze und Erträge und stehe dem Wettbewerb im Wege. Das Honorargefüge müsse freigegeben werden und die Gebührenordnungen gehören abgeschafft. Die das fordern sind neben anderen auch Kollegen, die ihrerseits Kanzleien beraten und weiterhin ihre Berufsbezeichnung für die Eigenwerbung führen, ihren Beruf aber selber seit Jahren zum Teil gar nicht mehr ausüben. Oder es sind die selbsternannten Branchenexperten einschlägiger Wirtschaftsgazetten, die gerne turnusmäßig und manchmal auf Stammtischniveau die vorgeblich schlechte Leistung und die überhöhten Gebühren der Steuerberaterzunft anprangern.
Doch stimmt die Annahme wirklich, dass sich mit einer Abschaffung des Gebührenrechts die wirtschaftliche Situation des einzelnen Berufsangehörigen verbessern ließe?

Ausgangslage

Bis auf den Berufsstand der Wirtschaftsprüfer verfügt wohl jeder freie Kammerberuf über ein eigenes Gebührenrecht. Die bestehenden Gebührenordnungen sichern vor allem eines: einen gesetzlichen Honoraranspruch für die Leistung des Berufsausübenden. Tatsächlich erlaubt eine Gebührenordnung zunächst einmal die Vergleichbarkeit von Honorarabrechnungen. Auch wenn die formale Gebührenrechnung dem Mandanten wenig zugänglich sein mag, so wird anhand des Gegenstandswerts und des danach zugrunde gelegten Gebührenrahmens ein Maßstab gesetzt. Dieser ist – weil vergleichbar – sowohl wettbewerbsfördernd als auch gerichtlich überprüfbar.

Wirtschaftliche Basis der Berufsausübung

Bereits die ersatzweise Bemessung der in § 612 BGB geregelten üblichen Vergütung vermag dies nicht zu leisten. Wie sollte ein solcher Vergleich erst bei einer völligen Freigabe des Gebührenrechts möglich sein? Tatsächlich gibt das Gebührenrecht dem Berufsausübenden überhaupt erst einmal eine Berechnungsbasis für dessen Leistungsabrechnung an die Hand. Das Gebührenrecht schafft damit die wirtschaftliche Basis für die Berufsausübung. Aus welchem vernünftigen Grund sollte man darauf ernstlich verzichten wollen?

Das Gesetz der Wirtschaft
verbietet es, für wenig Geld viel Wert zu erhalten.

Selbstbewusster werden

Als Angehörige der freien Berufe müssen wir unseren Honorar­anspruch vor allem mit mehr Selbst­bewusstsein einfordern. Der englische Sozial­reformer John Ruskin formulierte es im 19. Jahr­hundert in dem nach ihm benannten Preis­gesetz so: „Das Gesetz der Wirtschaft verbietet es, für wenig Geld viel Wert zu erhalten.“
Für die Ange­hörigen der freien Berufe heißt das übersetzt: Zu einer pro­fessionellen Leistungs­erbringung gehört auch eine pro­fessionelle Leistungsabrechnung. Letztere scheitert aber oft nicht am bestehenden Gebühren­recht, sondern am mangelnden Selbst­bewusst­sein und einer schwachen Selbst­wahr­nehmung der freien Berufs­stände. Beides ausgelöst oder verstärkt aus Furcht vor der üblichen Berater­schelte und dem unter­stellten Anspruch der Ver­braucher, nebenan alles billiger zu bekommen. Gerade deswegen aber hätte eine Ab­schaffung des Gebühren­rechts doch nur eines zur Folge: einen Honorar­verfall ohne geregelte Preis­unter­grenze.

Nicht zu preiswert sein

Wären sich alle Angehörigen unseres Berufs­stands über eine ein­heit­liche Abrechnung nach dem Gebühren­recht einig und würden sie diese ohne Furcht vor Preis­unter­bietung vornehmen, ließe sich bereits dadurch der Umsatz für den gesamten Beruf steigern. Nicht in jedem Einzel­fall, aber im Durch­schnitt.
Das Problem gerade des steuer­beratenden Berufs ist nämlich nicht, dass er zu teuer ist, sondern im Verhältnis zum unter­nehmer­ischen Risiko und zum tat­säch­lichen Nutzen zu preiswert.
Aus der Volks­wirtschafts­lehre wissen wir: Bei einem Über­angebot fällt der Preis. Und bei den wirtschafts­beratenden Berufen besteht dieses Über­angebot jeden­falls in den Ballungs­räumen seit vielen Jahren. Die wirtschaft­liche Situation von Berufs­ein­steigern wie auch etablierten Kollegen ist dort schwächer geworden als noch vor Jahren.

Ohne Gebührenrecht mehr Honorar?

Doch liegt die Ursache dafür im Gebührenrecht? Eine nachvollziehbare Begründung für eine solche These fehlt bislang. Hingegen versuchen die Protagonisten einer Gebührenfreigabe, genau diesen Eindruck zu erwecken: Ohne Gebührenrecht gäbe es mehr Honorar. Warum aber sollte das mit dem bestehenden Gebührenrecht nicht schon der Fall sein? Wo doch schon der bestehende Wettbewerb diese Honorargrenzen nach oben zieht. Der billige Jakob kann nicht der Maßstab für die Zukunft des freien Berufes sein. Die Abschaffung des Gebührenrechtes würde aber genau diesen Weg weisen, an dessen Ende die allermeisten Freiberufler dann stünden.

Wirtschaftsprüfer ziehen nach

Pikanterweise wird aktuell für den Berufs­stand der Wirtschafts­prüfer die Ein­führung einer bislang fehlenden Gebühren­ordnung diskutiert. Anlass ist der Honorar­verfall ausgelöst durch den zurück­liegenden Preis­wett­bewerb in dieser Branche. Durch Preis­senkungen oder kosten­lose Angebote lassen sich bereits geringe Umsätze eben nicht steigern. Et voilà, so geht es nämlich nicht.

Das Ruskinsche Preisgesetz

Das Ruskinsche Preisgesetz

Es gibt kaum etwas auf dieser Welt, das nicht irgendjemand auf dieser Welt ein wenig schlechter machen und etwas billiger verkaufen könnte, und die Menschen, die sich nur am Preis orientieren, werden die gerechte Beute solcher Machenschaften.

Es ist unklug, zu viel zu bezahlen, aber es ist noch schlechter, zu wenig zu bezahlen. Wenn Sie zu viel bezahlen, verlieren Sie etwas Geld, das ist alles. Wenn Sie dagegen zu wenig bezahlen, verlieren Sie manchmal alles, da der gekaufte Gegenstand die ihm zugedachte Aufgabe nicht erfüllen kann.

Das Gesetz der Wirtschaft verbietet es, für wenig Geld viel Wert zu erhalten. Nehmen Sie das niedrigste Angebot an, müssen Sie für das Risiko, das Sie eingehen, etwas hinzurechnen. Und wenn Sie das tun, haben Sie auch genug Geld, um für etwas Besseres zu bezahlen.

 

Zum Autor

Thomas Gebhardt

Thomas Gebhardt ist Steuerberater und Inhaber der KGB – Kanzlei Gebhardt – Beratung für Steuerrecht und Wirtschaft in Köln.

Weitere Artikel des Autors