Genossenschaft gestalten - 18. Juli 2014

Geduld und Weitsicht

Nach zwölf Jahren im Aufsichtsrat gibt Reinhard Verholen sat­zungs­be­dingt seinen Vorsitz ab. In ­dieser Zeit hat er un­er­müdlich Impulse gesetzt, den Finger stets in Wunden gelegt und damit für DATEV und den Berufs­stand viel vor­an­ge­trieben und bewegt. Blicken wir zurück und sagen: vielen Dank, Reinhard Verholen.

Jede Unternehmensentscheidung ist mit Chancen und Risiken verbunden. Bei einigen Entscheidungen erkennt man das Resultat sofort, bei anderen – vor allem bei langfristigen – braucht man ein bisschen Geduld“, resümiert Reinhard Verholen, der gerade seinen Aufsichtsratsvorsitz bei DATEV an Dirk Schmale übergeben hat, über die vergangenen acht Jahre auf diesem Posten. Worte, die Weitblick und Gelassenheit erkennen lassen. Und reichhaltige Erfahrung, die Reinhard Verholen gemacht hat – besonders wenn sich der beharrliche Rheinländer stets engagiert und streitbar für den Berufsstand und seine Genossenschaft eingesetzt hat. In seiner Amtszeit hat er große Meilensteine begleitet wie etwa die Umstellung auf DATEV pro, die Vollmachtsdatenbank in Zusammenhang mit der vorausgefüllten Steuererklärung sowie den Generationswechsel im Vorstand. „Da ich bereits seit zwölf Jahren dem Gremium angehöre, tritt die Wiederwahlbeschränkung ein“, erklärt Reinhard Verholen sein Ausscheiden.

Jede Entscheidung birgt Chancen und Risiken.

Der DATEV-Aufsichtsrat, der sich aus den Mit­gliedern und Mit­ar­bei­tern der Ge­nos­sen­schaft zu­sam­men­setzt, beruft den Vorstand und über­wacht ihn bei seiner Ge­schäfts­füh­rung und lässt sich in regel­mäßigen Sit­zungen über aktuelle Themen in­for­mieren. Er setzt sich aus sechs Mit­glieder- und sechs Arbeit­nehmer­ver­tretern, unter­schied­lichen Arbeit­nehmer­grup­pie­rungen sowie aus allen sat­zungs­mäßigen Berufs­gruppen zusammen. Kleine und große Kanzleien gehören zum Gremium.
Seit 2002 hat Reinhard Verholen DATEV-Geschicke mitgestaltet, indem er sich intensiv mit wichtigen Markt-, Produkt- und Genossenschaftsthemen auseinandersetzte, die für die Entwicklung der DATEV besondere Relevanz haben.
Zentral für DATEV und den Berufsstand sind dabei Datenschutz und Datensicherheit. „Seitdem ich dem Aufsichtsrat angehöre, spielte der Ausbau des Risikomanagements eine wichtige Rolle. Während sich 2002 noch eine Sonderprüfungsgruppe im Aufsichtsrat damit befasste, ist es mittlerweile in die jährliche Prüfung aufgenommen worden“, bewertet Reinhard Verholen die Gewichtung im Wandel der Zeit, gerade vor dem Hintergrund der aktuellen NSA-Abhörfälle.
Compliance ist seit 2007 ein Schwerpunkt im Aufsichtsrat. „Vor sieben Jahren ist das Thema durch gesetzliche Anforderungen, aber auch durch publikumswirksame Schlagzeilen zunehmend in den Fokus gerückt“, erinnert sich Reinhard Verholen. Dazu wurde ein elek-tronisches Hinweisgebersystem etabliert und ein Verhaltenskodex für DATEV definiert.
Grundlegende Änderungen waren die Aufnahme des mitgliedsgebundenen Mandantengeschäfts, des kommunalen Markts sowie die Dienstleistungen für sonstige Nichtmitglieder der DATEV. „Gerade in diesem Bereich ist der Rückblick sehr interessant“, sagt Verholen. Durch eine Satzungsänderung vor 14 Jahren wurde dann 2004 das mitgliedsgebundene Mandantengeschäft aufgenommen. Mittlerweile hat sich dieses zu einem umsatzstarken Zweig entwickelt. „Ich hoffe, wir haben gezeigt, dass wir mit sensiblen Themen auch im Interesse der Genossenschaftsmitglieder umgehen können“, erklärt er, denn die Förderung der DATEV-Mitglieder stand und steht immer im Mittelpunkt.
Mit den Chancen und Risiken der Auslandsaktivitäten setzt sich der Aufsichtsrat seit einigen Jahren kritisch auseinander. Ziel ist es, die länderübergreifende Zusammenarbeit gleicher Berufe zu fördern. Das Engagement ist in der zunehmenden Harmonisierung innerhalb Europas, der Entwicklung der internationalen Rechnungslegung, der Zunahme internationaler Kooperationen, der Betreuung von Kanzleien mit Niederlassungen im Ausland sowie internationalen Mandaten begründet.
Die Umstellung auf DATEV pro ging auch nicht geräuschlos am Aufsichtsrat vorbei. „Aber sie war und ist unumgänglich“, ist sich Reinhard Verholen sicher, denn die Entwicklung müsse nicht nur das Heute, sondern vor allem das Morgen sicherstellen. „Doch dann spitzte sich zusätzlich zum Jahreswechsel von 2013 auf 2014 die Servicesituation zu. Glücklich war damit keiner, am allerwenigsten die DATEV-Mitarbeiter. Mit überdurchschnittlichem Einsatz auf freiwilliger Basis versuchten sie, die Situation zu entschärfen und zu helfen, wo es ging. Selbst Prof. Kempf saß an der SEPA-Hotline“, so Reinhard Verholen.
„Unsere Genossenschaft ist ein Unternehmen, das nicht stillsteht, sondern Trends aufgreift, mitgestaltet und so Neues schafft“, fasst Verholen zusammen. „Was seinerzeit mit viel Kritik verbunden war, ist nun aus dem Geschäftsalltag der DATEV nicht mehr wegzudenken und ebnet den Weg, auch künftig erfolgreich zu sein.“ Denn die Genossenschaft wird sich auch weiterhin in einem sehr dynamischen Umfeld behaupten müssen, das durch schnellen technologischen Wandel und eine Vielzahl an Gesetzesänderungen geprägt sein wird.
Wir danken Reinhard Verholen für die langjährige vertrauensvolle Zusammenarbeit. In den Ruhestand begibt er sich nicht. Er will sich weiter für den Berufsstand engagieren und die privaten Hobbys noch ein wenig aufschieben. Er übernimmt neue und zusätzliche Aufgaben bei Kammer und Verband.

Zur Autorin

Kerstin Putschke

Chefredakteurin DATEV magazin

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