Rechtsschutz - 26. März 2015

Erfolgreich vor dem Finanzgericht

Der Bundesfinanzhof korrigiert immer häufiger zugunsten der Steuer­pflich­ti­gen. Der Steuer­be­rater sollte diese Ent­wick­lung für seine Mandanten nutzen.

Das Steuerrecht hat sich durch einseitige, unsystematische Beratung durch das Bundesministerium der Finanzen (BMF) zu einem chaotischen Monstrum entwickelt, das dem Gesetzgeber entglitten ist. Systematik, ausgleichende, faire Abwägung der Interessen des Fiskus gegenüber den Steuerpflichtigen sind häufig nicht wahrzunehmen. Die Fülle der Korrekturen der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH), die zugunsten der Steuerpflichtigen ausfielen, ist ein beredtes Beispiel, und das häufig noch rückwirkend. Deshalb ist die Durchsetzungsberatung des Steuerberaters gefordert.
Im Rahmen der Bearbeitung der Steuererklärung oder durch die Gestaltungsberatung wird der ermittelte (tatsächliche) Sachverhalt der rechtlichen Lösung zugeführt. Die vom Steuerberater entwickelte Lösung muss nicht mit der Verwaltungsauffassung übereinstimmen. Die Richtlinien und Hinweise der Finanzverwaltung stellen eine Meinungsäußerung dar, mehr nicht. Sie sind für den Berater und den Steuerpflichtigen nicht bindend. Über das Für und Wider der Rechtsmeinungen ist der Mandant umfassend aufzuklären. Erfolgschancen sind vorsichtig zu beurteilen, das Pendel des Steuerrechts ist erheblichen Kursschwankungen unterworfen. Was aussichtslos begann, wird zum Erfolg oder auch umgekehrt. Die Kosten des Streits, der Nutzen – eventuell über den Mandantenfall hinaus – sind zu verdeutlichen. Wenn nicht wir, wer dann? Hat die Rechtsfrage grundsätzliche Bedeutung, so ist es ratsam, sich von Anfang an darauf einzustellen, dass alle Instanzen einschließlich des BFH zu überwinden sind. Der dornige Weg der Nichtzulassungsbeschwerde ist einzuplanen, denn nicht jedes Finanzgericht (FG) lässt selbst bei grundsätzlicher Bedeutung die Revision zu. Dann heißt es, gemeinsam durchhalten und nicht auf halber Strecke aufgeben. Ist der Streit verfassungsrechtlicher Natur, ist der Gang zum Bundesverfassungsgericht (BVerfG) von vornherein einzuplanen. Achten Sie darauf, dass der Streitfall gerichtsfest ist. Sind andere Besteuerungsgrundlagen strittiger Natur, aber bislang zugunsten des Steuerpflichtigen gelöst worden, könnten diese bei Aufgriff durch das Gericht gegengerechnet werden. Eine Verböserung (§ 367 Abs. 2 Abgabenordnung [AO]) ist allerdings nicht möglich.

Außergerichtliches Rechtsbehelfsverfahren

Um Erfolg beim FG zu haben, bedarf es von vorneherein einer sorgfältigen und umfassenden Bearbeitung. Der zu erklärende Sachverhalt muss eindeutig erklärt und belegt sein. Dies beginnt mit der Steuererklärung. Folgt das Finanzamt (FA) nicht der in der Erklärung dargelegten Rechtsauffassung, so ist im Einspruchsverfahren alles zu tun, um das FA zu überzeugen. Lücken in der Darstellung des Sachverhalts, ­fehlende Belege und so weiter sind im Rechtsbehelfsverfahren zu schließen.
Selbstverständlich kann im Verfahren vor dem FG weiter an Sachverhalt und Nachweis „gearbeitet“ werden. Aber je klarer und souveräner das Vorverfahren ablief, umso überzeugender sind die Chancen beim FG. Die Glaubwürdigkeit des Vortragens ist nicht zu unterschätzen. Was erst sehr spät vorgetragen wird, obwohl der Sachverhalt schon lange bekannt war, ist nicht immer überzeugend. Richter sind häufig fiskalisch orientiert und glauben dann dem verspäteten Vortrag (wenn auch wahr) nicht so ganz.
Deshalb muss alles getan werden, dass der strittige Sachverhalt umfassend aufgeklärt und vorgetragen wird. Bei aller Wichtigkeit des entdeckten Steuerproblems dient das Einspruchsverfahren der Befriedung. Ein erzielter Kompromiss ist gegen die Chance, einen Musterprozess zu gewinnen, abzuwägen. Für einen Musterprozess sind mindestens zehn Jahre zu veranschlagen, zumindest, wenn das BVerfG angerufen wird. Betriebswirtschaftliche Gedanken seien an dieser Stelle erlaubt. Die Möglichkeit, den Sach- und Rechtsstand zu erörtern (§ 364a AO), sollte in der Alltagspraxis stärker genutzt werden, um den Steuerstreit abzuwenden. Allerdings ist dem FA durch das Image der Kanzlei zu verdeutlichen, dass der Gang zum FG nicht gescheut wird.

Klageverfahren

Die Einhaltung der Klagefrist aufgrund einer sachgerechten Fristenkontrolle sollte selbstverständlich sein. Wenn Sie die Klage nicht sofort begründen können, so bitten Sie um ausreichende, zielgerichtete Fristverlängerung, die zu begründen ist. Manche Gerichte kürzen die beantragte Frist. Sprechen Sie mit dem Vorsitzenden oder dem Berichterstatter des Senats, warum die erbetene Frist nicht gewährt wurde. Verweisen Sie auf die dann wohl kurzfristig anzuberaumende mündliche Verhandlung. Dieser Hinweis öffnet die Tür zu einem sachdienlichen Dialog und einer angemessenen Fristenlösung.
Grundsätzlich sollte das Recht der Akteneinsicht wahrgenommen werden, insbesondere bei komplizierten Sachverhalten (§ 78 Finanzgerichtsordnung [FGO]). Verzichten Sie nie auf die mündliche Verhandlung, auch nicht oder gerade erst recht nicht bei Fragen von grundsätzlicher Bedeutung. Es ist Ihre einzige Chance, Fehlgedanken der Richter zum Sachverhalt oder zur Rechtsauslegung zu korrigieren. Bei Rechtsfragen von grundsätzlicher Bedeutung wird oft auf eine mündliche Verhandlung verzichtet. Sie vergeben damit die Chance, das Gericht zu überzeugen. Bedenken Sie, dass bei einer mündlichen Verhandlung zwei ehrenamtliche Richter beisitzen und so den gesunden Menschenverstand vertreten. Sie benötigen nur noch die Stimme von einem Berufsrichter. Diese Chance der Überzeugungsarbeit darf man sich nicht entgehen lassen. Leider werden häufig die ehrenamtlichen Richter seitens des Vorsitzenden nicht ausreichend über den Streitstoff informiert. Die Gerichtspraxis ist sehr unterschiedlich. Von „vorbildlich vor der mündlichen Verhandlung umfassend erläutert“ bis zur „Nichtinformation der ehrenamtlichen Richter“ ist alles möglich. Sprechen Sie deshalb die ehrenamtlichen Richter an, inwieweit sie über die zu entscheidende Rechtsfrage aufgeklärt wurden. Wenn nicht, dann führen Sie nun den Streitstoff breiter aus, sodass die ehrenamtlichen Richter mitentscheiden können. Gehen Sie nie davon aus, dass der Richter das Recht kennt. Er sucht es genauso wie Sie. Im Gegensatz zum Richter präsentieren Sie bereits eine Lösung. Der Richter soll nun die richtige Lösung finden. Häufig findet er sie nicht, er hat nur einen Urteilsspruch gefunden, das kann etwas ganz anderes sein. Deswegen vermeiden Sie nie das Rechtsgespräch. Auch wenn die Richterbank Ihnen nahelegt, auf mündliche Verhandlung zu verzichten, so die Praxis des BFH, verzichten Sie nicht darauf.

Erörterungstermin

Vor der mündlichen Verhandlung kann der Erörterungstermin stehen. Das ist sinnvoll, wenn über das FG-Verfahren ein Kompromiss mit dem FA angestrebt wird. Die Praxis der FG zum Erörterungstermin ist unterschiedlich. Einige Senate vermeiden diese, andere versuchen, über diese Praxis viele Prozesse abzuschließen. So spart man Zeit für Urteile, die begründet werden müssen. Auch wenn die Revisionszulassung von Gerichts wegen zu beachten ist, stellen Sie den Antrag und begründen Sie ihn sowohl in der Klageschrift als auch in der mündlichen Verhandlung. Von der Richterbank kommt häufig der Hinweis: Das beachten wir schon, wir kennen die Rechtslage. Wer die Gerichtspraxis kritisch beäugt, wird feststellen, dass einige Senate § 115 FGO (Zulassung zur Revision) nicht kennen. Selbst in wichtigen Rechtsstreitigkeiten muss durch den BFH das Revisionsverfahren eröffnet werden, weil der Nichtzulassungsbeschwerde stattzugeben ist.
Für alle Verfahrenshandlungen gilt: Haben Sie keine Scheu, seien Sie selbstbewusst. Informieren Sie sich über die Rechtslage und so über die Entwicklung der anhängigen Streitfrage in der Gerichtsbarkeit.

Erforderliche Zusammenarbeit

Zu Recht fragen Sie nach der Arbeitszeit. Der Einzelkämpfer vor Ort wird diese Anforderungen nur selten erfüllen können, schon aus Zeitgründen sind natürliche Grenzen gesetzt. Auf die Zukunft gesehen, ­haben deshalb nur Zusammenschlüsse von Fachleuten eine Chance. Ein streitbarer und streitfreudiger Kollege wird die Sachen in der Kanzlei übernehmen können und müssen. Eine Zusammenarbeit der Kanzlei mit anderen Kanzleien kann eine gute Lösung sein. Es empfiehlt sich, die externe Beratung bereits im Einspruchsverfahren in Anspruch zu nehmen. Beginnt die Vertretung erst mit der Einspruchsentscheidung, müssen möglicherweise Sachverhalt und Begründung korrigiert werden.
Der VI. Senat des BFH hat die qualifizierte berufliche Tätigkeit in den Vordergrund gestellt, und das zu Recht. So gilt dieser Maßstab auch für die Beurteilung eines Arbeitszimmers.
Das BMF und der Gesetzgeber folgend führten eine Korrektur des Gesetzes durch. Die erste Tätigkeitsstätte soll maßgebend sein. Aufgrund des objektiven Nettoprinzips sind Werbungskosten nur in eingeschränktem Maß zu begrenzen. Die Neuregelung ist streitanfällig. Steuerpflichtige, die aufgrund der Neuregelung schlechtergestellt werden, sollten mit dem Steuerberater ein Klageverfahren nicht scheuen. Das BVerfG wird wieder ein Machtwort sprechen müssen.

MEHR DAZU

Die Datenbank LEXinform Steuern/Recht/Wirtschaft pro umfasst eine Vielzahl von Mustereinsprüchen. Mit wenigen Klicks können Sie im Sinne Ihrer Mandanten Einspruch einlegen. Nutzer der DATEV Eigenorganisation können die Daten automatisch übernehmen lassen.

Überdies sind alle anhängigen Verfahren vor dem Bundes­finanzhof in der Datenbank abrufbar.

Anhängige Verfahren vor den Finanzgerichten – die grundsätzlich nicht veröffentlicht werden – finden Sie zudem in der Rubrik „vom Berater für Berater“. Dort können Sie als Steuerberater Ihre eigenen Klagen vor dem Finanzgericht bekannt machen. Hiervon profitiert die Genossenschaft: Veröffentlichen Sie gemeinsam mit uns Ihre anhängigen Verfahren, besteht für Ihre Berufskollegen mit gleichartigen Themenstellungen die Möglichkeit, das Verfahren ihrer Mandanten gemäß § 363 AO auszusetzen.

Einen ersten Einblick in unsere Mustereinsprüche finden Sie zudem im Servicevideo „Mustereinsprüche in LEXinform nutzen“. Dieses finden Sie unter www.datev.de/servicevideo im Bereich Wissensvermittlung oder in LEXinform (Dok.-Nr. 1070843).

Zum Autor

HS
Hans-Peter Schneider

Steuerberater i. R., Gründungsgesellschafter des Schneiderteams, Lüneburg

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