Elektronische Rechnung - 6. Oktober 2022

E-Rechnung: „Das Thema wird alle beschäftigen.“

Warum eine übergreifende Pflicht für die E-Rechnung kommen wird und worauf Steuerberatungskanzleien und Unternehmen nun achten müssen.

Seit April 2020 müssen nahezu alle öffentlichen Auftraggeber in Deutschland elektronische Rechnungen annehmen. Mit Einführung des von der Ampelkoalition geplanten elektronischen Meldesystems für Rechnungen, bekannt unter dem Stichwort Continuous Transaction Control (CTC), wird die E-Rechnung in absehbarer Zeit auch für privatunternehmerische Geschäftspartner Pflicht.

Ivo Moszynski ist Vorstandsvorsitzender des Forums elektronische Rechnung Deutschland (FeRD) und Experte für E-Rechnung bei DATEV. Mila Otto ist Leiterin der politischen Büros der DATEV in Brüssel. Im Interview erklären sie, was das Meldesystem CTC ist, was es mit der kommenden allgemeinen Pflicht für E-Rechnungen zu tun hat und worauf Steuerberatungskanzleien und Unternehmen nun achten müssen.

DATEV magazin: Wie hoch ist denn der Prozentsatz an elektronischen Rechnungen in Deutschland?

IVO MOSZYNSKI: Das sind derzeit etwa 34%.

Könnte mehr sein, oder?

Ivo Moszynski: Ja. Die Frage ist, warum bisher nicht mehr Unternehmen die E-Rechnung vollumfänglich eingeführt haben, obwohl sie zahlreiche Vorteile bietet: Effizienzgewinne durch die Automatisierung der Buchführung, Beschleunigung der internen Freigabeprozesse, höhere Transparenz für den Unternehmer, um nur einige zu nennen. Aber: Um diese Vorteile nutzen zu können, müssen nicht nur die eigenen Geschäftspartner überzeugt werden, sondern auch Software und jahrelang bewährte Prozesse angepasst werden. Hier muss die Wirtschaft noch nachlegen.

Lieferanten von Behörden haben doch seit zwei Jahren gar keine Wahl mehr?

Ivo Moszynski: Das stimmt. Viele Lieferanten, die E-Rechnungen an die öffentliche Verwaltung stellen müssen, haben ihre Prozesse inzwischen auf die Bedürfnisse der Behörden angepasst. Beim Versand von E-Rechnungen an andere Geschäftspartner sind dieselben Unternehmen allerdings deutlich zurückhaltender. Das Problem ist, dass es keine zentralen Vorgaben gibt. Deshalb fehlt vielen Unternehmen die notwendige Sicherheit für eine grundsätzliche Umstellung auf die E-Rechnung. Damit die E-Rechnung ein Erfolg wird, ist es essentiell, dass von Anfang an ein ganzheitlicher Lösungsansatz angestrebt wird und der E-Rechnungsprozess nicht als Parallelprozess implementiert wird.

Wie meinen Sie das?

Ivo Moszynski: Bei der Umstellung auf die E-Rechnung geht es nicht nur darum, papierhafte Rechnungen zukünftig elektronisch auszutauschen. Vielmehr geht es darum, den Gesamtprozess von der Rechnungserstellung bis hin zur Bezahlung und Archivierung der Rechnung neu zu denken. Nehmen Sie beispielsweise das Thema Firmenlogo auf der Rechnung. Für viele Unternehmer ist das wichtig. Allerdings besteht eine elektronische Rechnung nur noch aus einem Datensatz, bildhafte Informationen sind gar nicht mehr vorgesehen. Ziel ist ja eine automatisierte Bearbeitung der Rechnung. Viel wichtiger sind also die Daten, die auf der Rechnung stehen.

Wie kann man sich die Übermittlung der elektronischen Rechnungen an die Behörden in der Praxis vorstellen?

Ivo Moszynski: Die elektronische Rechnung kann über verschiedene Wege erstellt und übermittelt werden. Sie kann beispielsweise direkt mit Hilfe einer Rechnungsschreibungssoftware eines Softwareanbieters erstellt und automatisiert im richtigen Rechnungsformat an die Rechnungseingangsportale der Verwaltungen übermittelt werden. Für alle Unternehmen, die noch keine geeignete Softwarelösung besitzen, bietet die öffentliche Verwaltung auch alternative Möglichkeiten für die Rechnungsübermittlung an.

Das klingt nicht allzu kompliziert

Ivo Moszynski: Ist es eigentlich auch nicht. Aber: Bund und Länder nutzen unterschiedliche Rechnungseingangsportale und entwickeln diese Portale ständig weiter. Auch die in Deutschland geltenden E-Rechnungsformate XRechnung und ZUGFeRD werden regelmäßig verbessert. Auf diese Änderungen müssen Rechnungssteller, Softwareanbieter und Rechnungsempfänger regelmäßig reagieren, damit die E-Rechnungen zuverlässig zugestellt werden können.

Was müssen die Beteiligten da konkret tun?

Ivo Moszynski: Die Umstellung auf die E-Rechnung ist ein typisches Digitalisierungsprojekt. Neben der Einführung neuer Software müssen etablierte Prozesse analysiert, hinterfragt und notfalls angepasst werden. Auch die menschliche Komponente spielt eine Rolle: Mitarbeiter müssen geschult und Geschäftspartner informiert werden. In der Regel ist dies ein besonders wichtiger Teil bei der Umstellung.

Wie unterstützt DATEV bei der Umstellung?

Ivo Moszynski: DATEV verfolgt mit seinen Softwarelösungen den Ansatz, dass die Erstellung einer elektronischen Rechnung nicht komplizierter sein darf als die Erstellung einer Papierrechnung. Wir versuchen so weit wie möglich, die Komplexität aus unterschiedlichen elektronischen Übertragungskanälen und verschieden Datenformaten vom Anwender fernzuhalten. Mit den DATEV-Lösungen wird der Versand und der Empfang elektronischer Rechnungen vereinfacht und die komfortable Weiterverarbeitung in den Rechnungsprogrammen der Geschäftspartner gewährleistet.

Nun soll demnächst ein neues Meldesystem namens Continuous Transaction Control, kurz: CTC kommen. Was ist damit gemeint?

MILA OTTO: CTC-Systeme werden maßgeblich dazu eingesetzt, um den Umsatzsteuerbetrug einzudämmen. Dabei haben verschiedene Staaten verschiedene Modelle gewählt. Ziel ist jedoch immer, eine staatliche Kontrolle von Transaktionen zu ermöglichen, um Steuerbetrug zu bekämpfen. Häufig spielt der Rechnungsaustausch in einem CTC-System eine zentrale Rolle und die Finanzverwaltung schaltet sich in den Rechnungsaustausch zwischen Versender und Empfänger ein. Damit das funktioniert, ist eine elektronische Rechnung in einem strukturierten Datenformat notwendig. „Continuous Transaction Control“ bedeutet wörtlich, dass eine fortlaufende automatisierte Kontrolle der Rechnungen bei der Finanzverwaltung stattfindet – in Echtzeit. Dazu werden allerdings auch neue Technologien und Plattformen benötigt.

Wann soll das Meldesystem denn kommen und welche Unternehmen sind davon betroffen?

Mila Otto: Über kurz oder lang wird das Thema alle beschäftigen. Laut Koalitionsvertrag der neuen Ampelregierung soll das elektronische Meldesystem für Rechnungen schnellstmöglich eingeführt werden. Viele Staaten haben das bereits erledigt oder sind gerade dabei. Und für die aktuell noch gar nicht erfassten grenzüberschreitenden Transaktionen wird derzeit auf EU-Ebene die Einführung von europäischen Vorgaben geprüft. Ende 2022 ist mit einem Gesetzesvorschlag für „VAT in the Digital Age“ zu rechnen. Es ist davon auszugehen, dass damit die Verpflichtung zur elektronischen Rechnung für grenzüberschreitende Transaktionen kommt.

Deutschland wird vor diesem Hintergrund nicht nur ein System einführen wollen, sondern das auch müssen. Dabei hat es die die Chance, aus den Erfahrungen der anderen Staaten zu lernen und sich für ein System zu entscheiden, dass die Vorteile für Staat und Wirtschaft vereint.

Wie machen andere EU-Länder das denn?

Mila Otto: Italien zum Beispiel hat ein zentrales Meldesystem eingeführt. Dies bedeutet, es muss jede Rechnung in Echtzeit an die Finanzverwaltung übermittelt werden. Der Rechnungsempfänger muss die Rechnung anschließend von der Finanzbehörde abrufen. Die Erfolge bei der Umsatzsteuerbetrugsbekämpfung sollen beachtlich sein.

Klingt gut. Wäre das auch etwas für Deutschland?

Mila Otto: Stand heute würde ich in Deutschland eher ein dezentrales Modell favorisieren, wie es derzeit in Frankreich umgesetzt wird. Hier können bestehende E-Rechnungskreisläufe und -installationen beibehalten werden und das Ausfallrisiko ist geringer als bei einer zentralen Lösung.

Kommt damit jetzt der seit langem erwartete und von vielen erhoffte endgültige Durchbruch der E-Rechnung in Deutschland auch im Business-Bereich?

Ivo Moszynski: Ich würde sogar noch etwas weiter gehen: Mit der Einführung eines zentralen Meldesystems wird nicht nur die E-Rechnungsquote von derzeit 34% auf perspektivisch 100% angehoben, es wird vor allem einen Schub bei der Digitalisierung der kaufmännischen Prozesse geben.

Was möchten Sie den DATEV-Kunden abschließend empfehlen?

Ivo Moszynski: Die flächendecke Umstellung der E-Rechnung wird kommen, davon müssen wir ausgehen. Sie kommt sogar schneller als wir vermutet haben. Es sollte auf gar keinen Fall bis zum letzten Tag gewartet werden, denn der zeitliche Aufwand für die Implementierung ist nicht zu unterschätzen und variiert je nach Anforderungen enorm.

Es geht zum einen darum, dass die Mitarbeiter frühzeitig eingebunden werden und zum anderen um die Investitionen in Projekt- und Infrastrukturkosten, die eingeplant werden müssen. Was dann noch fehlt ist, die richtige Softwarelösung auszuwählen, um eine Umstellung auf die E-Rechnung so einfach wie möglich zu gestalten, damit es sich lohnt.

Nehmen Sie unsere Expertise in Anspruch. Wir unterstützen und begleiten Sie von Beginn an, selbstverständlich auf Wunsch auch bei Ihren Mandaten.

Frau Otto, Herr Moszynski, vielen Dank für das Gespräch!