Die innere Haltung - 28. Mai 2015

Damit uns nichts aus der Balance bringt

Steuerberater Stefan Schnabel be­schäftigt sich mit in­te­gra­ti­ven An­sät­zen zur Be­wäl­ti­gung des Wi­der­spruchs im Be­ra­ter­leben. Er fragt sich, ob uni­ver­sel­le Stra­te­gien zur Kon­flikt­be­wäl­ti­gung aus­reichen oder ob be­rufs­stands­spe­zi­fische He­raus­for­de­run­gen ge­löst werden müssen, um das Gleich­ge­wicht zu erhalten.

Don´t let other people cancel your day! Positiv formuliert: Bestimme dich selbst! Dieser schlichte Satz bringt auf den Punkt, was in konfliktträchtigen Situationen oder Umgebungen zugleich objektives Erfordernis wie auch subjektiver Appell an uns alle ist: Erfordernis, weil wir ohne ein gewisses Maß an Immunisierung gegen jedweden Ärger nicht produktiv sein können, und Appell, insofern es gar nicht so einfach ist, belastende Erlebnisse, Umstände oder Tatsachen so weit auf Distanz zu halten, dass sie einem tatsächlich nicht die Stimmung und den Tag verderben.
Die Tugenden und Mittel, die uns hier helfen, müssen weder von spirituellen Leitfiguren noch aus der Apotheke kommen (beides gibt es freilich – mit fragwürdigen Folgen), sondern sind, wenn man denn einmal innehält und sich die Struktur wiederkehrender konfliktträchtiger Situationen vergegenwärtigt, aus der eigenen Persönlichkeit zu schöpfen.
Zunächst: Welche spezifischen, von denjenigen eines jeden berufstätigen Menschen sich unterscheidenden Anforderungen kommen auf den Steuerberater als Konflikt- und Stressbewältiger überhaupt zu? Es sind jene, die aus der Fülle und Komplexität der Gesetze, Verordnungen et cetera auf ihn eindrängen (Bin ich dem allen fachlich jederzeit gewachsen?), sowie jene, die aus der Dynamik und den Binnenverhältnissen des Kanzleibetriebs entstehen (Bewältigung der Arbeitsmenge, Handhabung immer wieder neuer Software, Büroorganisation, Terminplanung, Konflikte mit und zwischen einzelnen Mitarbeitern, Umgang mit – zum Teil schwierigen – Mandanten …).

Der schleichende Raubbau am eigenen Selbst

Diese beiden potenziellen Konfliktfelder (fachliche Anforderungen, Gesetze sowie die Anforderugen des Kanzleibetriebs) neigen bei vielen Berufsständlern zu unguter, ja fataler Raumforderung mit dem Ergebnis, dass Familie, Freunde, das eigene Selbst und damit das, was unsere Identität ausmacht, einer fortschreitenden Erosion unterliegen. Diese hat nicht – wie man zumeist denkt – nur etwas mit allfälligem Zeitmangel zu tun, sondern mit dem Unvermögen, sich ausreichend abzugrenzen, Freiräume im eigenen Innern zu schaffen: Reservate für Privatheit und den autonomen Perspektivwechsel. Einmal gewissermaßen von der Seite betrachtet, entpuppt sich nämlich vieles von dem, was uns als selbstverständlich zu beschreitender Weg erscheint, als fremdbestimmter Dauerlauf auf den Hühnerleitern formloser Zwecke. Und am Ende droht, von Partner, Familie und Freunden isoliert oder gar verlassen, das hässliche Wort: Burn-out-Syndrom.

Ein Meister des Zen-Buddhismus erklärt sein Geheimnis: „Wenn ich gehe, dann gehe ich. Wenn ich schlafe, dann schlafe ich.“

Die Lösung, der Stefan Schnabel hier die entscheidende Tragfähigkeit attestiert, besteht in der umfassenden Übernahme der Verantwortung für sich selbst auf der Basis der eigenen Identität. Will sagen: Das Bewusstsein, dass letztlich nur wir selbst es sind, die unsere eigene Situation verantworten (und weder Sachzwänge noch andere extrinsische Faktoren haftbar gemacht werden können), stößt das Tor zu einem grundlegenden inneren Haltungswandel auf. Gelingt es, aus der eigenen Identität – bestehend aus körperlicher Integrität, dem eigenen sozialen Netzwerk, der eigenen Leistungsfähigkeit, der materiellen Sicherheit und dem eigenen Werthorizont – ­heraus zu handeln, erwachsen aus diesem Handeln Kraft und Zufriedenheit. Kopf, Brust und Bauchgefühl, in diesem Sinne in Einklang gebracht, verhelfen zu uneingeschränkter Präsenz, einem Sein ganz im Hier und im Jetzt, unbelastet von dem, was war, wie auch von dem, was an Ungutem sein könnte oder sein wird. Allein diese Präsenz, das Einssein mit dem Augenblick, ermöglicht die Apperzeption, die reine, offene Wahrnehmung ohne jede Präjudikation, ohne Befürchtungen, Ärger, Zorn, Frustration – sie stellt die Dinge des Lebens an den rechten Platz. Nichts anderes lehrt im Übrigen auch der Zen-Buddhismus. Ein Meister, einst gefragt, was sein Geheimnis ausmache, gab schlicht zur Antwort: „Wenn ich gehe, dann gehe ich. Wenn ich esse, dann esse ich. Wenn ich schlafe, dann schlafe ich.“ Diese Form der Achtsamkeit ist keine Theorie. ­Beispielsweise auf die Mandantenbeziehung angewandt, verändert sie die Art unserer Kommunikation, hebt das Gespräch über die bloße Sach­ebene empor, macht aus dem bloßen Treffen eine Begegnung, stiftet Vertrauen und Konsens und das, was man eine Beziehung nennt. Viele solcher Erfahrungen wirken sich auch auf etwas Weiteres aus, nämlich die Resilienz, das Vermögen, auch nach Belastungen und Misslingenserfahrungen alsbald wieder in den Zustand eigener Mittigkeit zurückzufinden, von dem aus allein alle Tatkraft entspringt. Durch geeignete Übungen und Techniken lässt sich hier viel erreichen. Daher plant DATEV CHEF-Seminare zur Metaberatung. Wahrnehmungs-, Kommunikations- und Kontaktfähigkeit, Haltung, Resi­lienz und nicht zuletzt die Lebensfreude sollen darin geübt und ­gesteigert werden. Die genauen Inhalte sind ebenso wie die Terminierung in Vorbereitung und werden rechtzeitig bekannt gegeben.
Und wenn dann, solchermaßen gestärkt, an einem schönen Frühlingstag neue Verordnungen der Finanzverwaltung hereinflattern, ein Mandant am Telefon zu laut redet, weil er sich unzureichend beraten fühlt, ein anderer womöglich zum Wettbewerber gewechselt hat, wird all dies nicht mehr imstande sein, Ihnen den Tag zu verderben. Ihr Tag ist immer Ihr Tag!

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Wenn Sie Interesse an einem Seminar haben, dann schreiben Sie eine E-Mail an harald.held@datev.de

Zu den Autoren

Carsten Seebass

Redaktion DATEV magazin

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Stefan Schnabel

Diplom-Kaufmann, Steuerberater und Partner bei Schnabel & Zirkler, Nürnberg

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