Zivilprozessrecht - 12. April 2023

Zivilrechtliche Massenverfahren: BRAK fordert schlüssiges Gesamtkonzept

BRAK, Mitteilung vom 05.04.2023

Damit die Zivilgerichte Massenverfahren besser bewältigen können, fordert die BRAK ein schlüssiges Gesamtkonzept. Dabei müssen die Handlungsmöglichkeiten der durch Massenschäden betroffenen Parteien erhalten und grundlegende Prozessmaximen gewahrt werden.

Das Bundesministerium der Justiz (BMJ) arbeitet derzeit an Maßnahmen, mit denen die Zivilgerichte Massenverfahren schneller und effizienter bewältigen können. Ihre Belastung durch derartige Verfahren hat in den vergangenen Jahren deutlich zugenommen, beispielsweise durch die Diesel- und Wirecard-Verfahren. Auf Anfrage des Ministeriums hat die BRAK zu möglichen gesetzgeberischen Maßnahmen zur Entlastung und Verfahrensbeschleunigung Stellung genommen.

Problematisch ist aus Sicht der BRAK der Ansatz, Massenverfahren ursächlich auf ein Geschäftsmodell der Anwaltschaft zurückzuführen, wie dies von verschiedener Seite getan werde. Anstatt die Handlungsmöglichkeiten der von Massenschäden betroffenen Verbraucherinnen und Verbraucher und ihrer anwaltlichen Vertretung einzuschränken, seien effektiverer Verbraucherschutz und eine engmaschigere Kontrolle führender Wirtschaftsunternehmen erforderlich.

Die BRAK fordert ein schlüssiges Gesamtkonzept, wie das Phänomen Massenschäden und die daraus folgenden Klagen von der Justiz in einem praktikablen und zugleich rechtsstaatlichen Grundsätzen entsprechenden Verfahren bewältigt werden kann.

Das erfordere zunächst, dass Daten dazu erhoben werden, wie viele Massenverfahren es gebe und wie viele davon auf welche Weise erledigt bzw. entschieden werden. Zu klären sei außerdem, wie eine Überlastung durch Massenverfahren mit dem seit Jahren festzustellenden Rückgang der Eingangszahlen bei den Zivilgerichten zusammenpasse. Hierfür seien die Ergebnisse der vom BMJ dazu beauftragten Studie von großer Bedeutung. Den Abschlussbericht dieser Studie hat das Ministerium für Ende April in Aussicht gestellt.

Die BRAK spricht sich für die Einführung von Vorabentscheidungsverfahren beim Revisionsgericht und einer Aussetzungsmöglichkeit für Folgeverfahren aus. Auf diese Weise könne eine Klärung in einer Vielzahl von Einzelfällen erreicht werden.

Auf Ablehnung stoßen bei der BRAK Vorschläge, die prozessuale Handlungsmöglichkeiten der Parteien einschränken. Insbesondere lehnt sie eine Konzentration der Beweisaufnahme sowie die Einführung einer Möglichkeit ab, in Massenverfahren auch ohne Zustimmung der Parteien im schriftlichen Verfahren zu entscheiden. Die Einführung eines elektronischen Basisdokuments im Rahmen eines strukturierten Parteivortrags lehnt die BRAK ebenso ab wie eine Beschränkung des Umfangs und/oder der Anzahl der Schriftsätze und die Begrenzung des Instanzenzugs in Massenverfahren auf eine Tatsacheninstanz.

Für rechtsstaatlich höchst bedenklich hält die BRAK den Vorschlag, die Öffentlichkeit zur schnelleren Bearbeitung von Massenverfahren leichter ausschließen zu können. Der Grundsatz der Öffentlichkeit sei eine fest verankerte Prozessmaxime und dürfe nicht ausgehöhlt werden.

Quelle: BRAK, Nachrichten aus Berlin Ausgabe 7/2023