Professionalisierung - 30. März 2023

Ein Netz von Wissen

Gemeinsam werden wir stärker – und besser. Der langjährige Bestand unserer Berufsverbände zeigt, dass wir es mit der fortwährenden Professionalisierung ernst nehmen.

Vor einigen Tagen fiel mir durch Zufall noch einmal die Einladung zum Jubiläum des Steuerberaterverbands Köln in die Hände. Im vergangenen November konnte der Verband auf 75 Jahre Geschichte zurückblicken, was dem Anlass angemessen feierlich gemeinsam mit einigen hundert Gästen aus Wirtschaft, Politik, Finanzverwaltung und Gerichtsbarkeit in der Kölner Flora begangen wurde. Leider konnte ich persönlich nicht dabei sein, hatte aber die Ehre, virtuell mit einem Grußwort zu gratulieren. Und während ich darüber nachsinne, wie schön es ist, dass wir in unserem Berufsstand solche Jubiläen wieder gemeinsam feiern können, wird mir klar, dass es in der jüngsten Vergangenheit davon einige gegeben hat. So durfte ich bereits im Sommer 2022 dem Steuerberaterverband Hamburg persönlich zum 75-jährigen Verbandsjubiläum gratulieren.
Im Mai 2022 feierte der Steuerberaterverband Westfalen-Lippe sein 75-jähriges Bestehen. Auch hier fanden sich bereits zwei Jahre nach Ende des Zweiten Weltkriegs im zerbombten Bielefeld erste Mitglieder unseres Berufsstands zusammen. Die sogenannten Helfer in Steuersachen wollten sich gemeinsam fortbilden und das Ihre dazu tun, die zusammengebrochene Wirtschaft wieder auf Kurs zu bringen. Größere Verbandsjubiläen gab es auch im Jahr davor: Der Landesverband der steuerberatenden und wirtschaftsprüfenden Berufe in Bayern e. V. (LSWB) hatte sich sogar im Dezember 1945 das erste Mal getroffen, das bayerische Wirtschaftsministerium genehmigte den Verein dann im Februar 1946.

Vernetzung im besten Sinne

Der Deutsche Anwaltsverein kann inzwischen sogar auf eine mehr als 150-jährige Geschichte zurückblicken. Unter dem Motto „Die Anwaltschaft in besonderer Verantwortung – 150 Jahre Deutscher Anwaltverein“ fanden rund 80 Veranstaltungen während der fünftägigen, damals noch virtuellen Jubiläumsfeier statt. All diese Geburtstage zeigen meiner Meinung nach vor allem eines: dass wir als Steuerberater, Rechtsanwälte und Wirtschaftsprüfer von Anfang an verstanden haben, dass wir uns im positiven Sinne vernetzen müssen, um uns zu professionalisieren. Denn geht es bis heute nicht genau darum, dass wir uns – mit immer neuen Herausforderungen konfrontiert – immer wieder neu hinterfragen müssen? Dass wir die Potenziale einer Kanzlei erkennen müssen, um die Mandantschaft
optimal zu versorgen?
Die Digitalisierung ist der Schlüssel, um Effizienz zu steigern. Jedoch führt dies nicht automatisch zu mehr Professionalität in allen Abläufen. Es bedarf dazu einer anpassungsfähigen Kanzleiorganisation – und eines pointierten Erscheinungsbilds nach innen und außen. Heute sind die Herausforderungen klar zu benennen: zum einen der Wettbewerb um die Mandantinnen und Mandanten, die mit veränderten Bedürfnissen an unseren Berufsstand herantreten. Hier gilt es, ein klares Dienstleistungsportfolio anzubieten und die Professionalität der Steuerberater sowie der Angestellten durch regelmäßige Fortbildungen hochzuhalten. Zum anderen aber auch der Wettbewerb um Mitarbeiter, die sich einen attraktiven Arbeitgeber wünschen.

Wissen und Fähigkeiten stärken

Der demografische Wandel hat schon längst die Kanzleien erreicht, die Zahl der jungen Menschen, die dem Ausbildungsmarkt zur Verfügung stehen, sinkt deutlich. Zugleich steigen die Anforderungen an die Mitarbeiter. Talent development und Know-how development sind hier nur einige Schlagworte, wie wir unsere Kanzleien auch in Zukunft auf hoch professionalisiertem Stand halten können. Wenn wir den Blick in die Zukunft richten, so können wir hier die Positionierung des Berufsstands in der digitalen Welt nicht außen vor lassen. Das Berufsbild hat sich gewandelt: Moderne Mandanten erwarten nicht nur eine hohe Fachexpertise, sondern auch digitale Kompetenzen und künftig auch den Einsatz künstlicher Intelligenz. Zugleich wollen Mandanten in diesem Digitalisierungsprozess, der weiter voranschreitet, unterstützt werden, zumal Finanzverwaltung und Justiz sich ebenfalls zunehmend digital aufstellen.

Unternehmensberater und Krisenmanager

Was aber bleibt, haben wir in der Corona-Pandemie erlebt: Wir sind nach wie vor die wichtigsten Ansprechpartner für unsere Mandanten – gerade und vor allem dann, wenn es schwierig wird. Viele von uns haben den Spagat zwischen Unternehmensberater und Krisenmanager üben müssen, waren Fachmann und persönlicher Gesprächspartner zugleich. Auch darin liegen Professionalisierungschancen für die Zukunft: unser Wissen nicht nur auszubauen, sondern auch zu teilen, Outsourcing für andere Kanzleien zu übernehmen und am Ende vielleicht sogar eine Netzwerkwirtschaft aufzubauen. Und das wäre dann im besten Sinne eine Fortsetzung unserer historisch gewachsenen Verbandsarbeit.

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Zum Autor

Prof. Dr. Robert Mayr

Diplom-Kaufmann, Wirtschaftsprüfer, Steuerberater
CEO der DATEV eG; Die Genossenschaft gehört zu den größten Softwarehäusern und IT-Dienstleistern in Deutschland.
Seine Themen: #DigitaleTransformation, #DigitalLeadership, #Plattformökonomie und #BusinessDevelopment.
Seine These: „Die digitale Transformation ist keine Frage des Könnens, sondern des Wollens“

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