Den Pflichtteil sichern - 26. Januar 2023

Rückenwind für Enterbte

Pflichtteilsberechtigte, die sich aus gesundheitlichen, emotionalen oder finanziellen Gründen nicht allein mit den Erben streiten wollen, können ihre Ansprüche gegebenenfalls auch über entsprechende Dienstleistungen im Internet geltend machen.

Von den Eltern enterbt zu werden, ist eine der schlimmsten Verletzungen, die ein Mensch erfahren kann. Oft hat dies auch das Ende der Familienbande zur Folge, wenn die vermeintlich missratenen Sprösslinge für ihren Lebensstil, ihre Einstellung oder Aufmüpfigkeit abgestraft werden. Und zusätzlich schüren die Eltern damit post mortem auch noch Neid und Missgunst unter den Hinterbliebenen. Was so manche oder mancher Enterbte nicht weiß: So ganz leer geht sie oder er nicht aus. Denn der Gesetzgeber sieht für derartige Fälle zumindest den Pflichtteil vor, den vor allem enterbte Kinder oder übergangene Ehepartner verlangen können. Ganz leer geht hingegen nur derjenige aus, der vom Erblasser auch hinsichtlich des Pflichtteils enterbt wurde. Eine vollständige Enterbung ist aber nur möglich, wenn der Erblasser dem Enterbten auch noch den Pflichtteil entzieht. Das kommt aber nur bei sehr schweren Verfehlungen des Berechtigten in Betracht, etwa wenn das Kind die dem Erblasser gegenüber bestehende gesetzliche Unterhaltspflicht gemäß § 1601 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) böswillig verletzt.

Motive für eine Enterbung

Doch wer denkt, die Eltern hätten schon ihren guten Grund, warum sie ein Kind vom Erbe ausschließen, der irrt. Häufig sind es gerade die besonders eigenständigen Kinder, die enterbt werden. Den Eltern gefällt einfach deren Lebensstil nicht oder das betreffende Kind will nicht in den elterlichen Betrieb einsteigen. Nicht selten lehnt der Abkömmling es auch ab, einen Elternteil bis zum Tode zu pflegen, etwa weil sich die Eltern jahrelang selbst nicht um das Kind gekümmert haben.

Dunkelziffer bei den Pflichtteilsberechtigten

In den vergangenen 20 Jahren hat sich das Nettovermögen der privaten Haushalte in Deutschland mit 13,8 Billionen Euro mehr als verdoppelt. Davon könnten nach Schätzungen des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW) Berlin jedes Jahr bis zu 400 Milliarden Euro vererbt oder verschenkt werden. Die durchschnittliche Höhe dieser Erbschaften beläuft sich dabei real auf etwas mehr als 85.000 Euro pro Person. Wie viele Personen von den rund 980.000 Erbschaften jährlich ausgeschlossen werden, ist statistisch nicht erfasst. Auch dürfte es eine hohe Dunkelziffer derjenigen Pflichtteilsberechtigten geben, die gar nicht wissen, dass es den Pflichtteil gibt und sie einen Anspruch darauf haben. Hinzu kommen auch Personen, die sich aus Scham oder wegen fehlenden Selbstbewusstseins nicht trauen, ihre Geschwister auf den ihnen zustehenden Pflichtteil anzusprechen und im Zweifel auch gerichtlich durchzufechten.

Fehler vermeiden

Wenn jedoch enterbte Personen ihren Pflichtteil auf eigene Faust von den übrigen Erben verlangen, passieren nicht selten vermeidbare Fehler. Denn die Erben werden meist von Anwälten vertreten, die dann die Höhe der Erbschaft zugunsten ihrer Mandanten kleinreden. Tatsächlich aber gibt das Gesetz den enterbten Familienangehörigen einen schuldrechtlichen Anspruch auf die Hälfte des gesetzlichen Erbteils gegen die übrigen Erben. Doch letztendlich fließt erst Geld, wenn der Enterbte aktiv wird und seinen Anspruch gegenüber den Erben innerhalb der dreijährigen Verjährungsfrist auch geltend macht. Da die meisten Menschen nur einmal in ihrem Leben erben oder zumindest einen Pflichtteil geltend machen, fehlt ihnen einfach die praktische Erfahrung. Auch will man sich nach all der Schmach nicht selbst mit den Verwandten streiten müssen. Das schont das eigene Nervenkostüm und spart Kraft sowie Zeit. Vor diesem Hintergrund ist es ratsam, sich als Pflichtteilsberechtigter selbst fachlichen Rat zu sichern, etwa durch einen spezialisierten Anwalt. Statt mit den Erben um die Höhe des Nachlasses zu streiten, können Pflichtteilsberechtigte nämlich auch ein notarielles Nachlassverzeichnis verlangen. Dann muss ein Notar die einzelnen Nachlassgegenstände bewerten lassen. Doch ein solches notarielles Nachlassverzeichnis braucht seine Zeit – im Schnitt vergeht ein Dreivierteljahr, bis es erstellt ist.

Mit den Erben verhandeln

Alternativ kann man zunächst auch das Gespräch mit den Erben suchen, die sich bisweilen selbst verplappern, wenn sie etwa erzählen, im Haus der Eltern nach deren Tod noch 50.000 Euro in bar aufgefunden oder wertvollen Schmuck in einem verborgenen Wandtresor entdeckt zu haben. Entweder kommt es in dieser frühen Phase zu einem guten Vergleich oder das notarielle Nachlassverzeichnis wird später nur noch auf einzelne strittige Positionen beschränkt, sodass der Notar schneller fertig wird.

Das Kostenrisiko abschätzen

Die Kosten, die bei Prüfung von berechtigten Ansprüchen entstehen, sollten die Pflichtteilsberechtigten stets im Blick haben. Häufig müssen sie nämlich den Fall eingehend prüfen, Auskünfte einholen, mit den Erben langwierig verhandeln oder die Erbschaft von Sachverständigen bewerten lassen und im Extremfall uneinsichtige Erben gar verklagen. Falls ein Enterbter einen Anwalt einschalten würde, der den Pflichtteil in der angenommenen Höhe von 50.000 Euro einklagt, müsste der Mandant über zwei Instanzen bis zu 36.000 Euro Anwalts- und Gerichtskosten zahlen, falls er am Ende den Prozess verlieren sollte.

Legal Tech im Erbrecht

Wer dieses Risiko vermeiden will, kann sich inzwischen auch mit überschaubaren Kosten wehren und dennoch die Hälfte des ihm gesetzlich zustehenden Erbteils von den übrigen Erben verlangen. Über das Internet kann man sich inzwischen an junge Legal-Tech-Unternehmen wenden, wie etwa die erbschützer. Diese Unternehmen erkämpfen für Enterbte den Pflichtteil und bringen nach eigenen Angaben nur zwischen zwei und drei Prozent der Fälle vor Gericht. Sie arbeiten zudem auf reiner Erfolgshonorarbasis. Von der am Ende erstrittenen Summe erhalten die Legal-Tech-Unternehmen nur einen gewissen Prozentsatz. Geht der Pflichtteilsberechtigte diesen Weg, würde er in unserem Beispielsfall nur etwa 7.000 Euro zahlen – vorausgesetzt, sein Plan geht auf und die Erben überweisen ihm 50.000 Euro.

Zum Autor

Robert Brütting

Rechtsanwalt in Nürnberg und Fachjournalist Recht sowie Redakteur beim DATEV magazin

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