Lückenhafte Buchführung - 29. September 2022

Für Fehler verantwortlich

Was ist, wenn eine Kasse aufgrund technischer Mängel nicht richtig funktioniert? Wer ist dann schuld daran? Der Anwender, der Kassenhersteller oder derjenige, der das Kassensystem eingerichtet beziehungsweise programmiert hat?

Grundsätzlich ist ein Steuerpflichtiger für die Hilfsmittel, die er verwendet, selbst verantwortlich. Das gilt nicht nur für Geräte, sondern auch für Personen, also etwa Angestellte oder eine beauftragte Steuerberaterin beziehungsweise einen be­auftragten Steuerberater. Nach Auffassung der Finanzverwal­tung liegt die Verantwortung für die Richtigkeit einer steuerli­chen Erfassung stets und grundsätzlich beim Steuerpflichtigen, den man seitens der Finanzämter offensichtlich nicht aus der Verantwortung entlassen will. Dabei wird aber außer Acht ge­lassen, dass es im technischen Bereich zu Grenzfällen hinsicht­lich der Kontrolle beziehungsweise Kontrollierbarkeit kommen kann. Die Kassen in der heutigen Zeit sind Computersysteme, und PC-Abstürze oder ein merkwürdiges Programmverhalten können nur die wenigsten Anwender verstehen oder erklären. Wenn man etwa mit Microsoft Word auf einem Computer schreibt und der PC stürzt ab, ist der Text weg, es sei denn, man hat eine Sicherungskopie. Falls nicht, muss man von vorne beginnen. Bei den Kassen ist das vom Prinzip her ähnlich. Ob der Absturz nun verschuldet wurde oder nicht, spielt keine Rol­le. Wenn die Daten weg sind, ist man dafür verantwortlich, selbst wenn einem aus subjektiver Sicht kein Vorwurf zu ma­chen ist. Für die Finanzverwaltung jedenfalls ist derjenige zur Verantwortung zu ziehen, der das Hilfsmittel Kasse einsetzt. Wenn sie nicht funktioniert oder die Daten ganz oder teilweise verloren sind, ist der Anwender schuld. Gleiches gilt für den vom Steuerpflichtigen beauftragten Steuerberater. Sofern die­ser nicht korrekt arbeitet und beispielsweise Fristen versäumt oder vergisst, rechtzeitig Einspruch einzulegen, trifft dies auch den Steuerpflichtigen. Letzterer muss sich also genau überle­gen, wen er beauftragt beziehungsweise welches Kassensys­tem oder welches Hilfsmittel er verwendet. Das leuchtet zu­nächst auch ein, da der Finanzverwaltung nichts anderes übrig bleibt, als zu schätzen, wenn keine oder unvollständige und deswegen nicht vertrauenswürdige Kassendaten vorliegen. Steuerlich gesehen ist man also verantwortlich für die nicht vollständige oder eine lückenhafte Erfassung, auch wenn der Bereich des Steuerstrafrechts mangels Vorsatz nicht tangiert ist. Jedoch besteht die Gefahr, dass selbst ein Strafrichter dem Steuerpflichtigen nicht mehr glaubt und ihn wegen Datenlücken, für die er eigentlich nichts kann, verurteilt, denn er könnte ja doch vorsätzlich gelöscht haben.

Aspekte der Verteidigung

Die meisten Anwender sind weder Techniker noch PC-Freaks. Sie kennen sich mit der Programmierung einer Kasse nicht aus und verstehen auch nicht, warum ein Kassensystem abstürzt beziehungsweise welche Sachverhalte auf eine nicht vollständige Erfassung hindeuten. Der Betriebsprüfer oder Steuerfahnder, der die Kasse später analysiert, findet womöglich Lücken, die vorher niemand erkannt hat, die vielleicht noch nicht einmal dem Kassenaufsteller selbst bewusst waren. Oder es kommt zu unvorhersehbaren Programmabläufen, die zu Nichterfassungen oder Lücken führen, wie etwa bei Gastronomiekassen durch Tischumzüge oder durch technische Störungen. Möglicherweise sind auch einfach Fehleingaben oder eine falsche Tastenbenutzung die Ursache von Fehlern, die dann aber nichts mit einer Hinterziehung zu tun haben. Auch Stromausfälle oder Funkstörungen könnten die Ursache von PC-Buchungsabbrüchen und daraus entstandenen Zähl- oder Aufzeichnungslücken sein. Die Finanzverwaltung wird bei derartigen Auffälligkeiten stets auf Manipulationen oder Hinterziehungen des Steuerpflichtigen schließen. Ob dies der Fall ist, muss aber rechtlich geklärt werden. Dies setzt jedoch voraus, dass man die Lücken (durch Stromausfälle, Kassenabstürze oder Ausfälle der technischen Sicherheitseinrichtung) dokumentiert. Das wiederum geht aber nur dann, wenn man den Fehler auch mitbekommt. Letztendlich müssen derartige Fehlbenutzungen spätestens am gleichen Abend auffallen, wenn also Kassen-Soll und Kassen-Ist voneinander abweichen. Andere Lücken, die nicht im Umsatz zu sehen, aber dennoch nachweisbar sind, können gleichwohl auch Zweifel an der Vollständigkeit einer Erlöserfassung beziehungsweise Seriosität der Kassenbenutzung beim Prüfer erwecken. Wieder anders zu beurteilen ist der Fall, wenn Mitarbeiter den Unternehmer betrügen, was dieser jedoch nicht bemerkt. Auch hier wird die Finanzverwaltung zunächst dem Inhaber des Betriebs den Fehler anlasten und nicht irgendwelchen Servicekräften.

Regressansprüche

Sollte eine Kasse tatsächlich falsch programmiert sein, hat der Steuerpflichtige unter Umständen zivilrechtliche Ansprüche gegen den Kassenaufsteller. Dafür muss er sich aber gegen die Verwerfung der Buchführung und Zuschätzung wehren, denn der Schaden ist möglichst gering zu halten. Unter Umständen kann der Steuerpflichtige auch die Kosten für die Abwehr von unberechtigten Verwerfungen bei einer Betriebsprüfung durch das Finanzamt als Schadenersatz beim Kassenaufsteller geltend machen. Voraussetzung ist, dass sich bei den Aufklärungsarbeiten und der Analyse im Rahmen einer Betriebsprüfung oder des Einspruchs beziehungsweise durch ein Sachverständigengutachten im Klageverfahren ergibt, dass die fehlerhafte Speicherung oder die Lücken ausschließlich auf eine falsche Programmierung durch den Kassenaufsteller zurückzuführen sind. Gleiches gilt analog, wenn sich im Rechtsbehelfs- oder Klageverfahren ergibt, dass das System bereits beim Kassenhersteller falsch programmiert war und zu den Beanstandungen in der Betriebsprüfung führte.

Beweislastregel

Die Finanzverwaltung macht es sich relativ einfach, wenn sie bei auffälliger oder unverständlicher Programmierung stets eine Hinterziehung durch den Anwender der Kasse vermutet und ihm aufgibt, Unklarheiten und Zweifel zu bereinigen. Die Finanzverwaltung verkennt dabei den Grundsatz, dass sie nach Ansicht des Bundesfinanzhofs (BFH) ein steuerliches Mehrergebnis selbst beweisen muss und insbesondere sie für die verlängerten Festsetzungsverjährungsfristen oder auch für die Befugnis zur Verwerfung der Buchführung, für eine Haftungsinanspruchnahme oder für Zinsfestsetzungen nach § 235 Abgabenordnung (AO) sowie die Durchbrechung des erhöhten Bestandsschutzes nach einer Betriebsprüfung (§ 173 Abs. 2 AO), kurzum für alle Tatbestände, die eine Hinterziehung oder eine leichtfertige Verkürzung voraussetzen, die Darlegungs- und Beweislast trägt (BFH, Urteil vom 07.11.2006, VIII R 81/04; Urteil vom 12.07.2016, II R 42/14).

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Zum Autor

JB
Dr. Jörg Burkhard

Rechtsanwalt, Fachanwalt für Steuerrecht, Fachanwalt für Strafrecht, Wiesbaden

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