Treibhausgasneutralität 2035 - 20. Mai 2022

Osterpaket: Energiepolitik mit vielen Leerstellen

DIHK, Mitteilung vom 19.05.2022

80 Prozent Grünstrom bis 2030 derzeit unrealistisch

Das sog. Osterpaket ist die größte energiepolitische Novelle seit Langem. Das Bundeskabinett hat sie am 6. April beschlossen. Trotz ihrer 500 Seiten hinterlässt sie jedoch viele Leerstellen. Ohne weitere Änderungen im parlamentarischen Verfahren wird es schwierig, das Kernziel des Pakets, eine Quote von 80 Prozent erneuerbarer Energie beim Stromverbrauch bis 2030, zu erreichen. Die größten Hindernisse liegen in falschen Weichenstellungen, fehlenden Flächen, langen Planungs- und Genehmigungsverfahren und dem Mangel an Fachkräften.

Hindernis Planungsverfahren

Der DIHK bewertet die im Paket enthaltenen Vereinfachungen bei den Planungs- und Genehmigungsverfahren bei der Windkraft auf See sehr positiv. Dies kann den Zubau neuer Windparks deutlich beschleunigen. Abgesehen hiervon gibt es in dem Paket aber nur wenige Lösungsansätze. Die Maßnahmen bei der Windenergie sollten auch deshalb im Kern auf andere Infrastrukturvorhaben ausgeweitet werden.

Hindernis Bürokratie

Gerade bei den Solaranlagen bleiben zahlreiche bürokratische Anforderungen erhalten, die den Ausbau bremsen. Hierzu zählt beispielsweise, dass die gemeinsame Nutzung von Solarstrom in einem Gewerbegebiet durch rechtliche Anforderungen behindert wird. Auch sind die im Energieumlagengesetz getroffenen Regelungen für Entlastungen bei Strompreisumlagen nach der Abschaffung der EEG-Umlage hochkomplex und sie gehen teils deutlich über die beihilferechtlichen Vorgaben der EU hinaus. Insgesamt steht zu befürchten, dass viele Betriebe davon abgeschreckt werden könnten, die Entlastungen auch in Anspruch zu nehmen.

Ausstieg aus der Förderung jetzt

Im Koalitionsvertrag ist festgehalten, dass die Förderung für erneuerbare Energien mit dem Ausstieg aus der Kohleverstromung auslaufen sollten – zugunsten einer Durchsetzung am Markt und der damit ausgelösten Dynamik. Im Osterpaket ist jedoch nicht zu erkennen, wie die Marktintegration verbessert und ein Ausstieg aus der Förderung zumindest bei Wind und Photovoltaik eröffnet werden soll. Im Gegenteil: Die Förderung wird teilweise noch ausgeweitet. Dies ist besonders hinderlich für die Nutzung von Direktlieferverträgen zwischen Energieanbietern und Industrieunternehmen beim Strom. Hier wird eine Chance vertan, die bei Investoren Klarheit für künftige Entscheidungen schaffen würde.

Engpass Direktlieferverträge (PPA)

Aus Sicht vieler Unternehmen ist völlig unverständlich, dass der Zubau erneuerbarer Energien über Direktlieferverträge (Power Purchase Agreements, PPA) im Gesetzespaket nicht nur vernachlässigt, sondern durch die geplante Einführung von Klimaschutzverträgen, die laufende Mehrkosten klimafreundlicher Prozesse subventionieren (sog. Differenzverträge) tendenziell behindert wird. In Kombination mit dem im Erneuerbare-Energien-Gesetz weiterbestehenden Verbot, geförderten Grünstrom auch als Nachweis im Klimaschutz zu nutzen (Doppelvermarktungsverbot) nimmt die Förderung durch Differenzverträge Strommengen aus dem Markt, die dringend für betriebliche Klimaneutralitätsziele benötigt werden. PPAs sind mittlerweile vor allem für stromintensive Unternehmen ein wichtiger Baustein der Strategien hin zur betrieblichen Klimaneutralität. Außerdem erhalten die Unternehmen durch sie die Möglichkeit, sich gegen steigende Strompreise abzusichern. Die letzten Monate haben gezeigt, wie bedeutsam das ist.

Bremsen lösen

Entsprechend wichtig wird es sein, dass sich im parlamentarischen Verfahren weitere Ausbaubremsen lösen lassen. Das sollte aber nicht nur für die erneuerbaren Energien gelten, sondern auch für den Ausbau des Netzes. Dringend sind auch Garantien, dass Unternehmen mit einem künftig deutlich erhöhten Stromverbrauch – als Folge des Ausstiegs aus fossilen Energien – ihren Netzanschluss dann bedarfsgerecht erweitern können.

Fazit: Versorgungssicherheit im Blick behalten

Das Ziel des Pakets, eine weitgehende Treibhausgasneutralität 2035 zu erreichen, ist richtig – gerade vor dem Hintergrund der aktuellen geopolitischen Lage. Angesichts der fragilen Lieferketten, des Mangels an Flächen und Fachkräften sowie des sich in den Kinderschuhen befindenden Wasserstoffmarktes drohen jedoch gravierende Auswirkungen auf die Versorgungssicherheit, wenn die Politik nicht nachsteuert.

Quelle: DIHK