DATEV-Cloud-Welt - 24. März 2022

Eine Idee bewährt sich

DATEV gilt zu Recht als ein Pionier der Cloud-Technologie. Mit der DATEV-Cloud- Welt knüpft die Genossenschaft an ihre Ursprünge an. Eine zentrale Rolle dabei spielt das Rechenzentrum.

Prof. Dr. Christian Bär verantwortet als Chief Technology Officer (CTO) neben der Digital- und Technologiestrategie auch den Betrieb des Rechenzentrums (RZ). Im Gespräch erläutert er, welche Möglichkeiten sich durch die Cloud-Idee für unsere Mitglieder sowie Kundinnen und Kunden eröffnen, warum der Weg auch technologisch gesehen vorgegeben ist und welche Me­chanismen in der Cloud bei Störungen im Rechenzentrum greifen werden.

Was einer nicht vermag, das vermag die Gemeinschaft – das war das Leitmotiv bei der DATEV-Gründung im Jahr 1966. Dahinter steckt die Idee, dass viele Kanzleien sich gemeinsam mehr leis­ten können als eine allein. Infolgedessen kam es dazu, IT zu zentralisieren und für alle Mitglieder verfügbar zu machen. Heute wird dieses Prinzip als Cloud Computing bezeichnet: IT-Leistungen werden bedarfsgerecht und in Echtzeit als Services aus der Cloud – also aus dem Re­chenzentrum über das Internet – bereitgestellt. Bedarfsgerecht bedeutet dabei, dass der Nutzer nur in dem Augenblick auf IT-Ressourcen zugreift, in dem er sie wirklich benötigt. Das heißt, wenn es die DATEV heute nicht schon als Genossenschaft gäbe, müssten wir sie jetzt als Genossenschaft gründen.

DATEV magazin: Herr Prof. Dr. Bär, warum ist die Cloud-Idee aktueller denn je?

PROF. DR. BÄR: Bei unseren Mitgliedern verändert sich gerade sehr viel auf einmal. Alles wird immer schneller, hektischer und digitaler. Und dadurch ändern sich berechtigterweise auch die Anforderungen an unsere Software. Sie möchten mehr Effizienz, eine bessere Pro­zessintegration, Anbindung an Vorsysteme, moderne Oberflächen. Diese Erwartungen lassen sich mit der alten On-Premises-Techno­logie nicht mehr erfüllen, sondern nur noch mit einer modernen Cloud-Technologie. Dabei geht es nicht um die Cloud um der Cloud willen, sondern darum, Mehrwerte für unsere Mitglieder zu schaffen.

Was werden denn die Vorteile in der neuen Cloud-Welt sein?

Zuallererst ermöglicht sie uns, schnell und in kurzen Zyklen An­passungen vorzunehmen. Außerdem sollen die neuen Cloud-An­wendungen vor allem die Prozesse in der Kanzlei und über die Kanzleigrenzen hinaus unterstützen. Wir schließen digitale Pro­zessketten, dabei werden auch die Kollaborationslösungen hel­fen, dadurch sinkt der Aufwand bei zugleich besserer Qualität. Vorteile sind dann zum Beispiel bessere Kollaborationsfähigkeit und höhere Flexibilität. Moderne Cloud-Anwendungen sind über­haupt erst die Grundanforderung für zum Beispiel künstliche Intelli­genz, wodurch sich für unsere Kunden Beratungsanlässe ergeben können oder Prozesseffizienzsteigerungen ermöglicht werden. Wei­terhin werden wir die Zusammenarbeit mit Dritten und Partnern in ei­nem vernetzten Ökosystem auf Basis offener und standardisierter Schnitt­stellen realisieren. Solche Vorteile wollen wir für unsere Mitglie­der und Kunden erschließen. Daran arbeiten wir mit Nachdruck.

Wann können unsere Mitglieder und Kunden mit dem neuen Portfolio rechnen?

Gute Frage. Wir werden im Interesse unserer Kunden nicht mit einem Big Bang umstellen, sondern kontinu­ierlich Portfolioelemente ausliefern. Einen ersten er­lebbaren Kundennutzen sieht man bereits beim Auto­matisierungsservice Rechnungswesen und in der Be­legfreigabe online, er wird mittelfristig sicher noch verstärkt durch Kanzleimanagement next oder den künftigen neuen Lohnabrechnungsprozess. In Summe wird das Angebot in unserer DATEV-Cloud-Welt, wie wir sie nennen, die kollaborati­ven Prozesse unserer Mitglieder und Kunden möglichst automatisiert unterstützen. Dabei beziehen diese Prozesse Mandanten und Part­ner gleichermaßen mit ein. Denn Partner-Ökosysteme werden auch für unsere Kunden zunehmend wichtiger. Und diese entstehen und existieren in der Cloud.

Es sprechen aber auch technologische Gründe für die Cloud.

Richtig. Die On-Premises-Technologie, wie wir sie heute ken­nen – also Software wird vor Ort installiert –, ist am Ende ihres Produktlebenszyklus angelangt. Die heutige lokale IT-Plattform wird in dieser Form bestenfalls noch mittelfristig bestehen. Das lässt weder uns noch anderen Software-Anbietern mittelfristig eine Wahl. Aber noch können wir diese Entwicklung gestalten, und das werden wir auch tun. Dabei ist zu berücksichtigen, dass auch viele andere Unternehmen diesen Weg technologisch be­einflussen, unter anderem Microsoft. Denn perspektivisch wird es von diesen Unternehmen keine On-Premises-Angebote mehr geben. Darauf müssen und können wir uns einstellen.

Kommen wir noch mal auf das Rechenzentrum zu sprechen. Dessen Image hat in letzter Zeit gelitten.

Wir hatten am 8. November 2021 einen flächendeckenden RZ-Ausfall, der aus einem Fehler in der Datenbank-Software eines Partners resultierte. Und auch wenn rein statistisch gesehen das Rechenzentrum stabiler lief als in den Vorjahren, muss man trotzdem festhalten, dass aus Sicht des Kunden jeder Ausfall ei­ner zu viel ist. Aber zurück zu den Zahlen: 2021 gab es elf gra­vierende Störungen, zwei mehr als 2020. Zum Vergleich: 2019 waren es 17, 2013 sogar 25. Die Zahlen sollen allerdings nicht darüber hinwegtäuschen, dass es auch eine ganze Reihe kleine­rer Störungen gab, und natürlich sagen sie nichts über den Grad der Betroffenheit bei unseren Kunden aus. Jede Störung, egal wie kurz sie ist, stört den Ablauf in den Kanzleien und Un­ternehmen unserer Mitglieder und Kunden. Und dieser Verant­wortung gegenüber unseren Kanzleien sind wir uns bewusst.

Warum steigt die gefühlte Unzufriedenheit, wenn sich die Zahlen sogar verbessert haben?

Diese Wahrnehmung der Kunden ist für mich absolut nachvollzieh­bar. Denn zum einen greifen immer mehr Anwender auf Dienste im Rechenzentrum zu – mittlerweile sind es mit über 470.000 etwa doppelt so viele wie noch 2016. In gleichem Maße steigt die Zahl der Cloud-Services, die ohne Rechenzentrumszugriff nicht genutzt werden können. Mit jedem Schritt, den wir weiter in die Cloud ge­hen und gehen müssen, wird die Betroffenheit bei einem Ausfall oder einer Störung höher werden. Denn es wird durch die zuneh­mende Digitalisierung immer weniger geben, was unsere Kunden offline bearbeiten können. Das muss für uns heißen, noch mehr da­rauf zu achten, dass die Einschnitte weniger werden, und wenn sie denn doch auftreten, diese noch kürzer zu halten.

Wie wollen Sie das bewerkstelligen?

Ich nenne mal einige Beispiele: Wir haben bereits vor einigen Jahren in der On-Premises-Welt einen internen technologi­schen Stabilitätsdialog etabliert, der mit der Portfolioentwick­lung in Richtung Cloud ausgebaut werden wird. In diesem Dia­log werden zum Beispiel Erkenntnisse zu Performance-Ent­wicklungen, aber auch erwartete Mengenzuwächse und Schlussfolgerungen aus Störungen gemeinsam besprochen und abgestimmte Gegenmaßnahmen angestoßen. Ein anderes Beispiel ist DATEV Unternehmen online (DUo). In DUo wurde eine Rot-Grün-Ampel eingebaut, die – ohne dass der Anwender in die DATEV RZ-Status App wechseln muss – die Verfügbarkeit des Rechenzentrums anzeigt. Dadurch lässt sich zwar keine Störung vermeiden, doch zumindest hat der Anwender die Ge­wissheit, dass der Fehler nicht in seinem Netzwerk liegt und er so nicht erst lange bei sich nach dem Fehler sucht. Damit ist die Betroffenheit eine ganz andere. Gleichzeitig gilt es auch, zu­sammen mit unseren Kunden die Prozesse in den Kanzleien an­ders zu gestalten, um die Vorteile der Cloud-Lösungen besser für sich nutzbar zu machen. Wir sollten gemeinsam daran arbei­ten, alle Prozesse so anzupassen, dass die Auswirkungen klei­ner werden, wenn es doch zu einer Störung kommt.

Das heißt, Störungen im Rechenzentrum werden sich nicht vermeiden lassen?

Es gehört zur Ehrlichkeit und Seriosität eines Unterneh­mens dazu zu sagen, dass eine 100 Prozent störungsfreie Software und Infrastruktur nicht garantiert werden kann. Jede Software, jede Infrastruktur ist störungsanfällig. Stö­rungen und Ausfälle wird es auch in Zukunft geben. Wir ha­ben das Ziel, in der Cloud-Umgebung weniger Abhängig­keiten zu haben. Zudem wird auch die technische Infra­struktur widerstandsfähiger. Wir haben uns 2019 entschie­den, eine eigene neue Plattform, das sogenannte Cloud Native RZ, aufzubauen, um dort insbesondere für die Kern­anwendungen jene Daten zu verarbeiten, die besonders der beruflichen Verschwiegenheit unterliegen. In dieser neuen Architektur wird es weniger neuralgische Punkte geben, die das gesamte System lahmlegen können. Das Ziel dieser Ar­chitektur ist es, dass bei einer Störung, die Auswirkungen sich bei möglichst wenig Kunden bemerkbar machen und möglichst wenig Zeit in Anspruch nehmen.

Sind die Daten auch in Zukunft sicher?

An dieser Stelle noch einmal ganz deutlich: Datenschutz und Datensicherheit hatten, haben und werden auch in Zukunft bei DATEV immer höchste Priorität haben. Wir sind und blei­ben der Auftragsdatenverarbeiter für unsere Mitglieder, den Berufsstand.

Zur Autorin

Birgit Schnee

Redaktion DATEV magazin

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