Hope for Ukraine - 10. März 2022

„Bei Medikamenten fehlt es bereits am Allernötigsten“

Dmytro Sonkin ist Managing Partner bei der SKS Steuerberatungsgesellschaft und DATEV-Mitglied. Seit Kurzem ist er aber vor allem eins: humanitärer Helfer. Gemeinsam mit Freunden hat er den Verein "Hope for Ukraine" gegründet, der vom ukrainischen Innenministerium beauftragt ist, humanitäre und Zivilschutz-Hilfe zu leisten und dank guter Kontakte vor Ort Hilfsgüter selbst in umkämpfte Orte transportieren kann.

Herr Sonkin, vielen Dank, dass Sie sich kurz die Zeit für ein Gespräch nehmen. Erklären Sie bitte zunächst Ihren persönlichen Hintergrund.

Ich komme ursprünglich aus Odessa in der Südukraine, bin mit 16 Jahren mit meinen Eltern nach Deutschland gekommen und wohne in Dresden. Ich arbeite oft auch in Berlin und international und war bis zuletzt auch oft geschäftlich in Kiew und anderen ukrainischen Städten unterwegs. Bis vor Kurzem hatten wir auch noch ein Büro in Kiew, das aber bereits inaktiv war und keine Angestellten mehr hatte, als der Krieg ausbrach. Das Geschäftsmodell unserer Kanzlei bezieht sich hauptsächlich auf internationales Steuerrecht. Deshalb haben wir noch viele Verflechtungen in die GUS-Länder.

Haben Sie noch Verwandtschaft in der Ukraine?

Ich habe selbst noch Verwandtschaft und viele Freunde in der Ukraine. Meine nächste Verwandtschaft ist bereits in Deutschland, aber die Eltern und die Schwester meiner Frau zum Beispiel befinden sich noch in der Ukraine. Außerdem haben wir viele Freunde und Geschäftspartner vor Ort, mit denen wir in Kontakt stehen und die uns berichten, wie sich die Lage entwickelt.

Wie ist die Lage derzeit vor Ort, so wie sie sich Ihnen darstellt?

Es bildet sich mehr und mehr eine humanitäre Katastrophe aus. Die Situation ist natürlich sehr angespannt, vor allem in bestimmten Gegenden wie Charkiw und Kiew. Dabei geht es nicht nur um diese beiden Städte an sich, sondern auch um die zahlreichen kleineren Städte in der Nähe von Charkiw und Kiew, in denen die Situation sehr schlimm ist. Gerade die Menschen in diesen Städten möchten wir mit unserem Verein unterstützen, weil dort fehlt es an allem, an Essen, an Medikamenten. In den großen Städten ist die Versorgungslage noch ganz gut, weil es dort größere Reserven gibt, wird aber auch zunehmend problematisch.

Sie haben Ihren gemeinnützigen Verein ‚Hope for Ukraine‘ angesprochen. Was möchten Sie bewirken und wie können Sie die Menschen in der Ukraine unterstützen?

Kern ist die humanitäre Hilfe, sprich die Versorgung der Menschen mit Medikamenten, Lebensmitteln und anderen wichtigen Dingen wie zum Beispiel Jacken, Decken, Isomatten und Schlafsäcken, weil viele Menschen in U-Bahn-Schächten oder Kellern übernachten. Bei Medikamenten fehlt es schon jetzt vielfach am Allernötigsten. Es ist derzeit bitterkalt in der Ukraine, viele Menschen erkranken. Wir unterstützen aber auch die sogenannte zivile Verteidigung. Es gibt die offiziellen Streitkräfte, die dem ukrainischen Verteidigungsministerium unterstehen, aber es gibt eben auch zig Tausende Menschen, die nicht bei der Armee sind, aber trotzdem die Städte bewachen und die kaum Ausrüstung haben, die in Wäldern auf dem Boden schlafen müssen. Diese unterstützen wir mit Schlafsäcken, Isomatten, Nahrung und Schutzausrüstung.

Es gibt viele, auch große Organisationen, die derzeit in der Ukraine tätig sind. Was unterscheidet ‚Hope for Ukraine‘ von diesen Organisationen?

Uns hilft sehr, dass ich aufgrund meiner langjährigen geschäftlichen Tätigkeiten in der Ukraine viele Menschen auch in hochrangigen Positionen, beispielsweise im ukrainischen Innenministerium, kenne. Ich bin im ständigen Kontakt mit dem Innenministerium und dem Ministerium für Gesundheitswesen und habe eine vom stellvertretenden Innenminister unterschriebene Legitimation ausgestellt bekommen, dass wir vom Innenministerium beauftragt sind, vor Ort unterstützen zu können und garantiert wird, dass unsere Hilfslieferungen auch tatsächlich vor Ort ankommen.

Wie laufen die Transporte dafür ab?

Unsere Aufgabe ist es, die Medikamente und Hilfsgüter bis zur polnisch-ukrainischen Grenze zu bringen und dann den Weitertransport sicherzustellen. An der Grenze werden die Hilfsgüter von Vertretern des Innenministeriums abgeholt und weitertransportiert, beispielsweise in Krankenhäuser. Von dort wiederum bekommen wir Fotos und Unterschriften als Beweise, dass diese Lieferungen angekommen sind. Wir haben durch unsere persönlichen Kontakte auch in die Ministerien hinein bessere Möglichkeiten, unsere Lieferungen auch fern der teilweise bereits zerstörten größeren Straßen in die entsprechenden Städte zu transportieren. Es gibt dafür kleine, unbekannte Routen, die wir aus Sicherheitsgründen auch immer wieder ändern müssen, um beispielsweise nach Kiew hineinzukommen.

In deutschen Medien hieß es zuletzt immer wieder, dass Kiew von russischen Streitkräften eingekreist ist.

Ja, das stimmt auch, große LKW zum Beispiel kommen nicht mehr durch, weil die großen Einfallstraßen entweder zerstört oder bewacht sind. Deshalb packen wir unsere Hilfsgüter an der polnisch-ukrainischen Grenze in kleinere Autos, die die kleinen, geheimen Routen befahren können. Aufgabe des Innenministeriums, der Polizei, des Militärs und der zivilen Verteidigung ist es, diese Routen herauszusuchen und abzusichern. Einiges geht auch noch mit Zügen, weil diese zum Glück bislang noch nicht angegriffen wurden. Manche Schienen sind aber zerstört worden, dann müssen die Züge stoppen und die Hilfsgüter müssen von Helfern auf Autos umgeladen werden. Nach Kiew kommen wir derzeit noch ganz gut mit unseren Hilfsgütern, nach Charkiw zum Beispiel ist es um einiges komplizierter.

Wie viele Hilfslieferungen haben Sie bislang in die Ukraine transportieren können?

Wir haben bisher acht große Transporter mit konservierten Lebensmitteln, Babynahrung und Hygieneartikeln, Schlafsäcken, Isomatten und warmen Sachen nach Kiew verschickt. Ebenfalls haben wir drei Kiewer Krankenhäuser und eine Kinderklinik mit Medikamenten versorgt. Die Medikamente wurden direkt in die Krankenhäuser zugestellt. Außerdem haben wir der Dresdner Stadtentwässerungs GmbH dabei geholfen, spezielle Generatoren für die Aufrechterhaltung der Wasseraufbereitung in Lwiw über die Grenze zu liefern, um die Städte Lwiw, Ternopil und Nadvirna im Fall der Vernichtung der Wasserwerke mit Wasser zu versorgen.

Wie können Menschen, die diesen Artikel lesen, Ihnen bei Ihrer Arbeit und damit den Menschen in der Ukraine derzeit am besten helfen?

Geldspenden sind derzeit das Wichtigste. Diese können wir direkt umsetzen in all jene Dinge, die akut am nötigsten gebraucht werden: spezielle Medikamente, Kleidungsstücke, Nahrung. Wir kaufen all diese Dinge von den Geldspenden. Bei Sachspenden ist der logistische und zeitliche Zusatzaufwand sehr groß, weil diese Spenden erst mal zu uns kommen und dann von uns gesichtet werden müssten. Außerdem gibt es viele Medikamente, die man als Privatperson nicht einfach kaufen kann, beispielsweise Insulin. Wir können als Verein all diese Dinge kaufen, weil wir von vielen Apotheken unterstützt werden, und benötigen daher vor allem Geldspenden. Wir bekommen dafür vom ukrainischen Innenministerium permanent aktualisierte Listen, was gerade am dringendsten gebraucht wird, und kaufen dann gezielt diese Sachen ein und transportieren sie in die Ukraine. Diese Listen sind sehr, sehr umfangreich und wir können längst nicht jeden Bedarf abdecken.

Wie sehen Ihre Arbeitstage aus, haben Sie überhaupt noch Zeit für Ihre Steuerberatertätigkeit?

Nein, so gut wie keine mehr. Das Allerdringlichste mache ich nebenbei innerhalb von 15, 20 Minuten, ansonsten liegt der volle Fokus auf der Unterstützung für die Menschen in der Ukraine. Wir alle schlafen derzeit maximal vier, fünf Stunden pro Nacht.

Was möchten Sie all jenen, die das hier lesen, noch mitgeben?

Ich bin so dankbar für die Hilfsbereitschaft der deutschen Bevölkerung, die spendet, die Geflüchtete bei sich zu Hause aufnimmt. Das berührt uns alle sehr. Wir bekommen auch viele Anrufe von Privatleuten und Geschäftspartnern, die Geflüchtete aufnehmen möchten, dafür sind wir sehr dankbar. Kritischer sehe ich das zögerliche Agieren der Bundesregierung, aber das soll jetzt nicht das Thema sein. Aber das Engagement der deutschen Bevölkerung ist quasi das Gegenteil dessen der Politik. Fahren Sie zum Beispiel mal zum Berliner Hauptbahnhof. Dort schlafen mittlerweile viele ukrainische Flüchtlinge auf dem Boden, denen die Politik helfen müsste. Ich verstehe schon, dass man nicht von jetzt auf gleich massenweise Unterkünfte aus dem Boden stampfen kann. Aber die Menschen, vor allem Frauen und Kinder, auf dem Boden eines Bahnhofs schlafen zu lassen? Und: Wir wären sehr dankbar für jede weitere Unterstützung.

Vielen Dank für das Gespräch, viel Erfolg bei Ihrer Arbeit und alles Gute für Sie und Ihre Verwandten, Freunde und Geschäftspartner in der Ukraine.

Wer den Verein „Hope for Ukraine“ bei seiner humanitären Hilfe unterstützen möchte, kann auf folgendes Konto Geld spenden:


Kontoinhaber: Hope for Ukraine e.V. i.G.
IBAN: DE37 8505 0300 0221 2385 90 für Zivilschutz-Hilfe
IBAN: DE58 8505 0300 0221 2381 15 für humanitäre Hilfe
BIC: OSDDDE81XXX


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TG
Thomas Günther

Redaktion DATEV magazin

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