Abberufung von Geschäftsführern - 27. Januar 2022

Fachlich begleiten lassen

Mitunter ist es unvermeidlich, den Posten der Geschäftsführung in einem Unternehmen neu zu besetzen. Die betroffene Gesellschaft ist gut beraten, bei den dann notwendigen Schritten anwaltliche Hilfe in Anspruch zu nehmen, wie Rechtsanwältin Dr. Tina Kärcher-Heilemann erläutert.

DATEV magazin: Zwischen einer Gesellschaft und ihrer Geschäftsführerin beziehungsweise ihrem Geschäftsfüh­rer bestehen immer zwei Rechtsverhältnisse. Können Sie das bitte kurz erläutern?

DR. KÄRCHER-HEILEMANN: Der Geschäftsführer einer GmbH hat eine Doppelrolle. Er ist zum einen Organ der Ge­sellschaft und damit als deren Vertreter befugt, die Gesell­schaft nach außen im gesamten Rechts- und Geschäftsver­kehr zu vertreten. Zum anderen wird der Geschäftsführer aber regelmäßig auch als Angestellter der Gesellschaft im Rahmen eines Dienstverhältnisses zur GmbH tätig. Rechtlich sind beide Verhält­nisse strikt zu trennen. Organfunktion und Anstellungsverhältnis können allerdings – etwa im Geschäftsführer-Anstellungsver­trag – rechtlich aneinandergekoppelt wer­den. So kann etwa geregelt werden, dass die Beendigung des Anstel­lungsverhältnisses mit der auto­matischen Abberufung vom Geschäftsführeramt verknüpft sein soll oder dass die Abberufung des Geschäftsführers die Gesellschaft zur Kündigung aus wichti­gem Grund berechtigt. Ansonsten gilt aber, dass beide Rechtsverhältnisse zu unterscheiden sind und rechtlich ver­schiedene Schicksale haben können. Wird also die Bestellung des Geschäfts­führers widerrufen, bleibt der Anstel­lungsvertrag hiervon grundsätzlich unbe­rührt; andererseits bewirkt die Kündigung des Anstellungsvertrags als Geschäftsführer nicht zugleich die Beendigung des Geschäfts­führeramts.

Wann kann eine Gesellschaft den Geschäftsführer abberufen?

Für den Widerruf der Bestellung, die sogenannte Ab­berufung, des Geschäftsführers aus seiner Organ­stellung gilt die drastische Regelung des § 38 Abs. 1 Gesetz betreffend die Gesellschaften mit beschränkter Haftung (GmbHG). Für die Abberufung sind weder Gründe er­forderlich, noch ist eine Frist einzuhal­ten. Abgesehen von einem ordnungsge­mäßen Gesellschafterbeschluss sind auch keine Formalien zu beachten. Hier stehen erkennbar die Interessen der Ge­sellschafter im Vordergrund, sich rasch und unkompliziert von einem Geschäfts­führer trennen zu können, sollte das not­wendige Vertrauen nicht mehr vorhanden sein. § 38 Abs. 2 GmbHG lässt jedoch eine Satzungsregelung zu, nach der die Abberufung des Ge­schäftsführers wichtige Gründe voraussetzt. Bei einem Fremdgeschäftsführer wird erfahrungsgemäß hiervon so gut wie nie Gebrauch gemacht; entsprechende Satzungsregelun­gen findet man fast ausschließlich in inhabergeführten GmbHs.

Wie erfolgen Bestellung und Abberufung eines Geschäftsführers?

So, wie die Gesellschafterversammlung den Geschäftsführer in die Organstellung durch Bestellung be­ruft, erfolgt als deren Gegenstück auch die Abberufung durch Beschluss der Ge­sellschafterversammlung und Bekanntga­be gegenüber dem Geschäftsführer. Die Abberufung wirkt dabei immer nur in die Zukunft. Eine rückwirkende Abberufung gibt es nicht. Die Abberufungskompetenz kann in der Satzung der Gesellschaft auf andere Organe als die Gesellschafterver­sammlung übertragen werden, etwa einen Beirat oder einen Verwaltungs- beziehungsweise Aufsichtsrat. Nicht zulässig ist es jedoch, diese Befugnis den anderen Geschäftsführern zuzusprechen.

Sollte man dies nicht in der Satzung der Gesellschaft regeln?

Richtig. Sofern satzungsgemäß nicht die Gesellschafterver­sammlung, sondern ein anderes Organ für die Bestellung der Geschäftsführer zuständig ist und es an einer gesonder­ten Klausel in der Satzung für dessen Abberufungskompe­tenz fehlt, ist dieses Organ im Zweifel auch für das Gegen­stück zur Bestellung, also die Abberufung, zuständig. In der Praxis sind daher von vorneherein klare Satzungsregelun­gen dringend zu empfehlen, um spätere Auslegungsfragen zu vermeiden.

Es gibt die ordentliche sowie die außerordentliche Abberufung. Können Sie den Unterschied kurz erläutern?

Die ordentliche Abberufung kann jederzeit ohne besonderen Grund erfolgen und ist auch nicht an Fristen gebunden. Die hierzu ergangene Rechtsprechung tendiert jedoch – insbe­sondere bei typischerweise emotionsbeladenen Familien­streitigkeiten – dazu, zumindest einen sachlichen Grund zu verlangen und leitet dies für Gesellschafter-Geschäftsführer aus den zwischen den Gesellschaftern bestehenden Treue­pflichten her.

Und an welche Voraussetzungen ist die außerordentliche Abberufung, also eine Abberufung aus wichtigem Grund, geknüpft?

Das Gesetz nennt in § 38 Abs. 2 S. 2 GmbHG zwei Beispiels­fälle, zum einen die grobe Pflichtverletzung, zum anderen die Unfähigkeit zur ordnungsgemäßen Geschäftsführung. Ob ein wichtiger Grund für die Abberufung eines Geschäftsführers vorliegt, kann stets nur anhand aller Umstände des Einzel­falls entschieden werden. Allgemein kommt es darauf an, ob der Gesellschaft bei Würdigung aller Umstände unter Be­rücksichtigung der widerstreitenden Interessen der Verbleib des Geschäftsführers in seiner bisherigen Stellung bis zum Ablauf seiner Amtszeit nicht mehr zugemutet werden kann.

Was alles fällt unter relevante Pflichtverletzungen?

Neben dienstlichen Verfehlungen können auch außerdienst­liche Vorfälle und sogar unverschuldete Fehlzeiten wie bei einer lang andauernden Krankheit, aber auch Umstände, die nicht mit der Person des Geschäftsführers in Verbindung ste­hen, in Betracht kommen. Auch ständige Konflikte zwischen den Geschäftsführern sollen einen wichtigen Grund bilden können, da deren Zusammenarbeit für das Tagesgeschäft un­entbehrlich ist. Regelmäßig reichen alle Gründe, die eine au­ßerordentliche Kündigung des Anstellungsvertrags des Ge­schäftsführers rechtfertigen, auch für dessen Abberufung aus dem Amt als Geschäftsführer aus wichtigem Grund aus. Umgekehrt ist ein wichtiger Grund für die Abberufung kei­neswegs zugleich ein wichtiger Grund für die Kündigung des Anstellungsvertrags.

Ist die Abberufung an bestimmte Fristen gebunden?

Die Abberufung aus wichtigem Grund ist an keine Frist, ins­besondere nicht an die Zweiwochenfrist des § 626 Abs. 2 BGB, gebunden. Die GmbH kann aber das Recht verwirken, sich auf das Vorliegen eines wichtigen Grunds zu berufen, wenn sie nach dem entscheidenden Vorfall längere Zeit ab­wartet und dem Geschäftsführer in der Gesellschafterver­sammlung signalisiert wird, man werde sich auf den Vorfall nicht mehr berufen.

Ist für die Abberufung ein spezieller Beschluss erforderlich?

Die Gesellschafterversammlung muss die Abberufung be­schließen. Bereits in der Einladung zur Versammlung muss die beabsichtigte Abberufung als Tagesordnungspunkt ange­geben werden. Die Gesellschafter entscheiden über die Ab­berufung grundsätzlich mit einfacher Mehrheit, also 51 Pro­zent der Stimmen genügen.

Erlaubt die Satzung auch hier abweichende Regeln?

Ja. In der Satzung können zum Beispiel höhere Mehrheiten oder sogar die Einstimmigkeit aller Gesellschafter vorausge­setzt werden. Soll die Abberufung aus wichtigem Grund er­folgen, können die Satzungsregelungen jedoch das Erforder­nis einer einfachen Mehrheit nicht abbedingen. Gerade bei Vorliegen eines wichtigen Grunds muss es der Gesellschaft ohne zusätzliche Anforderungen möglich sein, sich von ih­rem Geschäftsführer zu trennen.

Gibt es Besonderheiten bei Gesellschafter-Geschäftsführern?

Dass ein Geschäftsführer gleichzeitig auch Gesellschafter ist und an der Gesellschafterversammlung teilnimmt, ist eine Besonderheit, die häufig bei Familienunternehmen anzutref­fen ist. In einem derartigen Fall unterliegt der Gesellschafter-Geschäftsführer einem Stimmverbot, wenn die Abberufung aus wichtigem Grund erfolgen soll. Nach herrschender Mei­nung reicht die Behauptung eines wichtigen Grunds aus, um den betroffenen Gesellschafter-Geschäftsführer vom Stimm­recht auszuschließen. Zu verlangen ist dabei allerdings, dass die Behauptung des wichtigen Grunds zumindest schlüssig ist und nicht nur ins Blaue erfolgt. Wichtig ist aber, dass der Gesellschafter-Geschäftsführer trotz des Stimmverbots ord­nungsgemäß zur Gesellschafterversammlung einzuladen ist und auch teilnahmeberechtigt bleibt.

Wirken sich Beschlussmängel negativ aus?

Eine grob fehlerhafte Einladung zur Gesellschafterversamm­lung, etwa durch einen Unbefugten oder nicht aller Gesell­schafter, führt zu einem gravierenden Mangel des daraufhin gefassten Beschlusses. Verstöße gegen die gesetzliche Form und Frist sowie inhaltlichen Vorgaben, also Zeit, Ort und Da­tum sowie Tagesordnung, oder davon abweichende Regelun­gen in der Satzung für die Einladung führen dann zu mangel­haften Beschlüssen. Solche Mängel können zur Anfechtbar­keit oder gar Nichtigkeit des Abberufungsbeschlusses führen.

Gilt das auch für eine fehlerhafte Durchführung der Versammlung?

Auch Fehler in der Gesellschafterversammlung können zu Beschlussmängeln führen. Beispiele sind etwa der unberech­tigte Ausschluss eines Gesellschafters, die fehlende oder un­genügende Erörterung eines Beschlussgegenstands, eine ungerechtfertigte Redebeschränkung oder Wortentziehung sowie die Abstimmung über einen nicht angekündigten Ta­gesordnungspunkt oder die unrichtige Feststellung des Ab­stimmungsergebnisses.

Welche Konsequenzen haben mangelhafte Beschlüsse?

In Betracht kommt die Nichtigkeit im Sinne des § 241 Aktien­gesetz (AktG) analog beziehungsweise eine Anfechtbarkeit im Sinne des § 243 AktG analog. Nur bestimmte, in § 241 AktG aufgeführte Mängel führen zur Nichtigkeit von Gesellschaf­terbeschlüssen. Nichtig sind analog § 241 Nr. 1 AktG in Ver­bindung mit § 121 Abs. 2 AktG Gesellschafterbeschlüsse, die von einer Versammlung gefasst wurden, die vom unzuständi­gen Organ beziehungsweise von einer unzuständigen Person einberufen wurden und die in einer Versammlung gefasst wurden, für die jegliche Einberufung fehlte. Gemäß §§ 241 Nr. 1, 121 Abs. 3, 4 AktG führen auch formale Mängel der Ein­berufung zur Nichtigkeit, wenn die Kernanforderungen des § 121 Abs. 3, 4 AktG nicht eingehalten wurden, wie etwa bei Fehlen einer Einladung aller Gesellschafter, der Nichtangabe von Ort und Zeit, fehlender Unterschrift oder fehlender Schriftlichkeit sowie bei Einberufung durch Unbefugte.

Und welche Rechtsmittel hat man im Falle mangelhafter oder nichtiger Beschlüsse?

Die Nichtigkeit ist mit der besonderen Nichtigkeitsklage ana­log §§ 248, 249 AktG geltend zu machen. Andere Verstöße gegen die Vorbereitungsvorschriften, wie etwa ein Verstoß gegen die Pflicht zur Bekanntmachung der Tagesordnung, die Unterschreitung der Einberufungs- beziehungsweise der Ankündigungsfrist oder die Einberufung an einen unzulässi­gen Ort und zu einer unzulässigen Zeit führen nur zur An­fechtbarkeit des betreffenden Beschlusses analog § 243 Abs. 1, § 246 AktG mit der Anfechtungsklage, die mangels anderweitiger Satzungsregelung innerhalb eines Monats nach Beschlussfassung zu erheben ist.

In welcher Form hat die Abberufung zu erfolgen?

Falls der Geschäftsführer an der Gesellschafterversammlung nicht persönlich teilnimmt, ist ihm der Abberufungsbe­schluss bekannt zu geben. Denn erst mit der Bekanntgabe entfaltet die Abberufung ihre Wirkung und entzieht dem Ge­schäftsführer das Amt einschließlich seiner bisherigen Ver­tretungsmacht.

Welche Besonderheiten gelten bei einer Zwei-Personen-GmbH?

In einem derartigen Fall mit zwei gleich beteiligten Gesell­schaftern wird überwiegend die Auffassung vertreten, dass die sofortige Wirksamkeit der Abberufung aus wichtigem Grund untragbar sei, da sie dem Abberufenden die Möglich­keit gebe, den geschäftsführenden Mitgesellschafter mit der Behauptung, es liege ein wichtiger Grund vor, auf Dauer als Geschäftsführer auszuschließen, weil der betroffene Gesell­schafter-Geschäftsführer vom Stimmrecht ausgeschlossen ist. Vielmehr hänge die Wirksamkeit der Abberufung von der materiellen Rechtslage ab. Der dadurch eintretende Schwe­bezustand bis zur Entscheidung über die Wirksamkeit der Abberufung sei hinzunehmen.

Bedarf es einer Mitwirkungshandlung des Geschäftsführers?

Nein. Anders als bei der Berufung, die vom Geschäftsführer angenommen werden muss, bedarf es für die Abberufung keiner Mitwirkungshandlung des Geschäftsführers. Als ein­seitiger empfangsbedürftiger Organisationsakt wird die Ab­berufung in dem Moment wirksam, in dem der Geschäftsfüh­rer von ihr Kenntnis erlangt oder nach normalen Umständen Kenntnis erlangen müsste.

Bedarf es einer öffentlichen Bekanntgabe?

Die Abberufung des Geschäftsführers ist zum Handelsregis­ter anzumelden und dort einzutragen; dies hat jedoch einen rein deklaratorischen Charakter. Die fehlende Eintragung än­dert also nichts an der rechtlichen Wirkung der Abberufung.

Frau Dr. Kärcher-Heilemann, wie lautet Ihr abschließendes Fazit?

Die Abberufung eines Geschäftsführers kann durchaus mit Fallstricken verbunden sein. Damit die betroffene Gesell­schaft auf der sicheren Seite steht, sollte zumindest die Be­gründung der Abberufung idealerweise mit anwaltlicher Hil­fe vorab geprüft werden.

Zum Autor

Robert Brütting

Rechtsanwalt in Nürnberg und Fachjournalist Recht sowie Redakteur beim DATEV magazin

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