Spezielle Gremien - 27. Januar 2022

Von der Haftung nicht befreit

Ämter in fakultativen Aufsichts- und Beiräten werden vielfach als gut dotierte und aufwandsarme Nebenbeschäftigung angesehen. Dabei wird verkannt, dass die Mitgliedschaft mit umfangreichen Pflichten verbunden ist, – nicht selten mit unerwarteten sowie empfindlichen Folgen.

Fakultative Kontroll- und Beratungsorgane kommen so­wohl bei der Rechtsform GmbH als auch bei einer Per­sonengesellschaft vor. § 52 Gesetz betreffend die Gesell­schaften mit beschränkter Haftung der Gesellschaft mit be­schränkter Haftung (GmbH) sieht ausdrücklich die Möglich­keit vor, durch Gesellschaftsvertrag einen Aufsichtsrat zu bestellen. Davon wird insbesondere bei GmbHs in öffentlicher Hand Gebrauch gemacht. Aber auch sogenannte Familiengesell­schaften, also Unternehmen, in denen die Geschäftsanteile auf viele Mitglieder einer oder mehrerer (Groß-)Familien verteilt sind, haben häufig einen fakultativen Aufsichtsrat. Manchmal sehen die Satzungen solcher Gesellschaften auch aufsichtsratsähnliche Gremi­en unter anderer Bezeichnung, etwa Beirat, Verwaltungsrat oder Ge­sellschafterausschuss, vor. Auch für Personengesellschaften ist trotz Fehlens einer ausdrücklichen Regelung im Gesetz allgemein an­erkannt, dass die Gesellschafterinnen und Gesellschafter im Rah­men der allgemeinen Gestaltungsfreiheit, die Möglichkeit haben, durch Gesellschaftsvertrag ein Kontroll- oder Beratungsorgan ein­zurichten. Üblich ist die Einrichtung eines Beirats insbesondere bei Publikumsgesellschaften, also Gesellschaften, die von einem oder mehreren Initiatoren – zumeist in der Rechtsform der Kom­manditgesellschaft (KG) beziehungsweise GmbH & Co. KG – ge­gründet werden und auf die Aufnahme einer unbestimmten Anzahl weiterer Gesellschafter als unmittelbare oder mittelbare Kommandi­tisten ausgelegt sind. All diesen Konstrukten gemeinsam ist die Zielsetzung, dem geschäftsführenden Organ ein mit fachlich kompetenten Vertrauenspersonen der Gesell­schafter besetztes Gremium zur Seite zu stel­len, das die Mitglieder der Geschäftsleitung entweder nur berät oder aber zusätz­lich zu seiner Beratungsfunktion auch Kontroll- und Aufsichtsrechte für die und an­stelle der Gesellschafter wahrnimmt. Die letztge­nannten Rechte können auch die Befugnis zur Be­stellung und Abberufung der Mitglieder der Ge­schäftsleitung einschließen.

Allgemeine Haftungsvoraussetzungen

Zum Schadenersatz verpflichtet ist, wer durch Han­deln oder Unterlassen seine Pflichten verletzt, hier­bei schuldhaft gehandelt und durch sein pflichtwidriges und schuldhaftes Ver­halten einen Schaden verursacht hat. Jedes werdende Mitglied eines fa­kultativen Kontroll- und Beratungs­organs sollte sich daher vor Über­nahme des Amts anhand des Ge­sellschaftsvertrags über die damit verbundenen Pflichten informie­ren. Unabhängig von seiner Be­zeichnung als Aufsichtsrat, Bei­rat et cetera ist ein Beratungs- oder Kontrollgremium ein Ge­sellschaftsorgan, wenn seine Rechtsgrundlage im Gesell­schaftsvertrag verankert ist und es nach der ihm dort einge­räumten Rechtsstellung verpflich­tet ist, den Interessen der Gesell­schaft zu dienen. Demgegenüber liegt kein Gesellschaftsorgan vor, wenn es auf einer besonderen schuldrechtlichen Verein­barung, etwa Beiratsvertrag, mit der Gesell­schaft oder einzelnen Gesellschaftern beruht.

Organpflichten von Aufsichts- und Beirat

Ist ein Aufsichts- oder Beirat Gesellschaftsorgan, orientieren sich seine Rechte und Pflichten wegen der strukturellen Vergleichbar­keit an denjenigen des Aufsichtsrats einer Aktiengesellschaft (AG). Für den Aufsichtsrat der GmbH verweist § 52 Abs. 1 GmbHG insoweit ausdrücklich auf die für den Aufsichtsrat der AG geltenden Regelungen des Aktiengesetzes (AktG) (vgl. § 111 AktG). Diese werden aber auch auf Aufsichts- oder Beiräte einer (Publikums-)KG ange­wandt, wenn ihre entsprechende Rechtsstel­lung in der Satzung der Gesellschaft veran­kert ist. Hauptaufgabe des Aufsichtsrats und damit einhergehende Hauptpflicht seiner Mitglieder ist die Kontrolle der Rechtmäßig­keit, Wirtschaftlichkeit und Zweckmäßigkeit der Unternehmensführung sowie die Prüfung der Jahresabschlüsse der Gesellschaft. Seine Prüfungspflicht umfasst auch die Kontrolle von Einzelgeschäften, die für die Liquidität und Rentabilität der Gesellschaft von Bedeutung sind. Ferner muss er die Geschäfts­planung kontrollieren, sich über etwaige Transaktionsvorhaben informieren und deren Durchführung überwachen. Anhaltspunk­te für etwaige Schadenersatzansprüche der Gesellschaft gegen ihre Geschäftsführer muss er prüfen und identifizierte Ansprüche geltend machen. Ferner vertritt der Aufsichtsrat die GmbH auch rechtsgeschäftlich gegenüber Geschäftsführern. Zu Eingriffen in die Geschäftsführung ist der Aufsichtsrat grundsätzlich weder berechtigt noch verpflichtet. Allerdings kann er sich selbst einen Zustimmungsvorbehalt für bestimmte Rechtsgeschäfte einräu­men. Gerät das Unternehmen in eine Krise oder droht rechtswid­riges Handeln der Geschäftsführung, kann der Aufsichtsrat unter Umständen auch verpflichtet sein, von diesem Recht Gebrauch zu machen. Übergeht der Geschäftsführer einen solchen Zustim­mungsvorbehalt, handelt er rechtswidrig. Nach den Grundsätzen über den offensichtlichen Vollmachtmissbrauch können solche Rechtsgeschäfte auch schwebend unwirksam sein. Gemäß § 52 Abs. 1 GmbHG können einzelne der vorgenannten Pflichten durch einen Gesellschaftsvertrag abbedungen werden. Gleiches gilt selbstverständlich auch für die Pflichten des Aufsichts- oder Beirats einer KG. Schlussendlich ist ein Aufsichtsratsmitglied im­mer zur Verschwiegenheit verpflichtet. Die Weitergabe vertrauli­cher Informationen ist danach regelmäßig eine Organpflichtver­letzung, die erhebliche Haftungsfolgen haben kann. Die Ver­schwiegenheitsverpflichtung gilt allerdings nicht gegenüber den Gesellschaftern. Das Mitglied des Aufsichtsrats einer kommuna­len GmbH hat danach kein Auskunftsverweigerungsrecht gegen­über dem Gemeinderat als höchstem Organ der Gemeinde.

Erweiterte Pflichten in der Unternehmenskrise

Gerät die Gesellschaft in eine Krise, erhöht sich die notwendige Intensität der Kontrolle sowie der geschuldete Beratungsauf­wand dergestalt, dass die begleitende Überwachung dann in eine unterstützende Überwachung umschlagen muss. Insbeson­dere ist der Aufsichtsrat bei sich abzeichnender Zahlungsunfä­higkeit oder Überschuldung dazu verpflichtet, auf eine rechtzei­tige Stellung eines Insolvenzantrags hinzuwirken. Ist die Ge­schäftsführung der Gesellschaft nicht (mehr) besetzt, ist jedes Aufsichtsratsmitglied gemäß § 15a Abs. 3 Insolvenzordnung (InsO) sogar selbst insolvenzantragspflichtig. Die Verpflichtung des Aufsichtsrats, in solchen Fällen auch darauf hinzuwirken, dass die Geschäftsführung ab Eintritt der Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung masseschmälernde Zahlungen aus dem Gesellschaftsvermögen unterbindet, hat der BGH in einem um­strittenen Urteil (BGHZ 187, 60 Rn. 11) auf obligatorische Auf­sichtsräte beschränkt. Für Aufsichtsräte einer GmbH hängt die Haftung für Verletzung dieser Massesicherungspflicht deshalb davon ab, ob der Aufsichtsrat aufgrund der Arbeitnehmerzahl fa­kultativ oder obligatorisch ist. Unabhängig davon muss der Auf­sichtsrat dafür Sorge tragen, dass die Gesellschaft mit Mitglie­dern besetzt ist, die nachweisbar zur Bewältigung von Krisensi­tuationen geeignet und in der Lage sind. Zu diesem Zweck kann der Aufsichtsrat gehalten sein, bestimmte Mitglieder der Ge­schäftsführung abzuberufen beziehungsweise neue zu bestellen. Ein wichtiger Grund zur Abberufung eines Mitglieds der Ge­schäftsführung liegt vor, wenn es zur ordnungsgemäßen Ge­schäftsführung in der Krise nicht in der Lage ist. Schlussendlich muss der Aufsichtsrat darauf hinwirken, dass die Geschäftsfüh­rung ein Sanierungskonzept vorlegt und dieses eingehend mit ihm berät. Die dort vorgesehenen Maßnahmen sind jeweils nach Art, Zweck und Ziel, Kosten, Erfolgswahrscheinlichkeit sowie Verantwortlichkeit zu beurteilen. Fehlt dem Aufsichtsrat hierzu die eigene Sachkompetenz oder hält er die dem Sanierungskon­zept zugrunde liegenden Analysen für unzureichend, muss er Sachverständige zur Prüfung beziehungsweise zur neuen Erstel­lung heranziehen.

Sorgfaltsmaßstab

Haftungsbegründend wirkt sich eine Pflichtverletzung zwar nur dann aus, wenn das Aufsichtsratsmitglied auch schuldhaft, also vorsätzlich oder fahrlässig handelt. Allerdings gilt für Aufsichts­räte ähnlich wie für Geschäftsführer hinsichtlich der Frage, wann Fahrlässigkeit vorliegt, ein verschärfter Sorgfaltsmaßstab. Dem liegt die Wertung zugrunde, dass Aufsichtsratsmitglieder Treu­händer fremder Interessen sind. Deshalb haben sie ihr Amt im Interesse der Gesellschaft und nicht etwa im Interesse einzelner Gesellschafter, einzelner Gruppen, etwa der zu einem Familien­stamm gehörenden Gesellschafter, der Arbeitnehmer oder der Gläubiger wahrzunehmen. Daher schuldet jedes Aufsichtsrats­mitglied die Sorgfalt eines ordentlichen und gewissenhaften Überwachers und Beraters. Es muss daher Mindestkenntnisse und -fähigkeiten besitzen, die es braucht, um alle normalerweise bei einem Unternehmen dieser Art und dieser Größe anfallenden Geschäftsvorgänge auch ohne fremde Hilfe verstehen und sach­gerecht beurteilen zu können. Verfügt es, etwa mangels entspre­chender Ausbildung und/oder Erfahrungen, über diese Kennt­nisse nicht, kann es sich darauf nicht berufen. Das gilt auch für in den Aufsichtsrat entsandte Arbeitnehmervertreter. Verfügt ein einzelnes Aufsichtsratsmitglied über Spezialkenntnisse und -fähigkeiten, schuldet es über den vorstehend dargestellten Min­deststandard hinaus die Sorgfalt, zu der es aufgrund dieser Kenntnisse oder Fähigkeiten in der Lage ist.

Ursächlichkeit und Schaden

Im Rahmen ihrer Verpflichtung zur nachträglichen Überwa­chung der Geschäftsführung können die Aufsichtsratsmitglie­der Schäden zulasten der Gesellschaft nicht verhindern, son­dern lediglich aufdecken. Allerdings sind sie verpflichtet, solche Schäden und daraus resultierende Ansprüche der Gesellschaft unverzüglich zu ermitteln und die Gesellschafter zu informie­ren, damit diese über die Geltendmachung des Ersatzanspruchs entscheiden können. Eine Verletzung dieser Pflicht ist nicht kausal für die Entstehung des Schadens. In Betracht kommt aber eine Haftung, wenn Schadenersatzansprüche nicht unver­züglich ermittelt und deshalb gegen die Mitglieder der Ge­schäftsführung nicht mehr durchgesetzt werden können. Für Pflichtverletzungen bei ihrer begleitenden Überwachung haften sie, wenn der daraus resultierende Schaden bei ordnungsgemä­ßer Überwachung nicht eingetreten wäre.

Haftungsmilderung, Entlastung und Verjährung

Durch Gesellschaftssatzung kann die Haftung gemildert, etwa auf grobe Fahrlässigkeit und Vorsatz beschränkt werden. Eine Verkürzung der Verjährungsfrist von grundsätzlich fünf Jahren ist möglich, sofern sie sich nicht zulasten der Gesellschaftsgläu­biger auswirkt. Unter diesen Voraussetzungen kann die Gesell­schaft durch Gesellschafterbeschluss auch auf die Geltendma­chung entstandener Schadenersatzansprüche verzichten.

Fazit

Ämter in Aufsichts- oder Beiräten sollte nur übernehmen, wer über die notwendige Zeit und Expertise verfügt, um die hieraus folgenden Pflichten ordnungsgemäß erfüllen zu können. Insbe­sondere in einer Unternehmenskrise sollten sich die Organmit­glieder mindestens auf wöchentlicher Basis mit der Situation des Unternehmens und den hieraus folgenden Handlungsnot­wendigkeiten befassen. Fehlt ihnen eigene Expertise, ist Bera­tung zwingend erforderlich. Die Übernahme haftungsträchtiger Ämter sollte überdies vom Abschluss einer Directors-and-Officers(D&O)-Versicherung abhängig gemacht werden.

Zum Autor

JR
Jochen Rechtmann

Rechtsanwalt und Fachanwalt für Bank- und Kapitalmarktrecht; Geschäftsführer des Frankfurter Büros von Buchalik, Brömmekamp Rechtsanwaltsgesellschaft mbH, Düsseldorf, Dresden, Berlin, Frankfurt und Stuttgart

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