Steuer und Zölle - 14. Januar 2021

Britischer Bumerang

Die Auswirkungen des Brexit treffen im Bereich von Umsatzsteuer und Zoll nicht nur die Unternehmen auf dem europäischen Kontinent, sondern auch die Betriebe im Vereinigten Königreich.

Das politische System der Europäischen Union (EU), das sich im Zuge der europäischen Integration herausgebildet hat, basiert auf dem Vertrag über die EU (EUV) sowie dem Vertrag über die Arbeitsweise der EU (AEUV).

Vereinheitlichung rechtlicher Regelungen

Die Vereinheitlichung des gemeinsamen Wirtschaftsraums durch die Aufhebung beziehungsweise den Abbau von Handelsschranken hat sich im Laufe der Zeit als ein Kernziel der EU herauskristallisiert. Die Vereinheitlichung von rechtlichen Regelungen insbesondere in den Bereichen des Gesellschafts- und des Steuerrechts steht hierbei im Vordergrund. Im Steuerrecht sind insbesondere bei indirekter Besteuerung die umsatzsteuerlichen Regelungen innerhalb der EU über die Mehrwertsteuer-Systemrichtlinie (MwStSystRL) von herausragender Bedeutung, da alle Mitgliedsländer diese EU-Richtlinien weitestgehend umgesetzt haben und somit ein starker Grad an Vereinheitlichung des Besteuerungsrechts innerhalb der EU erreicht wurde.

Rückblick – wie kam es zum Brexit?

Am 23. Juni 2016 hatte das Vereinigte Königreich Großbritannien und Nordirland (UK) mit knapper Mehrheit für den Austritt aus der Europäischen Union (EU) gestimmt. Am 29. März 2017 wurde der Austritt gemäß Art. 50 EUV erklärt. Mit dieser Erklärung wurde zunächst eine Frist von zwei Jahren in Gang gesetzt. Demnach hätte Großbritannien bereits am 30. März 2019 zwangsweise aus der EU ausscheiden müssen. Allerdings hatten sich Großbritannien und die EU im März 2018 dahingehend verständigt, dass der Austritt des UK im Wege eines Abkommens erfolgen sollte. Hauptzweck dieses angestrebten Abkommens war, Großbritannien den Zugang zum Europäischen Binnenmarkt sowie zur Zollunion bis zum 31. Dezember 2020 zu garantieren. Für den weiteren Zugang über den 31. Dezember 2020 hinaus setzt die EU ein umfassendes Austrittsabkommen voraus. Einen harten Brexit konnten Briten und die verbliebenen EU-Mitglieder Ende Dezember in buchstäblich letzter Sekunde vermeiden. Zukünftig soll ein Handelsabkommen die künftigen Beziehungen zwischen dem europäischen Wirtschaftsblock und Großbritannien regeln. Es umfasst im Wesentlichen Handel, Sicherheit, Fischerei und Wissenschaftskooperation. Etliche Streitfragen sind allerdings geblieben.

Praktische Vorbereitungsmaßnahmen

Insbesondere bei der Umsatzsteuer haben die Prozesse in den Unternehmen mittlerweile einen starken Grad an Automatisierung erreicht. Die veränderte Situation muss also in den IT- beziehungsweise ERP-Systemen, und hier insbesondere in der Finanzbuchhaltung und allen damit verbundenen Steuer- und Rechnungswesenprogrammen nachvollzogen werden. Hierzu gehört auch die Anpassung von Steuerschlüsseln und Voreinstellungen bei den Rechnungsangaben.

Auswirkungen aus britischer Sicht

Zunächst ist festzuhalten, dass sich die Brexit-Auswirkungen aus deutscher Sicht spiegelbildlich auch in Großbritannien zeigen werden. Grundsätzlich wird sich nach derzeitigem Stand am Umsatzsteuersystem im UK nichts ändern. Das Netto-Umsatzsteuersystem mit Vorsteuerabzug bleibt bestehen. Sämtliche Warenbewegungen zwischen der EU und Großbritannien werden auch vor dem Hintergrund des jetzt vereinbarten Handelsabkommens als Importe beziehungsweise Exporte behandelt und es wird trotz Abkommen zu entsprechenden Grenzkontrollen und Zollerklärungen kommen.

Beschleunigtes Verfahren

Soweit ein Unternehmer in Deutschland Waren nach Großbritannien exportiert und die Lieferkonditionenvorsehen, dass er für die Verbringung nach Großbritannien verantwortlich ist (Zollabfertigung, Versicherung, Versand, Transport), muss er sich für Zwecke der Umsatzsteuer im UK registrieren. Er schuldet in seiner Eigenschaft als Lieferant dann die Umsatzsteuer in Großbritannien. Das ist etwa dann der Fall, wenn der deutsche Unternehmer die Ware in sein eigenes Lager in Großbritannien liefert. Um die Nachteile, die mit diesem Verfahren einhergehen, zu vermeiden, hat Großbritannien ein beschleunigtes Verfahren eingeführt. Das Simplified Import VAT Accounting Scheme soll den Prozess erheblich beschleunigen und vereinfachen.

EORI- und Umsatzsteuer-Identifikationsnummer

Deutsche Unternehmen müssen eine EORI-Nummer (Economic Operators’ Registration and Identification) in Großbritannien beantragen. Für Exporte aus der EU nach Großbritannien sind Zollerklärungen vorzunehmen. Auf Einfuhren aus der EU ins Vereinigte Königreich fällt Einfuhrumsatzsteuer an. Umsatzsteuer-Identifikationsnummern aus Großbritannien verlieren ihre Gültigkeit, werden im Vereinigten Königreich nicht mehr erteilt und sind auch nicht mehr über das Bundeszentralamt für Steuern überprüfbar. Mit Beginn des neuen Jahres muss die Unternehmereigenschaft eines Geschäftspartners aus dem Vereinigten Königreich gegebenenfalls auf andere Weise überprüft beziehungsweise bestätigt werden.

Dreiecks- und Reihengeschäfte

Die Regelungen über innergemeinschaftliche Dreiecksgeschäfte und Reihengeschäfte gelten in Bezug auf das Vereinigte Königreich nicht mehr. Die Regelungen zum Reverse-Charge-Verfahren bei Werklieferungen und Werkleistungen in Großbritannien entfallen. Unternehmen aus der EU, die derartige Leistungen an andere Unternehmer im Vereinigten Königreich erbringen, müssen sich daher beim dortigen Finanzamt anmelden. Die Erstattung von Vorsteuerbeträgen im Vereinigten Königreich an Unternehmer, die dort nicht steuerlich registriert sind, muss direkt beim dortigen Finanzamt beantragt werden, der Weg des elektronischen Antrags über das deutsche Bundeszentralamt für Steuern entfällt.

Zollrechtliche Aspekte

Für mitgeführtes Werkzeug zur vorübergehenden Verwendung und Material sind auch nach dem Handelsabkommen Zollvorschriften zu beachten. Die Beförderung von verbrauchsteuerpflichtigen Waren, wie etwa Alkohol, unterlag bisher dem harmonisierten EU-Verbrauchsteuersystem. Hieran ist das Vereinigte Königreich nun nicht mehr gebunden. Es handelt sich bei der Lieferung von alkoholischen Getränken von Deutschland nach Großbritannien um Ausfuhrlieferungen, die lediglich zollrechtlich überwacht werden.

Konsignationsläger

Bei Konsignationslägern lässt das Vereinigte Königreich bisher eine Vereinfachungsregel zu, die dazu führte, dass sich der liefernde Unternehmer nicht für umsatzsteuerliche Zwecke in Großbritannien registrieren lassen musste. Diese Regelung entfällt mit der Konsequenz, dass eine Einfuhr nach Großbritannien mit entsprechender Registrierungspflicht vorliegt.

Zum Autor

HR
Hans-Peter Raible

Steuerberater und Wirtschaftsprüfer sowie Chartered Accountant (UK) bei Rödl & Partner am Standort Birmingham (Vereinigtes Königreich)

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