EU-Recht - 3. Dezember 2020

EU-Kommission will Mitgliedstaaten bei der Digitalisierung der Justiz unterstützen

EU-Kommission, Pressemitteilung vom 02.12.2020

Die Europäische Kommission will die Mitgliedstaten dabei unterstützen, ihre nationalen Justizsysteme ins digitale Zeitalter zu führen. Dazu hat sie am 02.12.2020 ein Paket mit mehreren Initiativen zur Modernisierung der Justiz in der EU beschlossen. Durch eine Förderung der justiziellen Aus- und Fortbildung sollen etwa Richter, Staatsanwälte und sonstige Angehörige der Rechtsberufe für Digitalisierung gewappnet werden. Für nächstes Jahr plant die Kommission einen Legislativvorschlag, um die digitale Kommunikation als Standardoption für die grenzübergreifende justizielle Zusammenarbeit festzulegen. Bislang wird bei vielen Gerichtsverfahren, auch bei Verfahren mit grenzübergreifender Dimension, noch immer auf Papier und die Übermittlung per Post zurückgegriffen.

Věra Jourová, Vizepräsidentin für Werte und Transparenz, erklärte dazu: „Die Justiz muss mit dem digitalen Wandel Schritt halten und den Erwartungen der Bürgerinnen und Bürger gerecht werden. Da die nationalen Gerichte auch Gerichte der EU sind, unterstützen wir diesen neuen Ansatz zur Digitalisierung der Justiz nachdrücklich. Die Initiative wird den Zugang zur Justiz und die Zusammenarbeit im EU-Raum der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts sowie das Funktionieren des Binnenmarkts verbessern.“

Didier Reynders, Kommissar für Justiz, sagte: „Ob Richter, Rechtsanwälte oder Staatsanwälte – jeder, der im Justizbereich tätig ist, muss den Herausforderungen des 21. Jahrhunderts gewachsen sein. Dazu gehört auch die gesamte neue Welt der künstlichen Intelligenz, die wir unter uneingeschränkter Achtung der Grundrechte erkunden müssen. Die COVID-19-Krise hat uns die Notwendigkeit einer raschen Digitalisierung der Justiz deutlich vor Augen geführt. Ich bin fest davon überzeugt, dass das heute verabschiedete Paket den Bürgerinnen und Bürgern sowie den Unternehmen in der gesamten Union den Zugang zur Justiz erleichtern wird, und zwar nicht nur offline, sondern auch online.“

Digitalisierung der Justiz in der EU

Die COVID-19-Pandemie hat deutlich gemacht, dass die Justiz rascher digitalisiert werden muss. So sollten Unternehmen sowie Bürgerinnen und Bürger auch über ihren Laptop von zu Hause aus Zugang zur Justiz haben. Die heute verabschiedete Mitteilung über die Digitalisierung der Justiz in der EU enthält ein Instrumentarium, mit dem die Nutzung digitaler Instrumente durch die Mitgliedstaaten im Einklang mit den Grundsätzen der Verhältnismäßigkeit und der Subsidiarität gefördert werden soll. Es umfasst die folgenden vier Maßnahmen:

  • Festlegung der digitalen Kommunikation als Standardoption für die grenzübergreifende justizielle Zusammenarbeit: Bislang wird bei vielen Gerichtsverfahren, auch bei Verfahren mit grenzübergreifender Dimension, noch immer auf Papier und die Übermittlung per Post zurückgegriffen. Die Europäische Kommission wird einen Legislativvorschlag zur Digitalisierung der Verfahren der grenzüberschreitenden justiziellen Zusammenarbeit in Zivil-, Handels- und Strafsachen ausarbeiten. Die Verabschiedung ist für Ende 2021 vorgesehen.
  • Bekämpfung der grenzüberschreitenden Kriminalität: Das Fallbearbeitungssystem von Eurojust, mit dem die Agentur zur Koordinierung der EU-weiten Bekämpfung von schwerer grenzüberschreitender Kriminalität, einschließlich Terrorismus, verschiedene Fälle abgleichen kann, soll aktualisiert werden. Darüber hinaus soll durch Änderungen des Europol-Mandats eine Verknüpfung zwischen den Fallbearbeitungssystemen von Europol und der Europäischen Staatsanwaltschaft eingeführt werden, sodass angezeigt wird, ob eine Abfrage in der jeweils anderen Datenbank einen Treffer erzeugt . Diese „Treffer/kein Treffer“-Anzeige soll dafür sorgen, dass Eurojust, Europol und die Europäische Staatsanwaltschaft besser über laufende Ermittlungen und Strafverfolgungsmaßnahmen der jeweils anderen Einrichtungen informiert sind. Im Jahr 2021 wird die Kommission Gesetzgebungsinitiativen zum digitalen Informationsaustausch in Bezug auf grenzüberschreitende Terrorismusfälle und zur Einrichtung einer Kooperationsplattform für gemeinsame Ermittlungsgruppen vorlegen.
  • Verbesserung des Informationszugangs: Elektronische Datenbanken sind leicht abzufragen, kostengünstig nutzbar und krisenresistent. Daher sollten die Mitgliedstaaten ihre Register digitalisieren und untereinander vernetzen.
  • IT-Instrumente für die grenzübergreifende Zusammenarbeit: Das Kommunikationssystem e-CODEX, das den Onlineaustausch von E-Justiz-bezogenen Daten ermöglicht, ist das wichtigste Instrument für eine sichere grenzübergreifende Zusammenarbeit in zivil-, handels- und strafrechtlichen Verfahren. Bislang nutzen jedoch nur einige Mitgliedstaaten e-CODEX. Mit der Annahme des heutigen Legislativvorschlags will die Kommission e-CODEX zum „Goldstandard“ für die sichere digitale Kommunikation im Rahmen grenzübergreifender Gerichtsverfahren in allen Mitgliedstaaten machen. Mit Wirkung zum 1. Juli 2023 betraut die Kommission die Agentur eu-LISA mit diesem System. Ein weiteres digitales Instrument ist eEDES, das „System für den digitalen Austausch elektronischer Beweismittel“. Dieses System wird von einigen Mitgliedstaaten genutzt, um Europäische Ermittlungsanordnungen, Rechtshilfeersuchen und damit zusammenhängende Beweismittel in digitaler Form anstatt per Post rasch und sicher auszutauschen. Mit dem heute angenommenen Legislativvorschlag fordert die Kommission alle Mitgliedstaaten auf, sich eEDES anzuschließen. Diese IT-Instrumente werden die Justizsysteme der EU modernisieren und einen echten europäischen Mehrwert schaffen.

Mit diesen Maßnahmen reagiert die EU auf die Notwendigkeit, die Justizsysteme weiter zu digitalisieren. Sie werden mit den Mechanismen finanziert, die im Rahmen des neuen mehrjährigen Finanzrahmens (MFR) 2021-2027 und des Instruments „Next Generation EU“ zur Verfügung stehen.

Justizielle Aus- und Fortbildung in Europa

Aus dem Jahresbericht 2020 über die justizielle Aus- und Fortbildung in Europa geht hervor, dass im Jahr 2019 mehr als 180 000 Angehörige der Rechtsberufe – d. h. 12,9 Prozent aller Rechtspraktiker in der EU – eine Schulung zum EU-Recht oder zum Recht eines anderen Mitgliedstaats absolviert haben. Seit der Annahme der ersten Strategie für die justizielle Aus- und Fortbildung im Jahr 2011 wurden insgesamt bereits 1,2 Millionen Rechtspraktiker im EU-Recht geschult.

Mit dieser zweiten Auflage der EU-Strategie für die justizielle Aus- und Fortbildung wird das EU-Fortbildungsangebot für Rechtspraktiker auf weitere Bereiche wie Digitalisierung und künstliche Intelligenz ausgeweitet, damit sie die Kenntnisse und Fähigkeiten erlangen, die sie zur Bewältigung der Herausforderungen des 21. Jahrhunderts benötigen. Außerdem werden darin ehrgeizige Ziele festgelegt: Bis 2024 sollen jedes Jahr 65 Prozent der Richter und Staatsanwälte und 15 Prozent der Rechtsanwälte in Fragen des EU-Rechts geschult werden. Die Strategie sieht auch eine entsprechende Unterstützung für Rechtspraktiker im Westbalkan und in anderen EU-Partnerländern sowie in Afrika und Lateinamerika vor. Darüber hinaus können Angehörige der Rechtsberufe über die Europäische Plattform für Aus- und Fortbildung, deren erste Testphase heute beginnt und die im Laufe des Jahres 2021 voll einsatzbereit sein soll, nach Schulungen zum EU-Recht suchen.

Nächste Schritte

Das in der Mitteilung zur Digitalisierung der Justiz präsentierte Instrumentarium wird nunmehr mit Vertretern der öffentlichen Verwaltungen, der Justiz, der Berufsverbände der Rechtspraktiker und anderen Interessenträgern weiter erörtert, um rasch geeignete konkrete Schritte einzuleiten. Im Frühjahr 2021 werden die Kommission und der künftige EU-Ratsvorsitz eine EU-Konferenz zur justiziellen Aus- und Fortbildung veranstalten.

Quelle: EU-Kommission